Lebensdaten
1866 – 1914
Geburtsort
Kulm/Weichsel (Westpreußen)
Sterbeort
bei Loivre vor Reims
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118573853 | OGND | VIAF: 25394637
Namensvarianten
  • Löns, Hermann
  • Löns, Hermann
  • Fritz v. der Leine
  • mehr

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Zitierweise

Löns, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118573853.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich Wilhelm (1832–1908), Gymnasialoberehrer in Deutsch-Krone, S d. Schneiders u. Kappenmachers Diedrich Heinrich Hermann in Bochum u. d. Elisabeth Massenberg, aus westfäl. Lehrer- u. Handwerkerfamilien;
    M Klara (1844–96), T d. Apothekers August Cramer in Paderborn (aus Apothekerfam.) u. d. Philippine Bachmann (aus Juristenfam.);
    Ur-Gvm Moritz Bachmann (1783–1872), Appellationsgerichtsrat, Schriftsteller (s. L);
    - 1) Hannover 1893 ( 1901) Elisabeth Erbeck (1864–1922), 2) 1902 Lisa (* 1871). T d. Landschaftsmalers Gustav Hausmann (1827–99) in Hannover (s. Vollmer);
    1 S aus 2).

  • Biographie

    L. wuchs in Deutsch-Krone (Westpreußen) auf. Im Herbst 1884 kehrte die Familie nach Westfalen zurück, als der Vater eine Anstellung in Münster fand. Nach dem Abitur 1886 belegte L. hier vorbereitende Fächer für ein Studium der Medizin, das er im Frühjahr 1887 in Greifswald begann. Er trat dort einer schlagenden Verbindung, der Turnerschaft Cimbria, bei. Im Nov. 1888 ging er an die Univ. Göttingen, kehrte aber, ohne das Physikum abgelegt zu haben, nach Münster zurück, wo er von Ostern 1889 bis zum Herbst 1890 an der damaligen Theologischen und Philosophischen Akademie Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Zoologie studierte.

    L. hatte, wie er später selbst bekannte, schon als Kind eine starke Neigung zur Natur entwickelt; auf ausgedehnten Streifzügen in der ländlichen Umgebung Deutsch-Krones suchte er die Tierwelt dieser Region beobachtend kennenzulernen. Vor allem der artenreichen Vogelfauna galt sein Interesse. Mit ähnlicher Intensität beschäftigte er sich später mit Insekten (Holz- und Bücherläuse) und Weichtieren (Schnecken), zu deren Artenbestand in Westpreußen und Westfalen er einige wissenschaftliche Arbeiten verfaßte. Sein wichtigster Lehrer in Münster war der Zoologieprofessor Hermann Landois. Durch ihn fand L. Zugang zum Westfäl. Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst, der naturkundliche Forschungsinteressen mit dem von zahlreichen Naturfreunden unterstützten Bestreben verband, den Naturraum des Münsterlandes vor den Auswirkungen industriebedingtei Eingriffe zu schützen.

    Im Kreis literarisch interessierter Studien freunde in Münster empfing L. auch die ersten Anregungen zu eigener schriftstellerischer Arbeit. Vorbildhaft wirkte zum einen die Programmatik des Naturalismus (die Brüder Heinrich und Julius Hart aus Münster, Michael Georg Conrad, Karl Bleibtreu). Zum anderen bewunderte man die impressionistische Naturnähe der Lyrik Detlev v. Liliencrons und das kompromißlose Außenseiterleben Peter Hilles, dessen – gegen die sozialistische Ideologie geschriebener – Roman „Die Sozialisten“ (1886) für L. zu einem entscheidenden Leseerlebnis wurde. Im Hintergrund dieser zeitgenössischen Literaturszene stand für L. und seine Freunde das Werk der großen münsterländ. Dichterin Annette v. Droste-Hülshoff, deren Naturlyrik als maßstabsetzend verehrt wurde.

    Im Herbst 1891 entschloß sich L., das Studium abzubrechen und Journalist zu werden. Er ging zunächst nach Kaiserslautern; 1892 war er für wenige Monate Hilfsredakteur bei der „Reuß. Volkszeitung“ in Gera, danach begann er als Reporter für den „Hannov. Anzeiger“ zu schreiben, dem er über zehn Jahre hinweg verbunden blieb. Seit 1892 in Hannover ansässig, war er Lokalredakteur dieser Zeitung und gewann mit seinen Feuilletons aus Niedersachsen, die unter dem Pseudonym „Fritz von der Leine“ erschienen, zahlreiche Leser. L. schrieb Naturskizzen, politische Glossen, historische Charakterbilder, Kunstkritiken und humorige Plaudereien; ein Teil dieser Arbeiten erschien 1902 unter dem Titel „Ausgewählte Werke von Fritz von der Leine“ in Buchform. Schon im Jahr zuvor hatte L. den Gedichtband „Mein goldenes Buch“ und eine Sammlung von Jagdgeschichten herausgebracht. L. erprobte sich hier zum ersten Mal im Genre der Tiererzählung und Naturschilderung, das später zu seiner eigentlichen Domäne wurde, während er als Lyriker nie über banale wenngleich recht populäre Metaphorik und einen konventionellen Volkston hinausgelangte.

    Seiner journalistischen Popularität vertrauend, verließ L. 1902 den „Hannov. Anzeiger“ und beteiligte sich an der Gründung des Konkurrenzorgans „Hannov. Allgemeine Zeitung“, dessen Chefredaktion er Mitte April 1903 übernahm. Aber schon im Febr. 1904 wurde das Blatt wegen Geldmangels eingestellt. So begann L., für das „Hannov. Tageblatt“ zu redigieren und zu schreiben; seine Lokalfeuilletons erschienen fortan unter dem Pseudonym „Ulenspeigel“. Viele der für die Zeitung geschriebenen Naturschilderungen, mit denen sich L. einen Namen als der „Heidedichter“ erwarb, gab er Ende 1906 in dem Band „Mein braunes Buch“ heraus – sein erster literarischer Erfolg. Im Herbst 1907 konnte L. die Chefredaktion der „Schaumburg-Lipp. Landeszeitung“ in Bückeburg übernehmen; in dieser Position blieb er bis zum April 1909.

    In der Bückeburger Zeit verfeinerte L. seine Kunst des auf exakter Beobachtung und zoologischem Fachwissen beruhenden Tierporträts, das in der Darstellung einer bestimmten „Tierpersönlichkeit“ in ihrer natürlichen Umwelt arttypische Verhaltensweisen herausarbeitet. Die besten Beispiele dieser fast novellistisch angelegten zoologischen Charakterstudien gelangen L. mit seinen Beiträgen zu den von Hermann Meerwarth herausgegebenen „Lebensbildern aus der Tierwelt“, einem populären naturkundlichen Sammelwerk mit Illustrationen. Gleichzeitig schrieb L. „Mümmelmann“ (1909), sein wohl erfolgreichstes Tierbuch, in dem die Grenze zum kitschig-sentimentalen Tiermärchen allerdings überschritten ist. Der Balladenband „Mein blaues Buch“ und L.s erster Roman, „Der letzte Hansbur“, beide ebenfalls 1909 erschienen, kennzeichnen sein durch zunehmenden Erfolg unterstütztes Bestreben, die journalistische Tagesarbeit künftig hintanzustellen und sich endgültig als Schriftsteller durchzusetzen. Noch im selben Jahr entstanden drei weitere Romane: „Dahinten in der Haide“ (1910), „Der Wehrwolf“ (1910) und „Das zweite Gesicht“ (1912). Als „Volkslieder“ bezeichnete L. die Gedichte der 1911 erschienenen Lyriksammlung „Der kleine Rosengarten“. Diese enthielt auch das „Matrosenlied“, mit dem Refrain „Denn wir fahren gegen Engelland“ (vertont von Herms Niel) wurde es eines der meistgesungenen deutschen Soldatenlieder während des 2. Weltkriegs.

    L. sah sich selbst als Naturdichter, er war auch ein beredter Propagandist des damals neuen Naturschutzgedankens und Mitbegründer des „Heideschutzparks“ am Wilseder Berg, aus dem dann der Naturpark Lüneburger Heide entstand, die älteste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Aber für L. verbanden sich diese Ideen, die auch im Zusammenhang mit der völkisch akzentuierten Heimat- und Heimatkunstbewegung der Jahrhundertwende (Adolf Bartels, Lulu v. Strauß und Torney) gesehen werden müssen, mit einem immer radikaler vertretenen Nationalismus, mit dem rassistisch motivierten Konzept eines aristokratischen Bauerntums, mit Großstadtfeindschaft (es gab eine weit verbreitete „Anti-Berlin“-Stimmung) und Fremdenhaß. In dieser aggressiv aufgeladenen Ideologie liegen die Wurzeln für die brutalen Gewaltphantasien in dem als „Bauernchronik“ bezeichneten Roman „Der Wehrwolf“, worin L. die blutigen Vergeltungsstreifzüge niedersächs. Heidebauern gegen die marodierende Soldateska während des 30jährigen Kriegs schildert.

    Von allen, die ihn kannten, wird L. als zwiespältige, neurotisch gespannte Persönlichkeit geschildert: ein besessener Jäger und sensibler Naturbeobachter, ein intimer Kenner und Liebhaber der Heidelandschaft und ein aufbrausender, zu Alkoholexzessen neigender Einzelgänger. Von seiner Familie 1911 verlassen, erlitt er einen psychischen Zusammenbruch; mehr als ein Jahr verbrachte er auf Reisen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Holland. Erst im Nov. 1912 kehrte er nach Hannover zurück. Zwei weitere Sammlungen von Jagd- und Naturschilderungen erschienen: „Auf der Wildbahn“ (1912) und „Mein buntes Buch“ (1913), schließlich der letzte Roman „Die Häuser von Ohlendorf“ (1913), ein Dorfroman aus novellistischen Einzelerzählungen. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich L. sofort als Freiwilliger. Er fiel noch im zweiten Kriegsmonat in der Marneschlacht.

    Der Tier- und Naturschriftsteller L., dessen Popularität sich bis heute in den außerordentlich hohen Auflagenzahlen seiner Bücher spiegelt, wurde – vor allem mit dem Roman „Der Wehrwolf“, aber auch als publizistisch-literarische Gesamterscheinung – von der nationalsozialistischen Kulturpolitik als wichtiger Wegbereiter und Zeuge ihrer eigenen weltanschaulichen Tradition vereinnahmt. Schon 1934 hatten L.s Bücher eine Gesamtauflage von mehr als 2,5 Mill. Exemplaren erreicht. Allein vom „Wehrwolf“ waren bis 1938 mehr als 500 000 Exemplare (bis 1945 ca. 865 000) erschienen; L. gehörte damit zu den erfolgreichsten Autoren in Deutschland. Die propagandistische Inanspruchnahme des Autors erreichte schon 1934 einen Höhepunkt, als seine Gebeine aus Frankreich nach Niedersachsen überführt wurden, weil Hitler ein Staatsbegräbnis angeordnet hatte, das dann allerdings nicht stattfand. Nachdem L. zunächst von der SA in der Nähe von Fallingbostel beerdigt worden war, veranstaltete die Reichswehr 1935 nochmals eine feierliche Bestattung mit militärischen Ehren in Fallingbostel. – Auch nach 1945 blieb L. ein Bestsellerautor: Nach einer Schätzung des Verlags Sponholtz in Hameln, von dem die meisten Bücher L.s herausgebracht wurden, erreichte die Gesamtauflage der dort erschienenen Bände 1966 bereits 7, 5 Mill.

  • Werke

    Sämtl. Werke, 8 Bde., hrsg. v. F. Castelle, 1923-30. - Nachgelassene Schrr.:
    Für Sippe u. Sitte, hrsg. v. W. Deimann, 1924;
    Gedanken u. Gestalten, hrsg. v. dems., 1924. - Briefe:
    Hrsg. v. W. Deimann, s. L. - W-Verz.: G. v. Wilpert u. A. Gühring, Erstausgg. dt. Dichtung, 1967;
    H. L., Autographen u. Briefwechsel, Zusammenstellung v. F. Klein, 1974. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Hannover, Stadtbibl.

  • Literatur

    H. Knottnerus-Meyer, Der unbek. L., Gespräche u. Erinnerungen, 1928;
    F. G. Jünger, H. L., in: Die Unvergessenen, hrsg. v. E. Jünger, 1928, S. 195-206;
    E. Griebel, H. L., d. Niederdeutsche, 1934 (W, L, P);
    W. Deimann, Der Künstler u. Kämpfer, Eine L.biogr. u. Briefausg., 1935;
    ders., in: Westfäl. Lb. V, 1937, S. 119-31 (L, P);
    D. Strothmann, Nat,-|sozialist. Lit.pol., Ein Btr. z. Publizistik im Dritten Reich, ²1963;
    J. Klein, H. L. heute u. einst, Versuch e. krit. Einordnung u. Selbstbiogr. d. Dichters, 1966;
    H. L., Lebensbilder (Dokumente u. Erinnerungen an H. L.), 1966;
    U. Kothenschulte, H. L. als Journalist, 1968 (W, L);
    O. Pusch, Die Herkunft v. H. L., in: Der Märker 24, 1975, S. 173-85 (L, P);
    M. Anger, H. L., Schicksal u. Werk aus heutiger Sicht, 1978;
    DBJ I (u. Tl.);
    Kosch, Lit.-Lex.;
    Kindlers Lit.-Lex. VI, 5631 (Der letzte Hansbur), XI, 10165 (Der Wehrwolf);
    Internat.Bibliogr z. Gesch. d. dt. Lit., II,2, 1972, IV,2, 1984. - Zu Ur Gvm M. Bachmann:
    W. Deimann, in: Markwart 7,1931, S. 65-72.

  • Porträts

    Gem. v. W. Kricheldorff-Celle (Hannover, Nd.-sächs. Landesmus.), Abb. in: Westfäl. Lb. V, 1937.

  • Autor/in

    Rudolf Radler
  • Zitierweise

    Radler, Rudolf, "Löns, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 51-54 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118573853.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA