Lebensdaten
1827 – 1876
Geburtsort
Ostdorf bei Balingen (Württemberg)
Sterbeort
Ragaz
Beruf/Funktion
Orientalist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118709097 | OGND | VIAF: 3265393
Namensvarianten
  • Haug, Martin
  • Haug, M.
  • Haugh, Martin

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Zitierweise

Haug, Martin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709097.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Martin (1799–1852), Bauer in O., S d. Bauern Gottlieb in O. u. d. Ursula Leukhardt;
    M Anna Maria (1802–41), T d. Schneiders Gottlieb Jetter in O. u. d. Anna Maria Geiger;
    Gochsen 1859 Sophia (1819–96), T d. Kaufm. Gg. Gallus Speidel in Ofterdingen u. d. Maria Dor. Geiger;
    1 S.

  • Biographie

    H. war schon mit 16 Jahren Hilfslehrer. Seine philologische Bildung in Latein und Griechisch erarbeitete er sich selbständig, in Sanskrit mit Hilfe von Franz Bopps Ausgabe von Nāl und Damayantī (1819). Nach Ablegung des humanistischen Maturs in Stuttgart begann er, neben altphilologischen und orientalischen Studien, zunächst in Tübingen das Studium des Altindischen unter Rudolf Roth und promovierte 1851. Nach weiteren Studien unter dem Semitisten H. Ewald und dem Indologen Th. Benfey in Göttingen habilitierte er sich 1854 in Bonn mit einer Vorlesung über die Lehre Zoroasters nach den Liedern des Zendavesta, wie man damals und noch lange statt Awesta sagte (Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft [ZDMG] 9, 1855, S. 683-703). Als privater Assistent arbeitete er daneben für das große Bibelwerk, das Karl Freiherr von Bunsen damals für die protestantischen Gemeinden auszuarbeiten begann.

    Die entscheidende Hinwendung zur Hindu- und Parsentradition brachte 1859 H.s Berufung als Superintendent of Sanscrit and Professor of Sanscrit an das indische Poona-College (heute University of Poona). Hatte er sich|bereits vorher erfolgreich dem Studium des Zoroastrismus zugewandt (Über die Pehlewi-Sprache und den Bundehesch, 1854; Die 5 Gâthâ's, 1858-60), so führte die persönliche Begegnung mit den Priestern der beiden Religionsgemeinschaften in Indien unter anderem zur 2bändigen Textausgabe und Übersetzung des Aitareya Brahmana (1863), vor allem aber zum intimen Eindringen in Literatur und Überlieferung der indischen Parsengemeinde. Auf diesem Gebiete des alt- und mitteliranischen Schrifttums der Zoroastrier liegen H.s bleibende, bis ins 20. Jahrhundert weiterwirkende Verdienste. Wenn heute auch der Beitrag späterer Tradition zur Ermittlung ursprünglicher Verhältnisse wenig hilfreich erscheinen mag, so bedeutete doch H.s Anschluß an die orientalische Überlieferungswissenschaft gegenüber den abendländisch-sprachwissenschaftlichen Gelehrtenkombinationen einen immensen Schritt vorwärts. Die von ihm zutage geförderten und in Gemeinschaft mit Parsenpriestern durchgearbeiteten Schriften haben die sogenannten Zendstudien beträchtlich weitergebracht. Vor allem die beiden Werke „Old Zend-Pahlavi Glossary“ und „Old Pahlavi-Pazand Glossary“ (London und Bombay 1870) bildeten durch die gründliche Aufschlüsselung des Wortschatzes eine ausgezeichnete Einführung ins Mittelpersische der Zoroastrier. Ebenso wichtig war die Herausgabe des Pehlewi-Textes des Ardavirāf-Buches, eines Vorläufers von Dantes Göttlicher Komödie, wobei E. W. West H. assistierte (Bombay und London 1872). Überall verfuhr H. nach abendländischer philologischer Methode, die die kritische Benutzung mehrerer Handschriften als Grundlage voraussetzt. Mochte sich die Pehlewi- und Pazend-Übersetzung des Awesta im Laufe der Zeit auch als enttäuschend herausstellen, so war zu seiner Zeit die konzequente Hinwendung zur traditionellen Interpretation unabdingbares Gebot aller Weiterbeschäftigung mit dem heiligen Text, wodurch der europäischen Wissenschaft erst die Augen geöffnet worden sind. So bleiben die grammatischen Bemerkungen und Übersetzungsversuche, die H. 1854 an seine Anzeige von N. L. Westergaards Bundehesch-Ausgabe knüpfte, sowie später seine kleine Schrift „Über den Charakter der Pehlewi-Sprache“ (1869) Marksteine in der Geschichte der Entschleierung des Mittelpersischen. Für die eigentlichen Awestastudien behalten seine „Essays on the Sacred Language, Writings and Religions of the Parsees“ (Bombay 1862) ihren großen wissenschaftsgeschichtlichen Wert.

    Zur gesundheitlichen Wiederherstellung war H. 1866 in seine schwäbische Heimat zurückgekehrt, wo er seine indischen Sammlungen durcharbeitete und druckreif machte. 1868 erhielt er den neuerrichteten Lehrstuhl für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft in München. Schon in Poona hatten seine Anregung und Lehrtätigkeit nachhaltigen Erfolg bei Dasturs und Pandits erzielt. H.s bedeutendster Schüler unter den Pandits war wohl Ramakrishna Gopal Bhandarkar, der erste Pionier wissenschaftlicher Orientalistik in Indien. Zu H.s vielseitigen Vorlesungen, die neben der arischen Philologie auch die weitere Sprachwissenschaft und Orientalistik umfaßten, kamen die Studenten und jüngeren Gelehrten vor allem aus England und Indien nach München. Unter den Parsen gilt H. noch gegenwärtig als eine der Koryphäen der Iranistik, wie manch anderer deutscher Orientalist oft für einen Engländer gehalten. Wie sehr seine Wissenschaft anregte, zeigen auch seine kleineren Arbeiten wie die über den vedischen Akzent (1873). Selbst über die damals noch unvollkommen erschlossenen Keilschriften hat er seine dezidiert ausgesprochenen Vermutungen zu begründen versucht. Immer aber kehrte sein Interesse zu den zoroastrischen Themen, zur Parsentradition und iranischen Philologie zurück. – H. ist einer der ersten Mitbegründer der iranistischen Wissenschaft. Seine Bücher und Aufsätze waren grundlegend, sind aber heute veraltet, dennoch sind sie noch jetzt lesenswert und anregend. Für englische Bibliotheken besorgte er Hindu- und Parsen-Handschriften. Die Bayerische Staatsbibliothek München erwarb seine Sammlungen.

  • Literatur

    ADB XI;
    Th. Benfey, Gesch. d. Sprachwiss. u. oriental. Philol. in Dtld., 1869, S. 611 f., 614, 624, 633 f.;
    E. Trumpp, in: Beil. z. Augsburger Allg. Ztg., 1876, Nr. 182;
    [E. Gaiser], in: Btrr. z. Kunde d. idg. Sprachen 1, 1877, S. 70-80 (W, P);
    W. R. Roth, ebd., S. 175 f.;
    E. P. Evans, in: The Unitarian Review, Boston/USA 1877, S. 378-400, 495-514;
    Festschr. z. Erinnerung an d. H.-Feier in Ostdorf, hrsg. v. F. Veit, 1909 (W, Autobiogr., P). - Briefiwechsel in d. Bayer. Staatsbibl. München.

  • Autor/in

    Wilhelm Eilers
  • Zitierweise

    Eilers, Wilhelm, "Haug, Martin" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 91-92 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709097.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Haug: Martin H., hervorragender Orientalist, geb. am 30. Januar 1827 zu Ostdorf in Würtemberg als Sohn eines Landmanns, zeigte schon früh Neigung zu gelehrten, besonders sprachlichen Studien. Zum Schullehrer bestimmt und schon im J. 1843 zum Lehrgehilfen ernannt, trieb er nebenher Latein, Griechisch und Hebräisch, bald auch Sanskrit, das er ohne Grammatik mit Hülfe von Bopp's Nal und Damajanti erlernte. Um sich ganz seinen Studien widmen zu können, trat er gegen den Willen seines Vaters aus dem Schulamte aus und wanderte, einen Kronenthaler in der Tasche, 1848 nach Stuttgart, wo er das Gymnasium bezog und schon im nämlichen Jahre die Maturitätsprüfung bestand, studirte hierauf in Tübingen unter Roth orientalische, besonders Sanskrit-, unter Teuffel und Schwegler classische Philologie, promovirte 1851 und wandte sich dann nach Göttingen, wo er unter Ewald und Benfey seine orientalischen Studien, besonders über das Zendavesta, die Keilschrift und den Bundehesch mit Eifer fortsetzte. 1854 habilitirte er sich als Privatdocent in Bonn; seine Habilitationsrede, über die Lehre Zoroasters nach den Liedern des Zendavesta, erschien im 9. Bande der Zeitschr. d. deutschen morgenländischen Gesellschaft. All diese Jahre hindurch hatte er sich fast ausschließlich durch Ertheilung von Privatunterricht, oft unter den größten Entbehrungen, durchbringen müssen; daher nahm er gerne eine Aufforderung des bekannten Frhrn. J. v. Bunsen an, bei ihm in Heidelberg als Privatsecretär einzutreten, und ihn bei seinem Bibelwerk zu unterstützen. Im J. 1859 nahm er eine Berufung nach Indien an|als Professor des Sanskrit an dem englischen College in Puna. Schon vorher hatte er sein großes Werk „Die fünf Gâthâ's“ (Leipzig 1858, 1860, in den Abhandlung. zur Kunde des Morgenlandes), vollendet, eine eingehende kritische Bearbeitung dieses wichtigsten und ältesten Documents der zoroastrischen Religion. Der Aufenthalt in Indien (1859—66) bezeichnet eine neue Periode in Haug's wissenschaftlicher Thätigkeit, während deren sein Streben hauptsächlich daraus gerichtet ist, die an Ort und Stelle lebendigen Traditionen über die alte zoroastrische sowol als über die altindische Religion der Vedas zu sammeln und zu studiren. Er verstand es, sich mit gelehrten Parsenpriestern und Brahmanen näher bekannt zu machen, die ihn über ihre Gebräuche und besonders ihr Opferritual unterrichteten und vermochte insbesondere einen Bramahnen dazu, trotz des strengen religiösen Verbots, das auf einer solchen Profanation lastete, ihn auf das Genaueste mit den Gebräuchen bei dem aus der vedischen Zeit stammenden Somaopfer bekannt zu machen. Durch das Interesse und Verständniß, das er im Privatvertehr und in zahlreich besuchten öffentlichen Vorträgen für die alte Religion der Parsen bekundete, regte er diese selbst zu eifrigem Studium ihrer alten Religionsbücher an, verfeindete sich freilich auch durch seinen allzu großen Eifer die christliche Propaganda. Die Reizbarkeit, welche eine harte Jugend in ihm erzeugt hatte, verwickelte ihn bei dieser Gelegenheit und noch mehr in späterer Zeit seinen europäischen Fachgenossen gegenüber in bedauerliche Streitigkeiten. Während seines Aufenthalts in Indien veröffentlichte H. außer kleineren Arbeiten 1862 seine „Essays on the sacred language, writings and religion of the Parsees“, ihrem Hauptzweck nach eine für das englische Publicum bestimmte populäre Zusammenfassung der Ergebnisse der Zendphilologie, aber auch manches damals Neue, namentlich den ersten Versuch einer Zendgrammatit enthaltend; und 1863 in 2 Bänden seine Ausgabe und Uebersetzung des Aitareya Brâhmana, in der er seine aus längerem intimen Verkehr mit indischen Pandits und Opferpriestern geschöpften Kenntnisse bezüglich des vedischen Opferrituals mit größtem Erfolg verwerthete. Eine bedeutende wissenschaftliche Ausbeute ergab auch Haug's zur Aufsuchung alter Handschriften unternommene Reise durch Guzerat im J. 1863—64, wobei er im Auftrag der englischen Regierung eine Menge werthvoller Handschriften aufkaufte, zugleich auch den Grund zu seiner eigenen umfassenden Sammlung Zend-, Pehlevi- und vedischer Handschriften legte, die nach seinem Tode von der Münchener Staatsbibliothek angekauft wurde. 1866 zur Wiederherstellung seiner durch das indische Klima zerrütteten Gesundheit nach Europa zurückgekehrt, lebte er zunächst in Zurückgezogenheit in Reutlingen und Stuttgart, wo er sein in Gemeinschaft mit Destur Hoschengdschi herausgegebenes Zend-Pahlavi Glossary vollendete, wurde 1868 auf den neu errichteten Lehrstuhl für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft an die Universität in München berufen und wirkte hier bis zu seinem in Folge eines Nerven- und Lungenleidens erfolgten frühzeitigen Tode (in Ragaz 5. Juni 1876). In seinen Vorlesungen behandelte er wie in seinen litterarischen Arbeiten mit Vorliebe das Gebiet der Zend- und Pehlevilitteratur und machte daher auch vornehmlich nach dieser Richtung Schule; aber er las auch über Sanskritgrammatik und die verschiedenen Zweige der Sanskritlitteratur, über Keilschriften, über vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen und über allgemeine Sprachwissenschaft, und seine Collegien erfreuten sich bis zu seinem letzten Semester eines steigenden Besuchs. Selbst aus dem Auslande kamen Schüler herbei: aus Nordamerika, England, Spanien, Portugal, Griechenland. Neben seiner Lehrthätigkeit setzte H. mit einer für seine zarte Constitution nur allzu großen Kraftanspannung seine gelehrten Forschungen fort und veröffentlichte namentlich 1870 „An old Pahlavi-Pazand Glossary“, in Gemeinschaft mit|Destur Hoschengdschi, und 1871—74 „The book of Arda Viraf“, in Gemeinschaft mit demselben und E. W. West. Diese Werke (nebst der kleinen Schrift „Ueber den Charakter der Pehlevisprache“, 1869) wirkten epochemachend auf das Studium des Pehlevi ein. Unter den auf die Erklärung des Zendavesta bezüglichen Arbeiten dieser Periode sind besonders seine Uebersetzungen des 18. Capitels des Vendidâd und der Ahunavairyaformel, des heiligsten Gebets der Zoroastrier und unter seinen Forschungen aus dem Gebiete der Sanskritphilologie seine Abhandlungen über Brahma und die Brahmanen und über Wesen und Werth des vedischen Accents (in den Sitzungsber. und Abh. der baier. Akad. d. Wiss. 1871, 1872, 1873) hervorzuheben. In der letztgenannten Schrift entwickelte er in gelehrter und scharfsinniger Weise eine neue Theorie über die Natur der indischen Accentbezeichnung, wonach man in derselben keinen eigentlichen Wort-, sondern vielmehr einen gesanglichen Accent zu erblicken habe. Begründet ist diese Ansicht namentlich auf die heutige Recitationsweise der Vedas bei den Indern, wie es überhaupt als der wissenschaftliche Grundzug der so vielseitigen Haug’schen Forschungen, nur mit Ausnahme seines Werkes über die Gâthâ's, bezeichnet werden kann, auf allen Gebieten den Werth der modernen orientalischen Tradition gegenüber der gelehrten Kritik der europäischen Philologen hervorzuheben. In seinem Nachlasse fanden sich noch verschiedene kleinere Beiträge zur Zendphilologie vor, die in der zweiten von Dr. West besorgten Ausgabe seiner „Essays“ (London 1878) gedruckt wurden. Zahlreiche mehr populäre Aufsätze Haug's sind in der Beilage der Augsb. Allgem. Zeitung, streng wissenschaftlich gehaltene Recensionen in den Gött. Gel. Anz. enthalten.

    • Literatur

      Vgl. Bezzenberger's Beiträge zur Kunde der indogerman. Sprachen I. 70—80 (daselbst auch ein Verzeichniß seiner Schriften), 175, 176. Trumpp in der Beil. zur Augsb. Allgem. Zeitung 1876, Nr. 182.

  • Autor/in

    J. Jolly.
  • Zitierweise

    Jolly, Julius, "Haug, Martin" in: Allgemeine Deutsche Biographie 11 (1880), S. 54-56 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709097.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA