Ensslin, Gudrun
- Dates of Life
- 1940 – 1977
- Place of birth
- Bartholomä (Ostalbkreis, Württemberg)
- Place of death
- Stuttgart-Stammheim
- Occupation
- Mitgründerin der Roten Armee Fraktion (RAF) ; Terroristin
- Religious Denomination
- evangelisch-lutherisch
- Authority Data
- GND: 118530518 | OGND | VIAF
- Alternate Names
-
- Grete / Tarnname
- Ensslin, Gudrun
- Grete / Tarnname
Linked Services
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- * Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Landeskunde Entdecken Online - Baden-Württemberg (LEO-BW) [2015-]
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Personen im Fachinformationsdienst Darstellende Kunst
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Relations
Genealogical Section (NDB)
Life description (NDB)
- Andreas Baader (1943–1977)
- Astrid Proll (geb. 1947)
- Benno Ohnesorg (1940–1967)
- Bernward Vesper (1938–1971)
- Ernst Heinitz (1902–1998)
- Hanns Martin Schleyer (1915–1977)
- Hans Henny Jahnn (1984–1959)
- Holger Meins (1941–1974)
- Horst Mahler (1936–2025)
- Horst Söhnlein (1942–2023)
- Jan-Carl Raspe (1944–1977)
- Otto Schily (geb. 1932)
- Thorwald Proll (geb. 1941)
- Ulrike Meinhofs (1934–1976)
Places
Map Icons




Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.
-
Ensslin, Gudrun
Tarnname: Grete
1940 – 1977
Mitgründerin der Roten Armee Fraktion (RAF), Terroristin
Gudrun Ensslin, zunächst politisch unauffällig, radikalisierte sich schnell infolge der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Sie zählte 1970 zu den Gründungsmitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) und war mit ihrem Partner Andreas Baader (1943–1977) deren treibende Kraft. Nach ihrer Festnahme 1972 organisierte sie aus dem Gefängnis den Kampf der zweiten Generation der RAF gegen den bundesdeutschen Staat mit. Als dieser sich im Herbst 1977 nicht erpressen ließ, beging Ensslin wie Baader und Jan-Carl Raspe (1944–1977) Suizid.
Dates of Life
Gudrun Ensslin, BArch / Bildarchiv (InC) -
Author
→Eckhard Jesse (Chemnitz)
-
Citation
Jesse, Eckhard, „Ensslin, Gudrun“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118530518.html#dbocontent
Ensslin wuchs in einem evangelischen Pfarrhaushalt in Bartholomoä (Ostalbkreis, Württemberg) auf. Ihr Vater stand im „Dritten Reich“ der Bekennenden Kirche nahe und sympathisierte später mit der SPD. Sie beendete den Schulbesuch, der 1958/59 einen einjährigen Aufenthalt als Austauschschülerin in Warren (Pennsylvania, USA) einschloss, 1960 mit dem Abitur. Anschließend begann sie ein Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität Tübingen, das sie 1963 abbrach. 1963/64 absolvierte Ensslin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd das erste Staatsexamen als Volksschullehrerin. Von 1964 bis 1968 erhielt sie, unterstützt von ihrem Berliner Vertrauensdozenten Ernst Heinitz (1902–1998), Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Die angestrebte Promotion über den Schriftsteller Hans Henny Jahnn (1984–1959) an der FU Berlin vollendete sie nicht. Mit ihrem späteren Verlobten Bernward Vesper (1938–1971) gründete sie 1963 den Verlag studio neue literatur, in dem nur zwei Bücher erschienen; zur gleichen Zeit kümmerte sie sich um den Vertrieb der Gesamtausgabe des NS-Schriftstellers Will Vesper (1882–1962).
1964 zog Ensslin mit Vesper nach Berlin-West, wo sie die SPD in deren Wahlkontor der Schriftsteller unterstützte, ohne der Partei beizutreten. Für Vespers „Voltaire Flugschriften“ übersetzte sie Texte aus dem Englischen. Ensslin radikalisierte sich politisch schnell, v. a. nach den Todesschüssen auf Benno Ohnesorg (1940–1967) bei einer Demonstration am 2. Juni 1967, und engagierte sich in der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Als Ensslin im Februar 1968 Andreas Baader (1943–1977) kennenlernte, beendete sie die Beziehung zu Vesper.
Die Verbindung zu Baader führte zur weiteren Radikalisierung Ensslins. Sie verübte am 2. April 1968 mit Baader, Thorwald Proll (geb. 1941) und Horst Söhnlein (1942–2023) aus Protest gegen den Vietnamkrieg - so die Begründung - Brandanschläge in zwei Kaufhäusern in Frankfurt am Main, wurde mit ihren Mittätern verhaftet und im Oktober 1968 zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, wogegen sie Revision einlegte. Im Juni 1969 aus der Untersuchungshaft entlassen, arbeitete sie mit Baader kurzzeitig in einem sozialen Projekt, der sog. Heimkampagne, mit dem Ziel, Fürsorgezöglinge für den revolutionären Kampf zu rekrutieren. Als das Urteil im September 1969 Rechtskraft erlangte, flüchteten beide nach Frankreich und Italien, ehe sie Anfang 1970 nach Berlin-West zurückkehrten und in der Wohnung Ulrike Meinhofs (1934–1976) lebten. Der Festnahme Baaders im April 1970 folgte, maßgeblich auf Ensslins Initiative, dessen Befreiung u. a. durch Ensslin, Meinhof und Astrid Proll (geb. 1947) am 14. Mai 1970 und der gemeinsame Gang in den Untergrund, was als Gründungszeitpunkt der Roten Armee Fraktion (RAF) gilt.
Im August 1970 aus einem militärischen Palästinenserlager in Jordanien zurückgekehrt, verübte Ensslin mit Baader und der Gruppe, die dem als „faschistisch“ apostrophierten bundesdeutschen Staat den Kampf angesagt hatte und zu der u. a. Meinhof und Horst Mahler (1936–2025) gehörten, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge, z. B. gegen militärische Einrichtungen der USA mit vier Toten. Im Juni 1972 in Hamburg festgenommen, trat Ensslin u. a. mit den inhaftierten Baader, Meinhof, Holger Meins (1941–1974) und Jan-Carl Raspe (1944–1977) mehrfach in Hungerstreik. Im November 1974 wurde die Gruppe im siebten Trakt der Stammheimer Justizvollzugsanstalt zusammengelegt („Umschluss“). Hier suchte Ensslin Sympathisanten außerhalb des Gefängnisses mit einem „Info-System“ zu Gewaltaktionen zu motivieren. Sie erhielt nach dem am 21. Mai 1975 eröffneten Strafprozess in Stuttgart-Stammheim, einem der größten Strafprozesse der Bundesrepublik, am 28. April 1977 wegen vierfachen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe; Ensslins Wahlverteidiger Otto Schily (geb. 1932) legte Revision ein. Als zwei Entführungsaktionen, die des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer (1915–1977) und einer Lufthansa-Maschine, zur Freipressung der RAF-Gefangenen erfolglos blieben, erhängte Ensslin sich am 18. Oktober 1977 in ihrer Zelle. Der anschließend von Sympathisanten und Anwälten erhobene Vorwurf, der Tod Ensslins, Baaders und Raspes sei kein Suizid gewesen, gilt als widerlegt.
Nicht nur der Beginn der RAF, sondern auch ihr Fortgang in der zweiten Generation ist maßgeblich auf Baader und Ensslin zurückzuführen. Beide propagierten Gewalt als legitimes Mittel der Politik und setzten Mythen („Isolationsfolter“) über ihre Haft in Umlauf, um Anhänger aufzuwiegeln. Auch dadurch ging der RAF-Terrorismus über ihren Tod hinaus weiter.
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Innenministerium, Abteilung II: Landespolizeipräsidium, Anarchistische Gewalttäter, besonders Baader-Meinhof-Gruppe, Vorbereitung und Durchführung von Strafprozessen, bis 1977 und ab 1977. (weiterführende Informationen)
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Ludwigsburg EL 300 II, Oberlandesgericht Stuttgart: Tonbandmitschnitte aus dem „Baader-Meinhof-Prozess“, 1975–1977. (weiterführende Informationen)
Gedruckte Quellen:
Gudrun Ensslin, „Zieht den Trennungsstrich jede Minute“. Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried aus dem Gefängnis 1972–1973, hg. v. Gottfried Ensslin, 2005.
Gudrun Ensslin/Bernward Vesper, Notstandsgesetze von Deiner Hand. Briefe 1968/1969, hg. v. Caroline Harmsen/Ulrike Seyer/Johannes Ullmaier, mit einer Nachbemerkung v. Felix Ensslin, 2009.
Bernward Vesper-Triangel, Gegen den Tod. Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe, Redaktion Gudrun Ensslin, 1964.
Gerd Koenen, Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus, 2003.
Michael Kapellen, Doppelt leben. Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Die Tübinger Jahre, 2005. (P)
Sara Hakemi/Thomas Hecken, Die Warenhausbrandstifter, in: Wolfgang Kraushaar (Hg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Bd. 1, 2006, S. 316–331.
Susanne Bressan/Martin Jander, Gudrun Ensslin, in: ebd., S. 398–429.
Klaus Stern/Jörg Herrmann, Andreas Baader. Das Leben eines Staatsfeindes, 2007. (P)
Alexander Gallus (Hg.), Meinhof, Mahler, Ensslin. Die Akten der Studienstiftung des deutschen Volkes, 2016.
Ingeborg Gleichauf, Poesie und Gewalt. Das Leben der Gudrun Ensslin, 2017.
Eckhard Jesse, Biographisches Porträt: Gudrun Ensslin, in: Uwe Backes/Alexander Gallus/Eckhard Jesse (Hg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie 29 (2017), S. 188–200.
Alex Aßmann, Gudrun Ensslin. Die Geschichte einer Radikalisierung, 2018. (P)
Spielfilme:
Stammheim, 1986, Regie: Reinhard Hauff.
Todesspiel, WDR/NDR, 1997, Regie: Heinrich Breloer.
Der Baader-Meinhof-Komplex, 2008, Regie: Uli Edel.
Wer wenn nicht wir, 2011, Regie: Andres Veiel.
Stammheim – Zeit des Terrors, 2025, Regie: Niki Stein/Muriel Amstalden.
Fotografien, 1970–1972, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs. (Onlineressource)