Lebensdaten
1909 – 1980
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Erlangen
Beruf/Funktion
Historiker ; Religionswissenschaftler
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118758985 | OGND | VIAF: 102317217
Namensvarianten
  • Schoeps, Hans-Joachim
  • HJSch.
  • Schoeps, H. J.
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Zitierweise

Schoeps, Hans-Joachim, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118758985.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus kulturell assimilierter, preuß. u. dt. Empfinden hewußt artikulierender jüd. Bürgerfam., die seit Mitte d. 18. Jh. in Westpreußen bzw. in d. Altmark ansässig war;
    V Julius (1864–1942 Theresienstadt), aus Neuenburg (Kr. Schwetz, Westpreußen), Dr. med., Oberstabsarzt, Sanitätsrat, S d. Isaak (1829–1917), Kaufm.;
    M Käthe (1886–1944 Auschwitz), T d. Julius Frank (1844–1915), Kaufm., Bes. e. chem. Fabrik in Brandenburg/Havel, u. d. Johanna Joel (1856–1938);
    B Konrad (1913/14?-1936), Photograph;
    Stockholm 1941 1946 Dorothee (1915–96), Kunsthist., T d. Felix Busch (1871–1938), preuß. Landrat (s. L), u. d. Marie Mendelssohn-Bartholdy (1881–1970);
    2 S Julius H. (* 1942), Dr. phil., Hist., Prof. f. Neuere Gesch. in Potsdam, Mitgl. d. PEN Dtld., seit 1984 Vors. d. Ges. f. Geistesgesch., seit 2005 d. Repräsentantenvereinigung d. Jüd. Gde. B. (s. Kürschner. Gel.-Kal. 2005; Munzinger; L), Manfred (* 1944), Dr. phil., Hist., Kaufm.;
    Gvm d. Ehefrau Ernst v. Mendelssohn-Bartholdy (1846–1909, preuß. Adel 1896), Bankier, Teilh. d. Bankhauses Mendelssohn & Co. in B., lebenslängl. Mitgl. d. preuß. Herrenhauses, dän. Gen.konsul, GKR, WGR (s. NDB 17, Fam.art.).

  • Biographie

    Nach Schulzeit in Berlin und führendem Engagement im Kreis der dt. Jugendbewegung (Freidt. Jugend, Bünd. Jugend), deren homoerotisch erlebte männerbündische Gesinnung ihn sein Leben lang prägte, studierte S. seit 1928 Religionswissenschaft, Geschichte, Germanistik und Philosophie in Heidelberg, Berlin, Marburg und Leipzig; hier wurde er 1932 bei Joachim Wach (1898–1955) im Fach Religionswissenschaft zum Dr. phil. promoviert. Schon zuvor hatte er sich gemeinsam mit Max Brod (1884–1968) intensiv um die Herausgabe der nachgelassenen Schriften von Franz Kafka bemüht. Seine theologisierende Kafka-Deutung verband er mit Versuchen zur Grundlegung einer jüd. Theologie und Religionsphilosophie. Daneben entfaltete er rege Aktivitäten als Gründer und „Führer“ des Bundes „Dt. Vortrupp, Gefolgschaft dt. Juden“, welcher die Zugehörigkeit der Juden zum Deutschtum herausstellte, für eine Intensivierung der dt.-jüd. Symbiose plädierte und den Zionismus entschieden verwarf. Als Redner im Auftrag des „Verbands nationaldt. Juden“ und des „Reichsbunds jüd. Frontsoldaten“ warb S. nach 1933 für den Verbleib seiner jüd. Zuhörer in ihrer dt. Heimat. Politisch stand er – damals wie später – den antikapitalistischen und liberalismuskritischen Positionen der „Konservativen Revolution“ nahe. Er publizierte in konservativen Zeitschriften wie „Die Tat“ und „Der Ring“, hielt Kontakt zu den Mitgliedern des „Jungkonservativen Clubs“ und des „Herrenclubs“ und engagierte sich für die „Volkskonservative Vereinigung“, eine parteipolitische Abspaltung der DNVP. Nach gescheiterten Annäherungsversuchen an einzelne Repräsentanten des NS-Regimes (Ernst Röhm) und sich seit 1936 häufenden Gestapo-Verhören entzog sich S. seiner bevorstehenden Verhaftung am Heiligabend 1938 durch Flucht nach Schweden.

    Zunächst in Stockholm, seit 1941 in Uppsala, schrieb er als Bibliothekar und Privatgelehrter umfangreiche Abhandlungen zur Geschichte des Judentums und zu Problemen jüd.-christl. Religionsbeziehungen, v. a. aus der Zeit des frühen Christentums und des Barock. Nach seiner Rückkehr 1946 habilitierte er sich 1947 an der Univ. Marburg und erhielt im selben Jahr einen Ruf auf ein planmäßiges Extraordinariat für das neugegründete Fach „Religions- und Geistesgeschichte“ an der Univ. Erlangen, das 1950 bzw. 1962 in einen Lehrstuhl umgewandelt wurde. Von dort aus entfaltete S. in den folgenden drei Jahrzehnten nicht nur große Strahlkraft als akademischer Lehrer, sondern auch rege Aktivitäten im Dienst einer theoretischen und praktischen Grundlegung der von ihm vertretenen Disziplin „Geistesgeschichte“ (Zs. f. Rel.- u. Geistesgesch., seit 1947; Ges. f. Geistesgesch., seit 1958), die er als interdisziplinäre Methode zur Rekonstruktion repräsentativer Ausdrucksformen des jeweils epochalen „Zeitgeistes“ verstand.

    Darüber hinaus profilierte er sich als einer der führenden westdt. Preußen-Historiker der 1950er und 1960er Jahre, der v. a. zum Zeitalter Friedrich Wilhelms IV. und zur Geisteswelt der preuß. Hochkonservativen (Leopold u. Ludwig v. Gerlach, Friedrich Julius Stahl, Heinrich Leo, Hermann Wagener) bahnbrechende wissenschaftliche Monographien, Editionen und Abhandlungen vorlegte (Das andere Preußen, 1952; Preußen, Gesch. e. Staates, 1966). S. verstand Preußen dabei in deutlich positiver Akzentuierung als einen übernationalen Rechtsstaat, der auf der Basis monarchischer Autorität, konfessioneller Toleranz und geistiger Freiheit den verschiedensten Volksgruppen Schutz und Entfaltungsmöglichkeit gewährte (Die Ehre Preußens, 1951).

    Nicht zuletzt infolge seines publizistisch-politischen Engagements seit Mitte der 1960er Jahre – S. plädierte, in Wiederaufnahme seiner konservativen Positionen aus den frühen 1930er Jahren, u. a. für die Errichtung eines Zwei-Kammer-Systems, für die Etablierung eines Eliten-Wahlrechts und für die Wiedereinführung der monarchischen Staatsform in Deutschland – wurde er seit 1968 zu einem bevorzugten Angriffsziel der studentischen Protestbewegung. Vorlesungsboykotte, Diffamierungskampagnen und physische Gewaltanwendung seitens studentischer Revolutionäre führten bei S. im letzten Lebensjahrzehnt zu wachsender Isolierung im Kreise der Kollegenschaft und zu einem nahezu totalen Rückzug aus der akademischen Lehre – bei gleichzeitig weiterhin ungebrochener publizistischer Tätigkeit und verstärktem politischen Engagement (Versuch e. Parteigründung „Konservative Sammlung“ 1970).

  • Auszeichnungen

    Konrad-Adenauer-Preis (1969);
    Bayer. Verdienstorden (1970);
    Frhr. v. Stein-Medailie (1972).

  • Werke

    Weitere W Jüd. Glaube in dieser Zeit, Prolegomena z. Grundlegung e. systemat. Theol. d. Judentums, 1932 (Diss.);
    Streit um Israel, Ein jüd.-christl. Gespräch geführt mit Hans Blüher, 1933;
    Wir dt. Juden, 1934;
    Gesch. d. jüd. Rel.philos. in d. Neuzeit, 1935;
    Gestalten an d. Zeitenwende, Burckhardt, Nietzsche, Kafka, 1936;
    Jüd.-christl. Rel.gespräch in 19 Jhh., Gesch. e. theol. Auseinandersetzung, 1937 (³1961 u. d. T. „Israel u. Christenheit“);
    Der moderne Mensch u. d. Verkündigung d. Religionen, 1939;
    Theol. u. Gesch. d. Judenchristentums, 1949;
    Aus frühchristl. Zeit, Rel.geschichtl. Unterss., 1950;
    Gottheit u. Menschheit, Die gr. Religionsstifter u. ihre Lehren, 1950;
    Das war Christian-Erlang, Berr. z. Geistesgesch. d. Univ. Erlangen im ersten Jh. ihres Bestehens, 1950;
    Das himml. Fleisch Christi, Eine dogmengeschichtl. Unters., 1951;
    Philosemitismus im Barock, Rel.- u. geistesgeschichtl. Unterss., 1952;
    Kommt d. Monarchie?, Wege zu neuer Ordnung im Massenza., 1953;
    Vorläufer Spenglers, Studien z. Gesch.pessimismus im 19. Jh., 1953;
    Urgde., Judenchristentum, Gnosis, 1956;
    Die letzten dreißig Jahre, Rückblicke, 1956 (²1963 u. d. T. „Rückblicke, Die letzten dreißig Jahre [1925-1955] u. danach“);
    Kons. Erneuerung, Ideen z. d. Pol., 1958;
    Paulus, Die Theol. d. Apostels im Lichte d. jüd. Rel.gesch., 1959;
    Was ist u. was will d. Geistesgesch.?, Über Theorie u. Praxis d. Zeitgeistforsch., 1959;
    Was ist d. Mensch?, Phil. Anthropol. als Geistesgesch. d. neuesten Zeit, 1960;
    Religionen, Wesen u. Gesch., 1961;
    Preußen – gestern u. morgen, 1963;
    Studien z. unbek. Rel- u. Geistesgesch., 1963;
    Das Judenchristentum, Unterss. über Parteirichtungen u. Gruppenkämpfe in d. alten Christenheit, 1964;
    Unbewältigte Gesch., Stationen dt. Schicksals seit 1763, 1964 (²1970 u. d. T. „Preußen u. Dtld., Wandlungen seit 1763“);
    Barocke Juden, Christen, Judenchristen, 1965;
    Preußen, Bilder u. Dok., 1967;
    Der Weg ins dt. Ks.reich, 1970;
    „Bereit f. Dtld.!“ Der Patriotismus dt. Juden u. d. NS, Frühe Schrr. 1930 bis 1939, Eine hist. Dok., 1970;
    Ungeflügelte Worte, Was nicht im Büchmann stehen kann, 1971;
    Bismarck über Zeitgenossen, Zeitgenossen über Bismarck, 1972;
    Dtld. droht d. Anarchie, 1972;
    Abschied v. Dtld., 1973;
    Ja – Nein – u. Trotzdem, Erinnerungen – Begegnungen – Erfahrungen, 1974 (S. 269-83; Bibliogr. d. wiss. Publ. bis 1974) ;
    Dt. Geistesgesch. d. Neuzeit, Ein Abriß in fünf Bdn., 1977-80;
    Üb' immer Treu u. Redlichkeit. Preußen in Gesch. u. Gegenwart, 1978;
    Ein weites Feld, Ges. Aufss., 1980;
    Ges. Schrr., hg. v. S. Ludwig Steinheim-Inst. f. dt.-jüd. Gesch. v. Julius H. Schoeps u. a. (seit 1990);
    Hg.:
    Franz Kafka, Beim Bau d. chines. Mauer, Ungedr. Erzz. u. Prosa aus d. Nachlaß, 1931 (mit M. Brod);
    Jüd. Geisteswelt, Zeugnisse aus zwei J.tausenden, 1953;
    Das war Preußen, Zeugnisse d. Jhh., Eine Anthol., 1955;
    Aus den Jahren preuß. Not u. Erneuerung, Tagebücher u. Briefe d. Gebr. Gerlach u. ihres Kreises 1813-1820, 1963;
    Zeitgeist im Wandel, 2 Bde., 1967/68;
    Neue Qu. z. Gesch. Preußens im 19. Jh., 1968;
    Briefwechsel zw. Ernst v. Bodelschwingh u. Friedrich Wilhelm IV, 1968;
    Zeitgeist d. Aufklärung, 1972;
    Briefwechsel
    (hg. v. Julius H. Schoeps): Im Streit um Kafka u. d. Judentum, Max Brod – H.-J. S. – Briefwechsel, 1985;
    Auf d. Suche nach e. jüd. Theol., Der Briefwechsel zw. Schalom Ben-Chorin u. H.-J. S., 1989;
    A. Mehmel: „Ich richte nun an Sie d. gr. Bitte, e. zweckdienl. Eingabe in dieser Sache zu machen …“, Zwei Briefe v. 1942 an Sven Hedin v. H.-J. S., in: Zs. f. Rel.- u. Geistesgesch. 52, 2000, S. 38-46;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Staatsbibliothek zu Berlin, Preuß. Kulturbes. Berlin-Dahlem, Hss.abt. (Nachlaß 148).

  • Literatur

    FS z. Verleihung d. Konrad-Adenauer-Preises 1969 f. Wiss., Lit. u. Publizistik, o. J. [1969];
    K. Toepner (Hg.), Wider d. Ächtung d. Gesch., FS f. H.-J. S. z. 60. Geb.tag, 1969;
    ders., in: Das neue Erlangen 45, 1978, S. 3346-48;
    ders., Tageb.notizen v. H.-J. S., in: Zs. f. Rel- u. Geistesgesch. 32, 1980, S. 353-66;
    C. J. Rheins, Dt. Vortrupp, Gefolgschaft dt. Juden 1933-1935, in: Yearbook LBI 26, 1981, S. 207-29;
    F. W. Kantzenbach, Das wiss. Werden v.|H.-J. S. u. seine Vertreibung aus Dtld. 1938, Eine Dok. aus d. Briefen v. H.-J. S. an Martin Rade im Nachlaß M. Rade, Marburg, in: Zs. f. Rel.- u. Geistesgesch. 32, 1980, S. 319-52;
    F.-L. Kroll, in: Fränk. Lb. 16, 1996, S. 287-306 (Qu, W, L, P);
    ders., Das geistige Preußen, Zur Ideengesch. e. Staates, 2001, S. 219-40;
    ders., in: Erlanger Stadtlex.;
    Zum Gedenken H.-J. S.s 1909-1980, 1980;
    G. Lease, Wer war hier Christ, wer Jude?. Das Gespräch zw. H.-J. S. u. Hans Blüher, in: H. Kremers u. Julius H. Schoeps (Hg.), Aus d. christl.-jüd. Rel.gespräch seit d. 18. Jh., 1987, S. 114-30;
    G. Lease, Der Briefwechsel zw. Karl Barth u. H.-J. S. (1929-1946), in: Menora. Jb. f. dt.-jüd. Gesch. 2, 1991, S. 105-37;
    M. A. Krell, S. versus Rosenzweig, Transzending Religious Borders, in: Zs. f. Rel.- u. Geistesgesch. 52, 2000, S. 25-37;
    Julius H. Schoeps, „Nil inultum remanebit“. Die Erlanger Univ. u. ihr Umgang mit d. dt.-jüd. Remigranten H.-J. S. (1909-1980), ebd., S. 266-78;
    Enc. Jud. 1971;
    BHdE II;
    LThK³;
    TRE 30;
    Lex. Konservatismus;
    Munzinger;
    zu Felix Busch:
    F. B., Aus d. Leben e. kgl.-preuß. Landrats, hg. v. Julius H. Schoeps, ²2000.

  • Porträts

    Foto, Abb. in: Gesch.wiss. in Erlangen, hg. v. H. Neuhaus, 2000, S. 315 f.

  • Autor/in

    Frank-Lothar Kroll
  • Zitierweise

    Kroll, Frank-Lothar, "Schoeps, Hans-Joachim" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 433-435 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118758985.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA