Lebensdaten
1813 – 1887
Geburtsort
Bischofswalde (Schlesien)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
deutsch-katholischer Theologe ; religiöser Schriftsteller ; Pädagoge
Konfession
deutsch-katholisch
Normdaten
GND: 119106868 | OGND | VIAF: 45104480
Namensvarianten
  • Norge, Johannes (Pseudonym)
  • Ronge, Johannes
  • Norge, Johannes (Pseudonym)
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Zitierweise

Ronge, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119106868.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Michael, Bauer;
    M Hedwig Zimmer;
    8 Geschw;
    1) 1850 Bertha (1818/19-63, 1] Friedrich Traun, 1804–81, Fabr.), Schriftst. (s. W), T d. Heinrich Christian Meyer (1797–1848), Spazierstockfabr. (s. NDB 17), 2) 1870 Erwine Kremer (1841–1921);
    1 T aus 1), 1 S aus 2) Hans, Dr.; Schwägerin Margarethe Meyer (1833–76, Carl Schurz, 1829–1906, s. Rhein. Lb 1982).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasiums in Neiße studierte R. kath. Theologie in Breslau. 1840 wurde er zum Priester geweiht und ging als Kaplan nach Grottkau. 1843 wurde er nach einem kirchenkritischen Artikel in den von|Robert Blum (1807–48) herausgegebenen „Sächs. Vaterlandsblättern“ vom Dienst suspendiert und fand als Privatlehrer eine Anstellung in Laurahütte. Am 16.10.1844 veröffentlichte er in den Vaterlandsblättern ein „Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi in Trier“. Darin griff er die Ausstellung des sog. Hl. Rocks in Trier aufs heftigste an und bezeichnete diese als Ausbeutung der sozialen Notlage der Bevölkerung und Beleidigung der Vernunft.

    Der Brief wurde zum Auslöser einer landesweiten Religionsbewegung des Dt.katholizismus seit 1845. R. unterstützte die Gründung dieser Gemeinden wie auch von Frauenvereinen und Arbeiterbildungsvereinen durch zahlreiche Rundreisen, und wurde selbst zum ersten Prediger in Breslau berufen. Mit ihrem Anspruch auf religiöse Selbstbestimmung und rationalem Glaubensverständnis bildeten die Gemeinden Sammelbecken demokratischer Kräfte. 1848 wurde R. ins Frankfurter Vorparlament gewählt, wo er eine radikale demokratische Auffassung vertrat. 1849 mußte er wegen seiner Kritik am preuß. König nach London emigrieren. Dort gründete er die Humane Religionsgemeinde und verbreitete mit seiner Frau die Idee Fröbelscher Kindergärten, wofür er auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1861 arbeitete. Mit eigenen Zeitschriften setzte er sich weiter für eine religiöse Reform mit dem Ziel einer liberalen Nationalkirche ein, förderte die Verbreitung von Kindergärten, Frauen- und Arbeiterbildungsvereinen sowie freien Schulen. Er bemühte sich, die liberalen jüd. Gemeinden für eine allgemeine freie Religion zu begeistern und trat in den 70er und 80er Jahren energisch gegen den sich ausbreitenden Antisemitismus ein.

    R., für den die demokratische Revolution in Deutschland eine religiöse Verpflichtung war, war weniger ein systematischer Theologe oder gar ein Religionsstifter im traditionellen Sinne. Er betonte ethisches Handeln als grundlegende Verpflichtung des einzelnen und wandte sich vom christl. Erlösungs- und Gnadengedanken ab. Er sah den Menschen als selbstverantwortlich und frei gerade auch im religiösen Bereich an. Jeder sollte Religion unter Einbeziehung von Vernunft und wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickeln. Soziale Reformen und Sozialarbeit sollten den einzelnen Menschen in seinen Fähigkeiten bestärken und ihm Mittel zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung geben. Mit seinem Einsatz für diese Ideen wirkte er über den Kreis der freireligiösen Gemeinden, wie sich die dt.kath. Gemeinden nach ihrem Zusammenschluß mit den prot. „Lichtfreunden“ nannten, hinaus auch auf die Frauen-, Arbeiter- und Bildungsbewegung ein.

  • Werke

    The Ref. of the 19th Century, 1852;
    Practical Guide to the English Kindergarten (children's garden), 1855 (mit Bertha Ronge);
    Die nat. Bewegung u. d. rel. Reform, 1862;
    Vierzehn Briefe v. Robert Blum an J. R., 1866;
    Dr. Fröbels Kindergartensystem als Grundlage e. zeitgemäßen Nat.erziehung, 1873;
    Rel.buch (Katechismus) f. d. Unterr. d. Jugend in Fam. u. Schule in d. freirel., dt.kath. u. freiprot. Gemeinden, 1. T., ²1882;
    Flugschrr. u. a.:
    An d. kath. Lehrer, 1845;
    An d. niedere kath. Geistlichkeit, 1845;
    Rechtfertigung, l-41845;
    An meine Glaubensgenossen u. Mitbürger, 1845;
    Die röm. u. d. dt. Schule, 1845;
    Ein Zuruf an d. Nichtbevorrechteten, 1845;
    Kath. Dichtungen, 1845;
    Das Wesen d. freien christl. Kirche, 1847;
    Aufruf an d. dt. Männer u. Frauen, nebst Grundbestimmungen d. freien Kirche, 1850;
    Die dt. Schule u. d. unfehlbare Papsttum, o. J.;
    Das sittl. Gesetz d. Ehe u. d. Berechtigung d. Staates b. Eheschließungen (obligator. Civilehe), o. J.;
    Offenes Sendschreiben an d. Bf. v. Mainz W. E. v. Ketteler, 1857;
    Zss.:
    Neue rel. Reform, Organ d. dt. Reform-Ver. z. Förderung freier prot. Gemeinden resp. d. freien dt. Nat.kirche, Kindergärten, Schulen, Fortbildungsschulen, seit 1864 (erster Titel: freie rel. Bll. f. Dtld.);
    Freie dt. Nat.kirche, seit 1867;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: StadtA Mannheim (P); Freirel. Landesgde. Pfalz. Ludwigshafen.

  • Literatur

    ADB 29;
    W. Bonneß, J. R., Aufbruch d. freirel. Idee aus d. Katholizismus, in: Die freirel. Bewegung, Wesen u. Auftrag, 1859–1959, hg. v. Bund Freirel. Gemeinden Dtld., 1959, S. 34-48;
    A. Kuhn, Theorie u. Praxis hist. Friedensforsch., 1971;
    F. W. Graf, Die Politisierung d. rel. Bewußtseins, Die bürgerl. Rel.parteien im dt. Vormärz, 1978;
    S. Paletschek, Frauen u. Dissens, Frauen im Dt.katholizismus u. in d. freien Gemeinden 1841-1852, 1990;
    A. Hölzem, Kirchenreform u. Sektenstiftung, Dt.katholiken, Reformkatholiken u. Ultramontane am Oberrhein 1844-1866, 1994;
    H. Groschopp, Dissidenten, Freidenkerei u. Kultur in Dtld., 1997;
    S. Pich, J. R. u. sein Nachlaß, in: FS f. Eckhart Pilick, 1997, S. 54-76;
    Schles. Lb. II, 1926, S. 198-203 (P);
    Kosch, Biogr. Staatshdb.;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    Frankfurter Biogr.;
    E. Pilick (Hg.), Lex. freirel. Personen, 1997;
    BBKL;
    Biogr. Lex. Burschenschaft (P).

  • Porträts

    Lith. nach Zeichnung v. H. Stein, 1844 (StadtA Mannheim).

  • Autor/in

    Renate Bauer
  • Zitierweise

    Bauer, Renate, "Ronge, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 27-28 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119106868.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Ronge: Johannes R., Hauptgründer der deutsch- oder christkatholischen Gemeinden, geboren am 16. October 1813 zu Bischofswalde in Schlesien, als Sohn eines Bauern, am 20. October 1887 zu Wien. Gebildet seit 1827 auf dem Gymnasium zu Neisse, seit 1837 auf der Universität zu Breslau, wo er 1839 in das Alumnat trat, ward er 1840 Caplan zu Grottkau. Nachdem seine sehr freie Richtung ihm schon verschiedene Anfechtungen seitens seiner Oberen zugezogen hatte, ward er infolge des in den Sächsischen Vaterlandsblättern 1842 erschienenen Aufsatzes „Rom und das Breslauer Domcapitel“ am 30. Januar 1843 seines Amtes entsetzt. Der Vorladung keine Folge leistend, übernahm er darauf den Unterricht auf der Laurahütte. Schon hatte Joh. Czerski (geboren am 12. Mai 1813 und seit dem März 1844 Vicar in Schneidemühl) am 22. Aug. 1844 sein Amt niedergelegt um mit seiner Gemeinde aus der römisch-katholischen Kirche auszutreten und es gährte eine allgemeine Opposition gegen die hierarchische Richtung in der Kirche. Da gab ein öffentlicher Brief Ronge's vom 1. October 1844 an den Bischof Arnoldi von Trier dem wettverbreiteten Unmuth über die Trierer Rockfahrt jenes Jahres einen energischen und populären Ausdruck. Zugleich forderte R. in Aufrufen die niedere Geistlichkeit auf, sich mit ihm von Rom loszusagen, mit dem hierarchischen System zu brechen, eine deutsche Nationalkirche durch Concilien oder Synoden zu gründen, die Ohrenbeichte, die lateinische Messe, den Coelibat abzuschaffen u. s. w. Czerski trat dieser Bewegung nun zu und gründete in Schneidemühl die erste „christ-katholische“ Gemeinde, deren Glaubensbekenntniß er verfaßte und am 19. October 1844 veröffentlichte. R., der durch eine Reihe sich rasch folgender kleiner Schriften die Bewegung mit Erfolg ins Breite trieb, ward durch Urtheil vom 22. October 1844 mit Degradation und Excommunication belegt. Auch Czerski verfiel am 15. Februar 1845 der Excommunication. R. reiste nun predigend umher und es bildeten sich in der That an vielen Orten deutsch-katholische Gemeinden; bis zum Frühjahr 1845 waren ihrer schon über 100. Dieser Erfolg ist übrigens mehr der allgemeinen Erbitterung gegen die steigende ultramontane Richtung in der Kirche als Ronge's|Persönlichkeit zuzuschreiben. Er war wol ein geschickter Agitator, aber zum Reformator fehlte ihm ebenso sehr die geniale Persönlichkeit, wie die Tiefe religiösen Gemüthes. Eine am 9. März 1845 constituirte Gemeinde zu Breslau wählte ihn dann zum Prediger. Während das von Czerski abgefaßte Glaubensbekenntniß sich noch in wesentlichen Stücken des Dogmas wie des Cultus auf den Boden der katholischen Kirche stellte, brach das jetzt unter Ronge's Einfluß abgefaßte Breslauer Glaubensbekenntniß auch auf diesen Gebieten mit der alten Kirche. Ein am 22. März 1845 zu Leipzig abgehaltenes Concil, dem R. und Czerski beiwohnten, führte gleichwol auf Grundlage des Breslauer Glaubens-bekenntnisses zu einer allgemeinen Einigung, wobei man sich in betreff des Kirchenregimentes für eine Presbyterial- und Synodalverfassung entschied. Jetzt mehrten sich die Gemeindebildungen in ganz Deutschland, so daß man ihrer bis zum Ausgang des Jahres schon an 300 zählte. Auf Seiten der freisinnigen Protestanten sah man der wachsenden Bewegung mit Sympathie zu und die an manchen Orten vorhandenen „freireligiösen“ protestantischen Gemeinden neigten zum Anschluß an die Deutschkatholiken. Die conservativen Protestanten dagegen erkannten mit Recht in dieser von keinem strengen Geist beherrschten Bewegung nur eine bedrohliche Untergrabung nicht nur der Kirche, sondern auch des Staates! In Sachsen, Preußen, Württemberg, Baden, Oesterreich schritten die Behörden überwachend, einschränkend, ja auch mit schärferen Maßregeln gegen die „Dissidenten“ ein und unter ihnen selbst machte sich der Zwiespalt der Richtungen immer schroffer geltend, namentlich zwischen den Hauptleitern, Czerski, der strenger an der alten Kirche festhielt und R., der Schritt für Schritt zu radicaleren Auffassungen gedrängt wurde. Die Czerski (und Theiner) anhängenden Gemeinden stellten am 24. Juli 1846 zu Schneidemühl ein neues Glaubensbekenntniß auf, das aber dem rechten Flügel der Bewegung immer noch nicht positiv genug war. R. zerfiel mit seiner Breslauer Gemeinde völlig. Auch ein im März 1847 in Berlin abgehaltenes Concil vermochte die Einheit nicht mehr herzustellen. Die Gemeindebildungen hörten auf, man fühlte, daß die ganze Bewegung stockte. Scheinbar gaben ihr dann freilich die politischen Stürme des Jahres 1848 neue Impulse. R. und seine Anhänger verfielen mehr und mehr auch dem politischen Radicalismus. R. erschien schon im Vorparlamente und theilte dann bis zur Auflösung die Schicksale der äußersten Linken. Mit dem Eintritt der Reaction begannen auch gegen die Deutschkatholiken und freien Gemeinden überall verschärfte Maßnahmen. R. ging nach England. Erst 1861 siedelte er wieder nach Frankfurt a. M. über, wo er 1863 einen „Religiösen Reformverein“ gründete. Seine sich immer mehr verflachenden weiteren Schicksale zu verfolgen hat kein Interesse.

    • Literatur

      Vgl. Kampe, Das Wesen des Deutschkatholicismus mit besonderer Rücksicht auf sein Verhältniß zur Politik, 1850; Ders., Gesch. der relig. Bewegungen der neueren Zeit, 4 Bde. 1852—60. — Brockhaus' Convers.-Lexicon.

  • Autor/in

    v. L.
  • Zitierweise

    L., von, "Ronge, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 29 (1889), S. 129-130 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119106868.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA