Aschoff, Jürgen

Lebensdaten
1913 – 1998
Geburtsort
Freiburg im Breisgau
Sterbeort
Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion
Chronobiologe ; Physiologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 104631406 | OGND | VIAF
Namensvarianten

  • Aschoff, Jürgen Walther Ludwig
  • Aschoff, Jürgen
  • Aschoff, Jürgen Walther Ludwig
  • Aschoff, Jürgen Walter Ludwig

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Zitierweise

Aschoff, Jürgen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd104631406.html [02.10.2025].

CC0

  • Aschoff, Jürgen Walther Ludwig

    1913 – 1998

    Chronobiologe, Physiologe

    Jürgen Aschoff entwickelte als Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Pöcking) und Erling-Andechs (beides Oberbayern) in den 1960er Jahren Bunkerversuche, mit denen bei gesunden, in einem unterirdischen Versuchslabor eingeschlossenen Probanden die zirkadiane Rhythmik ohne Tageslicht und externe Zeitgeber bei Menschen untersucht wurde. Aschoff entdeckte, dass endogene Mechanismen unterschiedliche Körperfunktionen rhythmisch ablaufen lassen, womit er zu einem Begründer der neu entstehenden Wissenschaft von der Chronobiologie wurde.

    Lebensdaten

    Geboren am 25. Januar 1913 in Freiburg im Breisgau
    Gestorben am 12. Oktober 1998 in Freiburg im Breisgau
    Grabstätte Friedhof in Nothweiler (Pfalz)
    Konfession evangelisch
    Jürgen Aschoff, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC)
    Jürgen Aschoff, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC)
  • 25. Januar 1913 - Freiburg im Breisgau

    1916 - 1920 - Freiburg im Breisgau

    Privatunterricht

    1922 - 1931 - Freiburg im Breisgau

    Schulbesuch

    Grundschule; seit 1922 Friedrich-Gymnasium

    1931 - 1934 - Bonn; seit 1933 Freiburg im Breisgau

    Studium der Humanmedizin

    Universität

    1934 - 1935 - Donaueschingen

    freiwilliger Wehrdienst (zuletzt Sanitätsoffiziersanwärter)

    5. Kompanie des Infanterie-Regiments Konstanz

    1935 - 1937 - Freiburg im Breisgau

    Studium der Humanmedizin (Abschluss: Staatsexamen)

    Universität

    1937 - Freiburg im Breisgau

    Promotion (Dr. med.)

    Universität

    1937 - 1938 - Frankfurt am Main; Bonn

    1938 - 1938 - Göttingen

    Volontärassistent

    Physiologisches Institut der Universität

    1938 - Göttingen

    Approbation für Human- und Zahnmedizin

    Universität

    1939 - 1939

    Kriegsteilnehmer als Fahrer

    Aufklärungsabteilung

    1939 - 1940 - Göttingen

    Kriegsdienst als Unterarzt

    Physiologisches Institut der Universität

    1940 - 1947 - Göttingen

    Dozent

    Physiologisches Institut der Universität

    1944 - Göttingen

    Habilitation für Physiologie

    Universität

    1944 - 1945 - Brannenburg am Inn (Oberbayern)

    Kriegsdienst

    Sanitäts-Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung der Luftwaffe

    1947 - 1949 - Würzburg

    kommissarischer Leiter des Lehrstuhls für Physiologie

    Universität

    1949 - 1953 - Göttingen

    Mitarbeiter

    Physiologisches Institut der Universität

    1953 - Heidelberg

    stellvertretender Direktor

    Max-Planck-Institut für Physiologie

    1958 - 1981 - Seewiesen (Pöcking); Erling-Andechs (beides Oberbayern)

    Institutsdirektor

    Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie

    1965 - 1965 - USA; Japan

    Vortrags- und Forschungsreisen

    1981 - 1983 - Erling-Andechs

    Emeritus; Forscher

    Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie

    12. Oktober 1998 - Freiburg im Breisgau

    Aschoff wuchs in Freiburg im Breisgau auf, wo er nach Privatunterricht und Grundschule seit 1922 das humanistische Friedrich-Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur 1931 studierte er Medizin an der Universität Bonn. 1934 zur Wehrmacht gemeldet, beendete Aschoff den Dienst 1935, um den klinischen Teil seines Medizinstudiums zu absolvieren. 1937 schloss er das Studium ab und wurde mit der Dissertation „Blutalkoholkurve und Gewöhnung“ zum Dr. med. promoviert. Anschließend arbeitete Aschoff – unabkömmlich gestellt – am Physiologischen Institut der Universität Göttingen unter Hermann Rein (1898–1953) zur Temperaturregulation des Menschen, womit er sich 1944 an der Universität Göttingen für Physiologie habilitierte. Seine Forschungen ergaben eine erste Beschreibung des Tagesgangs der menschlichen Wärmeabgabe. Fragen zu tageszeitlichen Veränderungen verschiedener Körperfunktionen führten Aschoff zu einer lebenslangen Beschäftigung mit biologischen Rhythmen.

    Nach Kriegsdiensteinsätzen, zuletzt 1944/45 zur Entwicklung von Hochfrequenz-Waffen in der Sanitäts-Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung der Luftwaffe, wechselte Aschoff, der Mitglied der SA und seit 1942 des NS-Dozentenbunds war, zum Oktober 1947 als kommissarischer Leiter des Instituts für Physiologie an die Universität Würzburg. 1949 zum außerplanmäßigen Professor für Physiologie an der Universität Göttingen ernannt, kehrte er zu Rein zurück und führte seine Forschungsarbeiten fort, dehnte sie auf Tierexperimenten basierend auf die Biologie aus. Als Rein 1952 den Ruf an das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung nach Heidelberg annahm, folgte Aschoff ihm. Nach Reins Tod wurde Aschoff 1953 stellvertretender bzw. kommissarischer Direktor des Max-Planck-Instituts für Physiologie in Heidelberg.

    Aschoffs Beschäftigung mit biologischen Rhythmen brachte ihn mit dem Ornithologen Gustav Kramer (1910–1959) und dem Zoologen Erich von Holst (1908–1962) zusammen. Nach der Gründung des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Pöcking, Oberbayern) schlug Kramer Aschoff vor, eine Arbeitsgruppe bestehend aus Aschoffs Team und Kramers Vogelwarte zu bilden. 1958 wurde Aschoff zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft gewählt und zum Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie ernannt. Nach Kramers Tod zog das Institut 1960 nach Erling-Andechs bei Seewiesen um. Die für Aschoff neu gegründete Abteilung wurde ausgebaut, u. a. entstand 1962 ein eigenes unterirdisches Versuchslabor, der „Bunker“, der sich zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Chronobiologie entwickelte.

    Aschoff, Erwin Bünning (1906–1990) und Colin Pittendrigh (1918–1996) waren 1960 die Hauptinitiatoren des „Cold Spring Harbor Symposiums für biologische Uhren“. Zwischen 1964 und 1989 erforschten Aschoff und seine Mitarbeiter die Tagesrhythmik des Menschen unter kontrollierten Bedingungen in vollkommener zeitlicher Isolation und zeigten in den berühmten „Bunker“-Experimenten, dass auch der Mensch eine endogene Uhr besitzt. In vielen non-invasiven Tierversuchen entschlüsselten sie, wie sich biologische Tagesuhren mit der 24-Stunden-Umwelt synchronisieren. Sie untersuchten, wie sich der zirkadiane Zyklus für tag- und nachtaktive Lebewesen bei dauernder Beleuchtung bzw. Verdunklung ändert (Aschoff-Regeln). Der Begriff Zeitgeber für die synchronisierenden Umweltsignale stammt von Aschoff. Eine Tagung auf Schloss Ringberg am Tegernsee 1976 gilt als Anfang der Fusion von Chronobiologie und Schlafforschung. Diese Erkenntnisse legten die Grundsteine für das heutige Wissen über biologische Rhythmen mit seinen vielfältigen Anwendungsgebieten bis hin zur modernen zirkadianen Medizin. Aschoff gilt somit als Pionier und Vater der Chronobiologie. Nach seiner Emeritierung 1981 blieb er bis zu seinem Tod wissenschaftlich und als Mentor tätig. Er wurde vielfach ausgezeichnet und über Jahrzehnte für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin vorgeschlagen.

    Zu Aschoffs Schülern und Mitarbeitern zählen u. a. Serge Daan (1940–2018), Eberhard Gwinner (1938–2004), Reimer Lund, Ernst Pöppel (geb. 1940), Till Roenneberg (geb. 1953), Rütger Wever (1923–2010), Anna Wirz-Justice (geb. 1940) und Jürgen Zulley (geb. 1945). Seit Vortrags- und Forschungsreisen 1965 in die USA und nach Japan pflegte Aschoff intensive Kollaborationen in beiden Ländern, so mit Ken-Ichi (geb. 1946) und Sato Honma (geb. 1947) von der Hokkaido University (Sapporo, Japan) sowie dem britischen, später US-amerikanischen Biologen Pittendrigh; mit vielen seiner Kollegen verband er über den wissenschaftlichen Austausch hinaus enge Freundschaften.

    1958 Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft
    1961 außerplanmäßiger Professor, Universität München
    1972 Alexander Agassiz Visiting Professor of Zoology, Harvard University (Massachusetts, USA)
    1972–1976 Senator der Max-Planck-Gesellschaft
    1976 korrespondierendes Mitglied der American Ornithologists’ Union (1981 Ehrenmitglied)
    1976 Ehrenmitglied der Italian Society of Experimental Biology
    1977 Dr. phil. h. c., Universität Umeå (Schweden)
    1978 Mitglied der Leopoldina
    1978 Tracy and Ruth Storer Lecturer der University of California, Davis (Kalifornien, USA)
    1980 Jessie and John Storer Lecturer der University of Washington, Seattle (Washington, USA)
    1980 Annual Colston Lecture der University of Bristol (Großbritannien)
    1982 Dr. med. h. c., Universität Gießen
    1983 Feldberg Prize der Feldberg Foundation for Anglo-German Scientific Exchange
    1984 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (seit 1987 korrespondierendes Mitglied)
    1984 Aschoff and Honma Prize, seit 2012 von der Aschoff and Honma Memorial Foundation, Hokkaido University, Sapporo (Japan) (zweijährlich)
    1985 Ehrenmitglied der Deutschen Physiologischen Gesellschaft
    1986 Ehrenmitglied der European Society for Chronobiology
    1991 Vorsitzender der Biologisch-Medizinischen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft
    1991 Ehrenmitglied der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft
    1993 Dr. med. h. c., Hokkaido University, Sapporo (Japan)
    2012 Aschoff and Honma Memorial Foundation, University Hokkaido, Sapporo (Japan) (weiterführende Informationen)

    Nachlass:

    Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem, III. Abt., Rep. 155.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Kartei der Reichsärztekammer, R 4901/24140 u. NSDAP Mitgliederkartei, R 9361-II / 20549.

    Blutalkoholkurve und Gewöhnung, in: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin 103 (1938), H. 2, S. 350–362. (Diss. med.)

    Jürgen Aschoff/Rütger Wever, Kern und Schale im Wärmehaushalt des Menschen, in: Die Naturwissenschaften 45 (1958), H. 20, S. 477–485.

    Exogenous and Endogenous Components in Circadian Rhythms, in: Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology 25 (1960), S. 11–28. (Onlineressource)

    Comparative Physiology. Diurnal Rhythms, in: Annual Review of Physiology 25 (1963), H. 1, S. 581–600. (Onlineressource)

    Circadian Rhythms in Man, in: Science 148 (1965), H. 3676, S. 1427–1432.

    Circadian Rhythms. Influences of Internal and External Factors on the Period Measured in Constant Conditions, in: Zeitschrift für Tierpsychologie 49 (1979), S. 225–249. (Onlineressource)

    Circadian Activity Pattern with Two Peaks, in: Ecology 47 (1966), H. 4, S. 657–662.

    Jürgen Aschoff/Mária Fatranská/Henner Giedke/Patricia Doerr/Dankwart Stamm/Hermann Wisser, Human Circadian Rhythms in Continuous Darkness. Entrainment by Social Cues, in: Science 171 (1971), H. 3967, S. 213–215.

    Jürgen Aschoff/Klaus Hoffmann/Heiko Pohl/Rütger Wever, Re-Entrainment of Circadian Rhythms after Phase-Shifts of the Zeitgeber, in: Chronobiologia 2 (1975), H. 1, S. 23–78.

    Biological Rhythms, 1981. (Hg.)

    Thermal Conductance in Mammals and Birds. Its Dependence on Body Size and Circadian Phase, in: Comparative Biochemistry and Physiology Part A Physiology 69 (1981), H. 4, S. 611–619.

    J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 7a, 1956, S. 60 und Bd. 8, 1996, S. 141–147. (W)

    Eberhard Gwinner, Nachruf Jürgen Aschoff, in: Max-Planck-Gesellschaft. Jahrbuch (1999), S. 901–903. (P)

    Dietrich Schneider, Nachruf Jürgen Aschoff, in: Jahrbuch Bayerische Akademie der Wissenschaften 1999 (2000), S. 252–256. (Onlineressource)

    Serge Daan, „Die innere Uhr des Menschen“, Jürgen Aschoff (1913–1998). Wissenschaftler in einem Bewegten Jahrhundert, 2017.

  • Autor/in

    Till Roenneberg / Jürgen Zulley / Reimer Lund (alle München)

  • Zitierweise

    Roenneberg, Till / Zulley, Jürgen, „Aschoff, Jürgen“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/104631406.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA