Lebensdaten
1741 – 1792
Geburtsort
Bischofswerda (Oberlausitz)
Sterbeort
Nietleben bei Halle/Saale
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; radikaler Aufklärungsschriftsteller ; Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11850598X | OGND | VIAF: 29542229
Namensvarianten
  • Bahrdt, Karl Friedrich
  • Bahrdt, Carl Friedrich
  • Bahrdt, Karl Friedrich
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Zitierweise

Bahrdt, Carl Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11850598X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Friedrich Bahrdt, später Professor der Theologie und Superintendent in Leipzig, Prälat und Domherr des Stiftes Zeitz;
    M Christiana Elisabeth Ehrenhaus, Predigerstochter;
    Gvv Johann Ludwig Bahrdt, Lehnsekretär und Notar in Lübben (Spreewald);
    Gmv vermutlich Christiane Sophia Georg(in);
    Erfurt 29.6.1769 Johanna Elisabetha, Witwe des Fürstlich Sächsischen Weimar- und Eisenacher Regierungssekretärs Christian Wilhelm Kühn in Eisenach, T des Superintendenten Volland in Mühlhausen (Thüringen), E des evangelischen Kirchenrats und Hauptpredigers Erdmann Neumeister in Hamburg; vermutlich 1 S (früh verstorben), 3 T.

  • Biographie

    B. wirkte nach philosophischen, theologischen und philologischen Studien in Leipzig, zunächst in orthodoxem Sinne als Repetent seines Vaters, seit 1761 als Privatdozent und seit 1766 als außerordentlicher Professor der geistlichen Philologie, daneben als beliebter Kanzelredner an der Peterskirche und als biblischexegetischer Schriftsteller. Wegen seines liederlichen Lebenswandels und als Anhänger der biblizistisch-neologischen Richtung konnte er sich in Leipzig, später in Erfurt und Gießen nicht halten. Auf Basedows Empfehlung erhielt er die Leitung des neugegründeten Philanthropins in Marschlinz (Graubünden), geriet auch dort bald in Differenzen und ging 1776 als gräflich-leiningenscher Generalsuperintendent nach Dürkheim/Haardt, von wo aus er in Heidesheim ebenfalls ein Philanthropin gründete, wurde aber wegen seiner (auch von Goethe verspotteten) Bibelerneuerung durch ein Reichshofratskonklusum suspendiert. Seit 1779 hielt er in Halle stark besuchte philologische und philosophische Vorlesungen und produzierte, nunmehr den Offenbarungsglauben aufgebend und das Christentum ganz naturalistisch ausdeutend, zahllose Schriften theologisch-moralischer Art, Lehrbücher, Übersetzungen aus dem Lateinischen, aber auch - größtenteils anonym - oft frivole belletristische Werke, freche Satiren, Streitschriften u. a. Er griff damit, zuletzt unter dem Einfluß der französischen Revolution - für diese Entwicklung durchaus typisch - als radikaler Demokrat auch auf das politische und soziale Gebiet über. Nach dem Tode Friedrichs des Großen zur Aufgabe der Vorlesungen gezwungen, sank er moralisch und literarisch immer tiefer. Eine von ihm in Nietleben betriebene Gastwirtschaft wurde zum Sitz der von ihm begründeten freimaurerischen „Deutschen Union“. B. war ein viel umstrittener Außenseiter und „enfant terrible der deutschen Aufklärungstheologie“, eine widerspruchsvolle Natur, begabt, begeisterungsfähig und begeisternd, andererseits oberflächlich, streitsüchtig und moralisch labil. Seine oft wahrheitswidrige Selbstbiographie ist um ihres reichen kulturgeschichtlichen und psychologischen Gehalts willen noch heute lesenswert.

  • Werke

    u. a. Versuch eines bibl. Systems d. Dogmatik, 2 Bde., Gotha-Leipzig 1769/70 (ins Holländ. übers., 1781); Die neuesten Offenbarungen Gottes in Briefen u. Erzählungen, 4 T., Riga 1773/74 u. ö.; Briefe üb. d. Bibel, im Volkston, Eine Wschr., Jg. 1, 2, Halle 1782/83, ²1786 (ins Holländ. übers., 1783);
    Ausführung d. Plans u. Zwecks Jesu, 8 Bde., Berlin 1784/85;
    System d. moral. Religion, 2 Bde., ebenda 1787 u. ö.; Das Religions-Edikt, Ein Lustspiel, Gera 1789;
    Gesch. u. Tagebuch meines Gefängnisses nebst geh. Urkk. u. Aufschlüssen über Dt. Union, Berlin 1790;
    Gesch. seines Lebens, seiner Meinungen u. Schicksale, 4 T., ebenda 1790/91 u. ö., gekürzt hrsg. v. F. Hasselberg, 1922 (P).

  • Literatur

    ADB I; G. Frank, Dr. K. F. B., in: Hist. Taschenbuch, hrsg. v. F. v. Raumer, Folge 4, Jg. 7, 1866, S. 203-370; W. Diehl, Btrr. z. Gesch. v. K. F. B.s|Gießener Zeit, in: Archiv f. hess. Gesch. u. Altertumskde., NF 8, 1912, S. 199-254 (mit Briefen B.s); Goedeke IV/1, 1916, S. 811-32;
    M. Bassewitz, Die polem. Romane C. F. B.s, Diss. Würzburg 1923;
    W. Valjavec, Die Entstehung d. polit. Strömungen in Dtld. 1750-1815, 1951, S. 25, 135 ff., 215 ff. u. ö.; Wetzer-Welte I, ²1882;
    PRE; RGG; Kosch, Lit.-Lex. I (W, L).

  • Porträts

    Kupf. v. J. D. Laurens; v. J. G. Seiffert, 1790 (Weimar, Goethemus.).

  • Autor/in

    Bruno Sauer
  • Zitierweise

    Sauer, Bruno, "Bahrdt, Carl Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 542-543 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11850598X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Bahrdt: Karl Friedrich B., der verschrieene Aufklärer und theologische Abenteurer des vorigen Jahrhunderts, geb. 25. Aug. 1741 zu Bischofswerda, zu Halle 23. April 1792, hat die ganze Stufenleiter theologischer Richtungen durchgemacht. Als Leipziger Katechet orthodox und des Hauptpastors Goeze Liebling, wandte er sich als Erfurter Professor vom Symbol- zum Bibel-Glauben, die stroherne Hülle scholastischer Terminologie aus der Dogmatik entfernend, und ging als Professor in Gießen in Berichtigung des Lehrbegriffes immer weiter. Wegen seiner „Neuesten Offenbarungen Gottes in Briefen und Erzählungen“ (1773), darin sich Alles so verständlich liest, als ob die neutestamentlichen Schriften einen Deutschen zum Verfasser hätten, ward er ein Socinianer in Lebensgröße, ein Naturalist mit der Bibel unter dem Arm, ein Vorfechter aus Satanas' Schule gescholten; er habe das Neue Testament übersetzt wie ein Heide. Nach seiner durch Leichtsinn verunglückten philanthropinistischen Thätigkeit in Marschlinz, faßte er als durch Reichshofrathsconclusum entsetzter Generalsuperintendent in Dürkheim seine Heterodoxie in ein kurzes Glaubensbekenntniß zusammen, worin er die christliche Religion bis auf die Knochen abschalte und|nichts als ein bloßes Gerippe von kahlem Deismus mit moralischen Bettlerlappen behängt, übrig ließ. B. hatte gleichwol damit von der lutherischen Kirche sich nicht lossagen wollen. Erst in Halle, wo der Landflüchtige (1779) Privatdocent, später Wirthshausvater wurde, schlug durch des Philosophen Eberhard und des Pädagogen Trapp Einfluß die Sterbestunde für seinen Offenbarungsglauben. Er wird entschiedener Anhänger der bloß natürlichen Religion und der Herold des hereinbrechenden naturalistischen Reiches. Alle Religion soll im Staate auf allgemeine Vernunftbegriffe eingeschränkt werden, damit alle Unterthanen gleichen Antheil an der öffentlichen Religion nehmen können. Christus selbst war der größte Naturalist, der, glühend vor Abscheu gegen die scheußlichste Unterjochung der Vernunft und der Tugend, welche herrschsüchtige Priester allen Völkern durch vorgebliche Göttersprüche und eingeführten Opferdienst bewirkt hatten, einen Versuch zu machen beschloß, die Welt aufzuklären und durch reinere Begriffe von Gott und Gottesverehrung dem menschlichen Geiste seine Freiheit, der Wahrheit ihr Interesse und der Tugend ihre Verehrer wiederzugeben. Sein Zweck war, nach und nach alle positive Religion zu verdrängen, und es waren bloße Klugheitsrücksichten, die ihn hinderten, alle unmittelbare Offenbarung als Priesterbetrug darzustellen. Auf diesem Standpunkt hat B. sich viel seltsame Mühe gegeben, den übernatürlichen Factor als Ueberrest jüdischen Aberglaubens aus der Bibel zu entfernen. Er hat in seiner „Kleinen Bibel“ (1780) Moses zum Feuerwerker gemacht, der mit Hülfe des Pulvers vom Berge Sinai herabdonnerte, in seinen „Briefen über die Bibel im Volkston“ (1782) alle Wunder Christi natürlich erklärt. Hie Krankenheilungen geschahen mit Hülfe von Heilmitteln, die er als areana und als Universalmedicin bei sich führte, die Todtenerweckungen waren Erweckungen aus tiefer Ohnmacht. Auf der Hochzeit zu Kana hatte Jesus einen Vorrath von (vielleicht nur gemachtem) Wein zur Hand. Die Speisung der 5000 wurde dadurch möglich, daß Jesus einen Korb mit verschnittenem Brod nach dem andern aus einer Höhle tragen ließ, wohin Tags vorher Brodvorräthe in Menge geschafft worden waren; das Wandeln auf dem Meere ist geschehen auf einem ungeheuren hundert-elligen Stück Bauholz. Endlich in seiner „Ausführung des Plans und Zweckes Jesu“ (1783) erscheint B., dem alten Freimaurer und Gründer der deutschen Union, gleichsam einer Fortsetzung des Illuminatenordens, Jesus als Stifter einer geheimen Ordensgesellschaft mit drei Graden, bestimmt das heilige Depot der vernünftigen Religion im Stillen zu verwahren, um es gegen Aberglauben und Priesterbetrug zu schützen, wie denn auch schon Moses mittelst einer Art von Maurerei und durch Geheimnisse die Israeliten vom Joch der Aegypter befreite. An den Ordensbrüdern hatte Jesus willige Werkzeuge, die bei den wunderbar scheinenden Handlungen und besonders zur Zeit seines Leidens und Sterbens als stärkende Engel und als Engel in Weißen Kleidern sich thätig erwiesen. Nach der scheinbaren Himmelfahrt lebte Jesus als unbekannter Oberer im Cercle einer Mutterloge fort, in welche noch Paulus aufgenommen wurde. Wie hier B. das Leben des Herrn in einen abenteuerlich sentimentalen Roman verwandelt hat, so war er selbst ein abenteuernder, immer tiefer sinkender Libertin, lustig im Leben, leicht und Alles nur anstreifend in der Wissenschaft. Eine Reihe plumper Romane (z. B. „Leben und Thaten des weiland hochwürdigen Pastor Rindvigius“. Ochsenhausen [Liebau] 1790) und boshafte Schriften (z. B. „Kirchen- und Ketzeralmanach aufs Jahr 1781 Häresiopol“ [Züllichau]) ist besonders in den letzten Jahren seines Lebens von ihm ausgegangen, deren eine auf das preußische Religionsedict vom 9. Juli 1788 ("Das Religionsedict. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen“. Thenakel [Wien] 1789) ihm ein Jahr Festungsarrest auf der Citadelle Magdeburg eintrug. In Folge seines berüchtigten Streites mit dem Leibarzt Zimmermann|in Hannover, in welchen sich Herr von Kotzebue mit seinem schändlichen Pasquill „Dr. Bahrdt mit der eisernen Stirn“ (1790) mischte, erhielt er den heute noch geläufigen Beinamen „Bahrdt mit der eisernen Stirn“. Er starb auf seinem bei Halle gelegenen Weinberg an der Quecksilberkrankheit, nach dem Tode noch von Pasquillanten verfolgt.

    • Literatur

      Die zahlreiche Litteratur über B. ist von dem Unterzeichneten in Raumer's Historischem Taschenbuch, Jahrgang 1866, S. 346 ff. vollständig aufgeführt bis auf folgende zwei Schriften: Thiele, Bahrdt in Marschlins, ein fehlendes Füllstück zu seiner Lebensgeschichte. Zizers bei Chur in Bündten, 1796, und J. Leyser, K. F. Bahrdt, der Zeitgenosse Pestalozzi's, sein Verhältniß zum Philanthropinismus und zur neueren Pädagogik. Neustadt a. d. H. 1867. 2. Aufl. 1870.

  • Autor/in

    G. Frank.
  • Zitierweise

    Frank, G., "Bahrdt, Carl Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 772-774 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11850598X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA