Lebensdaten
1875 – 1941
Geburtsort
Mogilev/Dnjepr (Mohilew, Weißrußland)
Sterbeort
Tel Aviv
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118795627 | OGND | VIAF: 27132789
Namensvarianten
  • Schur, Schaia
  • Schur, Issai
  • Schur, Schaia
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schur, Issai, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118795627.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Moses, Großkaufm.;
    M Golde N. N.;
    1906 Regina Frumkin, Ärztin;
    1 S Georg, Versicherungsmath., 1 T.

  • Biographie

    Nach Absolvierung des Gymnasiums in Liepaja (Litauen) begann S. 1894 mit dem Studium der Mathematik in Berlin und wurde 1901 bei Georg Frobenius promoviert (Über e. Klasse v. Matrizen, d. sich e. gegebenen Matrix zuordnen lassen). Nach seiner Habilitation 1903 (Über d. Darst. d. endl. Gruppen durch gebrochene lineare Substitutionen) lehrte S. als Privatdozent an der Univ. Berlin, bis er 1913 als Nachfolger von Felix Hausdorff (1868–1942) als ao. Professor an die Univ. Bonn berufen wurde. Auf Betreiben von Frobenius kehrte S. 1916 nach Berlin zurück; er bekam 1919 ein persönliches Ordinariat und wurde 1921 Lehrstuhlinhaber als Nachfolger von Friedrich Schottky (1851–1935). Im Mai 1933 wurde S. von seinem Amt beurlaubt, konnte jedoch nach heftigen Protesten von Kollegen und seiner zahlreichen Hörer noch einige Spezialvorlesungen halten. Der drohenden Zwangsemeritierung kam S. durch die Einwilligung zu seinem Ausscheiden zuvor. 1936 konnte er an der ETH Zürich Teile seines umfangreichen Werks in einer Vorlesung weitergeben. 1939 emigrierte er nach Palästina.

    S. war einer der bedeutendsten Vertreter der Algebra und Zahlentheorie in der ersten Hälfte des 20. Jh. und Begründer der „Berliner Schule“ der Algebra (Gruppentheorie) und Zahlentheorie. S.s überragende, bis heute nachwirkende mathematische Bedeutung liegt v. a. auf dem Gebiet der Darstellungstheorie von Gruppen, also (im einfachsten Fall) der Erforschung der Eigenschaften einer Gruppe durch ihr Bild bei einer verknüpfungstreuen Abbildung (eines Homomorphismus) in der Gruppe der invertierbaren linearen Abbildungen (der Automorphismen) eines endlichdimensionalen Vektorraums (der nichtsingulären Matrizen) in sich. Anknüpfend an die Arbeiten seines Lehrers Frobenius, gelang S. die vollständige Charakterisierung aller Darstellungen einer endlichen Gruppe. Er prägte in seiner Habilitationsschrift den Begriff des heute nach ihm benannten „Schurschen Multiplikators“ einer Gruppe, mit dem er zum Teil den 45 Jahre später von Samuel Eilenberg und Saunders Mac Lane eingeführten Begriff der Kohomologie von Gruppen vorwegnahm. Bei Symmetriegruppen spricht man heute von einem „Schur-Ring“, im Zusammenhang mit zentral-einfachen Algebren vom „Schur-Index“. Durch die Erkennung fundamentaler Zusammenhänge, die Prägung zentraler Begriffe und die Entwicklung verallgemeinerungsfähiger Methoden wurde S. zum Wegbereiter wichtiger Anwendungen wie der Analyse von Symmetrien in Geometrie und Physik (Quantenmechanik, Quantenfeldtheorie), sogar auch von solchen, die mit Strukturen behandelt werden müssen, die allgemeiner sind als der Gruppenbegriff (Hopfalgebren, Tensorkategorien). So bewies S. die als „Schursches Lemma“ bekannte Aussage, wonach in einer absolut irreduziblen Darstellung eine mit allen Bildern einer Gruppe vertauschbare Matrix ein Vielfaches der Einheitsmatrix ist. Weitere Arbeitsgebiete waren Zahlentheorie, algebraische Gleichungen, Funktionentheorie, Integralgleichungen. In der heutigen Geometrie der Banachräume erinnert der Name „Schur-Raum“ an ein von S. schon 1921 bewiesenes Resultat über absolut-summierbare Folgen. Zu den vielen Schülern von S. zählen Richard (1901–77) und Alfred Brauer (1894–1985), Bernhard Neumann (* 1909), Richard Rado (* 1906), Helmut Wielandt (* 1910) und Dora Prölß (1889–1943), 1922 die erste Berliner Doktorandin in Mathematik.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Leopoldina (1919);
    o. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1922–38);
    korr. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Leningrad, Leipzig, Halle u. Göttingen.

  • Werke

    Über d. Darst. d. endl. Gruppen durch gebrochene lineare Substitutionen, in: Journal f. Reine u. Angewandte Math. 127, 1904, S. 20-50;
    Arithmet. Unterss. über endl. Gruppen linearer Substitutionen, in: SB d. Ak. d. Wiss. Berlin, Physikal.-math. Kl. 1906, S. 164-84;
    Zur Theorie d. einfach transitiven Permutationsgruppen, ebd. 1933, S. 598-623;
    Über lineare Transformationen in d. Theorie d. unendl. Reihen, in: Journal f. Math. 151, 1921, S. 79-111;
    A. Brauer u. H. Rohrbach (Hg.), Ges. Abhh., 1973;
    Mitbegr. u. Mithg.
    d. Mathemat. Zs., 1918-36.

  • Literatur

    W. Ledermann, I. S. and his school in Berlin, in: Bull. of the London Mathematical Soc. 15, 1983, S. 97-106;
    K.-R. Biermann, Die Math. u. ihre Dozenten an d. Berliner Univ. 1810-1933, 1988;
    U. Stammbach, Die Zürcher Vorlesung v. S. über Darst.theorie, in: Mathemat. Semesterberr. 50, 2003, S. 131-42;
    A. Vogt, I. S., als Wissenschaftler vertrieben, in: Menora 10, 1999, S. 217-35;
    Enc. of Mathematics VIII, 1992;
    Enc. Jud. 1971;
    Pogg. VI-VII a;
    BHdE II.

  • Autor/in

    Jürgen Batt
  • Zitierweise

    Batt, Jürgen, "Schur, Issai" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 760 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118795627.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA