Lebensdaten
1959 – 2014
Geburtsort
Wiesbaden
Sterbeort
Frankfurt am Main
Beruf/Funktion
Publizist ; Journalist ; Philologe
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 121226948 | OGND | VIAF: 73977451
Namensvarianten
  • Schirrmacher, Frank Dieter
  • Schirrmacher, Frank
  • Schirrmacher, Frank Dieter
  • mehr

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Zitierweise

Schirrmacher, Frank, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121226948.html [19.04.2024].

CC0

  • Frank Schirrmacher war Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) mit besonderer Zuständigkeit für das Feuilleton. In dieser Funktion eröffnete er wichtige gegenwartsdiagnostische Debatten. In mehreren viel beachteten Sachbüchern nahm er zu gesellschaftlichen Trends wie der Überalterung, der Digitalisierung und dem Plattform-Kapitalismus prononciert Stellung.

    Lebensdaten

    Geboren am 5. September 1959 in Wiesbaden
    Gestorben am 12. Juni 2014 in Frankfurt am Main
    Grabstätte Friedhof Sacrow in Potsdam
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Frank Schirrmacher, Imago/Hoffmann (InC)
    Frank Schirrmacher, Imago/Hoffmann (InC)
  • Lebenslauf

    5. September 1959 - Wiesbaden

    - 1979 - Wiesbaden

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    privates Gymnasium Humboldt Schule

    1979 - 1984 - Heidelberg; Cambridge (Großbritannien)

    Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie (Abschluss: Magister Artium)

    Universität

    1984 - 1984 - Frankfurt am Main

    Hospitant

    Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)

    1985 - 1989 - Frankfurt am Main

    Redakteur

    Feuilleton der FAZ

    1988 - Siegen

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1989 - 1993 - Frankfurt am Main

    Ressortleiter „Literatur und literarisches Leben“

    FAZ

    1994 - 2014 - Frankfurt am Main

    Mitherausgeber

    FAZ

    12. Juni 2014 - Frankfurt am Main
  • Genealogie

    Vater Herbert Schirrmacher 1920–1985 aus Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland); leitender Ministerialrat im Regierungspräsidium in Wiesbaden; Mitglied der SPD
    Großvater väterlicherseits Bruno Schirrmacher
    Großmutter väterlicherseits Erna Schirrmacher 1894–1997
    Mutter Halina Schirrmacher, geb. Hajenski geb. 1933 aus Warka (Masowien, Polen)
    Geschwister eine Schwester
    1. Heirat
    Ehefrau Angelika Klüssendorf geb. 1958 aus Ahrensburg; Schriftstellerin
    Kinder ein Sohn
    2. Heirat
    Ehefrau Rebecca Casati geb. 1970 aus Hamburg; Journalistin, Autorin, Lektorin; Beirätin der Frank-Schirrmacher-Stiftung
    Kinder eine Tochter
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Schirrmacher, Frank (1959 – 2014)

    • Vater

      Herbert Schirrmacher

      1920–1985

      aus Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland); leitender Ministerialrat im Regierungspräsidium in Wiesbaden; Mitglied der SPD

      • Großvater väterlicherseits

        Bruno Schirrmacher

      • Großmutter väterlicherseits

        Erna Schirrmacher

        1894–1997

    • Mutter

      Halina Schirrmacher

      geb. 1933

      aus Warka (Masowien, Polen)

    • 1. Heirat

    • 2. Heirat

  • Biografie

    alternativer text
    Frank Schirrmacher (links) mit Marcel Reich-Ranicki, imago/Hoffmann (InC)

    Schirrmacher wuchs in Wiesbaden-Bierstadt auf und lebte als Kleinkind mit seiner Familie für zwei Jahre in Äthiopien. Nach dem Schulbesuch studierte er von 1979 bis 1984 Germanistik, Anglistik und Philosophie in Heidelberg und am Clare College der Universität Cambridge (Großbritannien), wo ihn das Leben und Werk von Stefan George (1868–1933) und dessen Epigonen faszinierten. Dem Schriftsteller und George-Verehrer Wolfgang Frommel (1902–1986) näherte sich Schirrmacher in einem Schüler-Meister-Modus mit viel George-Lektüre und in zahlreichen Briefen. Beiderseits erkaltete diese Beziehung aber bald.

    1988 wurde Schirrmacher von Hans-Ulrich Gumbrecht (geb. 1948) an der Universität Siegen zum Dr. phil. promoviert. 1996 erhob „Der Spiegel“ Vorwürfe, Schirrmachers schmale Doktorarbeit „Schrift als Tradition. Die Dekonstruktion des literarischen Kanons bei Kafka und Harold Bloom“ (1987), sei nahezu mit seiner Heidelberger Magisterarbeit (1984) identisch und großenteils ein Jahr vor der Doktorarbeit publiziert worden. Die beiden zutreffend berichteten Aspekte bildeten aber keinen Verstoß gegen die Promotionsordnung dieser Universität.

    Seit 1984 war Schirrmacher als Hospitant, seit 1985 als Redakteur für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) tätig. 1989 avancierte er im Alter von 29 Jahren als Nachfolger Marcel Reich-Ranickis (1920–2013) zum Leiter der Redaktion „Literatur und literarisches Leben“ und damit zum jüngsten Literaturchef der FAZ. Fünf Jahre später stieg er zum jüngsten Herausgeber in der Geschichte der FAZ auf. Schirrmacher unterstützte seinen Vorgesetzten Joachim Fest (1926–2006) 1986/87 publizistisch im Historikerstreit und kritisierte im Literaturstreit um Christa Wolf (1929–2011) 1990 die ostdeutschen Intellektuellen und v. a. deren westdeutsche Schriftstellerkollegen wegen deren Konformismus und ihrer Unterstützung der DDR. Er öffnete das Feuilleton für die Entwicklungen der Naturwissenschaft, für die Hirnforschung und Künstliche Intelligenz sowie für die Entschlüsselung des Genoms durch Craig Venters (geb. 1946) Unternehmen, die er in einer einmaligen Aufmachung des Feuilletons am 27. Juni 2000 auf sechs Seiten würdigte.

    Zu Schirrmachers weiteren Themen zählten die Überalterung der Gesellschaft (Das Methusalem-Komplott, 2004), die Auflösung traditioneller Familienstrukturen (Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006), die Gefahren totaler digitaler Kontrolle und des digitalen Kapitalismus (Der Geist in der Maschine. Digitale Intelligenz und die Ökonomie des Geistes, 2015), das Aufkommen der Piratenpartei und die Finanzkrise 2008/09. Daneben beschäftigte er sich mit historischen Themen, besonders mit Nationalsozialismus und Widerstand. Martin Walser (geb. 1927) bezichtigte er aufgrund der Vorablektüre des Romans „Tod eines Kritikers“ 2002 des Antisemitismus. Als erster machte Schirrmacher 2006 die Mitgliedschaft von Günter Grass (1927–2015) in der Waffen-SS in großer Aufmachung publik. Zeitlebens blieb Schirrmacher ein Bewunderer Ernst Jüngers (1895–1998), an dessen Beerdigung er teilnahm.

    So sehr Schirrmachers Gespür für Trends, Themen und Netzwerke anerkannt war, so umstritten war sein Machtstreben und sein autoritärer Führungsstil, der 1995 zu einem redaktionsinternen Aufstand und mehreren ungewöhnlichen Abgängen von Redakteuren aus dem FAZ-Feuilleton führte. Schirrmacher entdeckte und förderte aber auch journalistische Talente und Autoren wie Constanze Kurz (geb. 1974) und Edo Reents (geb. 1965) und warb Journalisten wie Michael Althen (1962–2011) und Claudius Seidl (geb. 1959) von der Süddeutschen Zeitung ab. Nach seinem plötzlichen Tod infolge eines Herzinfarkts 2014 würdigten zahlreiche Nachrufe Schirrmachers Themensetzung, Debattierfreude und sein Gespür für journalistischen Nachwuchs.

    Schirrmacher war ein prägender Meinungsmacher der 1990er Jahre und der Zeit nach der Jahrtausendwende. Sein Faible für Stefan George und Ernst Jünger und die Ablehnung der Achtundsechziger weisen ihn eher als Konservativen aus, seine radikale Öffnung des Feuilletons und die Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen und der Veränderung der Gesellschaft sowie seine Kapitalismuskritik zeigen ihn dagegen als einen progressiven Journalisten.

    Mit dem Ziel, Schirrmachers Werk und Werte weiter zu verbreiten, gründeten der Vorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner (geb. 1963), der Unternehmer und Journalist Michael Gotthelf (geb. 1953), der Journalist Martin Meyer (geb. 1951) sowie der ehemalige FAZ-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher (geb. 1948) im Herbst 2014 die Frank-Schirrmacher-Stiftung mit Sitz in Küsnacht (Kanton Zürich). Sie vergibt seit 2015 jährlich den Frank-Schirrmacher-Preis für „herausragende Leistungen zum Verständnis unseres Zeitgeschehens“.

  • Auszeichnungen

    1999 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
    2004 Journalist des Jahres, Frankfurter Journalistenzeitschrift „Medium Magazin“
    2004 Goldene Feder der Bauer-Verlagsgruppe für „Das Methusalem-Komplott“
    2007 Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache
    2008 katalonischer Kulturpreis Creu de Sant Jordi
    2009 Ludwig-Börne-Preis der Ludwig-Börne-Stiftung
    2010 Journalist des Jahres in der Kategorie „Kultur“, Frankfurter Journalistenzeitschrift „Medium Magazin“
    2012 Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
    2014 Frank-Schirrmacher-Stiftung
    seit 2015 Frank-Schirrmacher-Preis für herausragende Leistungen zum Verständnis des Zeitgeschehens der Frank-Schirrmacher-Stiftung (jährlich)
  • Quellen

    Nachlass:

    Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (Briefwechsel)

  • Werke

    Monografien:

    Schrift als Tradition. Die Dekonstruktion des literarischen Kanons bei Kafka und Harold Bloom, 1987. (Diss. phil.)

    Die Stunde der Welt. Fünf Dichter – Ein Jahrhundert. George, Hofmannsthal, Rilke, Trakl, Benn, 1996, Neuausg. 2017.

    Das Methusalem-Komplott, 2004, 352004, Sonderausg. 2006, span. 2004, niederl. 2005, norweg. 2005, japan. 2005, tschech. 2005, chines. 2005, franz. 2006, ital. 2006, ungar. 2007.

    Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006, 32006, korean. 2006, chines. 2008.

    Payback. Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen, 2009, 42009, chines. 2011, bulgar. 2014.

    Ego. Das Spiel des Lebens, 2013, 52013, span. 2014, ital. 2015, engl. 2015.

    Ungeheuerliche Neuigkeiten. Texte aus den Jahren 1990 bis 2014, hg. u. mit einem Vorwort v. Jakob Augstein, 2014, 22015.

    Herausgeberschaften:

    Verteidigung der Schrift. Kafkas „Prozess“, 1987.

    Im Osten erwacht die Geschichte. Essays zur Revolution in Mittel- und Osteuropa, 1990.

    Die Walser-Bubis-Debatte. Eine Dokumentation, 1999, 22000.

    Marcel Reich-Ranicki. Sein Leben in Bildern. Eine Bildbiographie, 2000, 22000.

    Die Darwin-AG. Wie Nanotechnologie, Biotechnologie und Computer den neuen Menschen träumen, 2001.

    Stefan Aust/Michael Kloft/Frank Schirrmacher, Als sei die Welt erwacht. Zeitzeugen erinnern sich zum 8. Mai 1945, 2005.

    Gehirntraining. Über die Benutzung des Kopfes, 2010.

    Frank Schirrmacher unter Mitwirkung von Peter Sloterdijk, Der Geist in der Maschine. Digitale Intelligenz und die Ökonomie des Geistes, 2015.

    Technologischer Totalitarismus. Eine Debatte, 2015, 22018.

    Interviews:

    Zur Person. Günter Gaus im Gespräch mit Frank Schirrmacher im Jahre 2002, Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) v. 21.8.2002.

    Achim Bogdahn im Gespräch mit Frank Schirrmacher, Eins zu Eins, der Talk. Bayern 2, 2013. (Onlineressource)

  • Literatur

    Stephan Weichert/Christian Zabel (Hg.), Die Alpha-Jornalisten. Deutschlands Wortführer im Porträt, 2007, S. 324–331.

    Georg Diez, Sirene der Gegenwart, in: Der Spiegel v. 24.10.2015, S. 129–132.

    Michael Angele, Schirrmacher. Ein Porträt, 2018.

    Peter Hoeres, Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ, 2019.

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Peter Hoeres (Würzburg)

  • Zitierweise

    Hoeres, Peter, „Schirrmacher, Frank“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2022, zuletzt geändert am 23.05.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/121226948.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA