Lebensdaten
1896 – 1986
Geburtsort
Hildesheim
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
klassischer Philologe ; Prorektor am Europakolleg in Hamburg
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118797786 | OGND | VIAF: 108234736
Namensvarianten
  • Snell, Bruno
  • Beu lu no Seu nel
  • Seu nel, Beu lu no
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Zitierweise

Snell, Bruno, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118797786.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus zuerst mit Conrad, Ratskämmerer u. Apotheker in Quedlinburg, nachweisbarer Fam.;
    V Otto (1859–1939), Dr. med., Psychiater, Leibarzt Kg. Ottos v. Bayern, dann in Hildesheim, 1. Dir. d. Heil- u. Pflegeanstalt Lüneburg, 1918 Geh. Sanitätsrat, S d. Ludwig (1817–92), aus Nauheim b. Kirberg (Hessen), Dr. med., Psychiater, 1849–56 Dir. d. Irrenanstalt Eichberg (Rheingau), dann d. Irrenanstalt in Hildesheim, Sanitätsrat (s. ADB 54; BLÄ; Nassau. Biogr.), u. d. Auguste Alefeld (1825–95);
    M Anna (1872–1958), T d. Gustav Struckmann (1837–1919), aus Osnabrück, Dr. iur., Dr. h. c., OB u. Ehrenbürger v. Hildesheim (s. DBJ II, Tl.; Biogr. Lex. Burschenschaft; RT-Abg. Liberale), u. d. Anna v. Gülich (1845–92);
    Ov Richard (1867–1934), aus Hildesheim, Dr. med., Psychiater, 1906–11 Dir. d. Irrenanstalt Eichberg, 1911–32 Dir. d. Heil- u. Pflegeanstalt Herborn, zuletzt in Wiesbaden;
    1) Dortmund 1925 Herta (1896–1970), Dr. phil., Schriftst., T d. Ludwig Schraeder ( um 1920), Apotheker in Dortmund, u. d. Johanna Steinback (1866–1940), 2) Hamburg 1970 Liese-Lotte (1911–97), T d. Philip Cahn (1869–1944), Kaufm., u. d. Wilhelmine Rohde;
    2 T aus 1) Barbara (1928–2004, Horst Leptin, 1927-v. 2007, o. Prof. d. Math. 1965 in Heidelberg, 1972 in Bielefeld, s. Kürschner, Gel.-Kal. 2005; Pogg. VII a, VIII), Lehrerin in Bielefeld, Cornelia (* 1930, Martin Sperlich, 1919–2003, Kunsthist., Dir. d. Staatl. Schlösser u. Gärten in Berlin, s. Kürschner, Gel.-Kal. 2005, Nekr.; Altpreuß. Biogr. V), Lehrerin in Berlin; Verwandte Ludwig Johann Philipp (1785–1854), Publ., Pol., Wilhelm (1789–1851), Staatsrechtler in Bern, Karl (1806–86), Math., Physiker, Naturphil., Lehrer in Jena.

  • Biographie

    S. wuchs in Lüneburg auf und legte 1914 am dortigen Johanneum das Abitur ab. Anschließend studierte er in Edinburgh und Oxford Jura und Volkswirtschaft, wurde jedoch 1915, als Folge des 1. Weltkriegs, auf der Isle of Man interniert. Anfang 1918 entlassen, begann er in Leiden das Studium der Philosophie und der Klassischen Philologie, das er 1919 in Göttingen, Berlin und München fortsetzte. Ende 1922 wurde er in Göttingen bei dem Philosophen Georg Misch und dem Klassischen Philologen Max Pohlenz mit einer Dissertation über „Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie“ promoviert. Es folgte eine Tätigkeit als Studienreferendar in Wandsbek, als Lektor für Deutsch an der Scuola Normale Superiore in Pisa und als wiss. Hilfsarbeiter am Deutschen Archäologischen Institut in Rom. Ende 1925 habilitierte S. sich an der Univ. Hamburg mit einer Arbeit über die geistesgeschichtliche Stellung der aischyleischen Tragödie für Klassische Philologie und wurde 1931 als Nachfolger von Friedrich Klingner auf einen der beiden dortigen Lehrstühle seines Faches berufen. Spätere Rufe nach Sydney und nach Göttingen lehnte er ab. Seine untadelige Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus führte dazu, daß er unmittelbar nach Kriegsende zum Dekan der Phil. Fakultät und für die Amtsjahre 1951/52 und 1952/53 zum Rektor der Universität gewählt wurde. Dank seiner internationalen Beziehungen konnte er die Verbindungen sowohl seines Faches wie der dt. Wissenschaft insgesamt mit dem Ausland rasch erneuern und wesentlich zum Wiederaufbau der Univ. Hamburg beitragen. 1959 ließ er sich vorzeitig emeritieren, um sich intensiver seinen wissenschaftlichen Plänen widmen zu können.

    Mit seinem ungewöhnlich reichen Werk gehörte S. zu den bedeutendsten und einflußreichsten Klassischen Philologen seiner Zeit. In seiner 1924 gedruckten Dissertation, in der er an Überlegungen W. von Humboldts und W. Diltheys anknüpfte, suchte er durch sorgfältige Beobachtung des Wandels von Wortbedeutungen die in solchen Veränderungen zum Ausdruck kommende Entfaltung des Denkens zu erfassen und erschloß sich auf diese Weise ein außerordentlich fruchtbares Forschungsfeld. Seine 1928 unter dem Titel „Aischylos und das Handeln im Drama“ publizierte Habilitationsschrift gelangte durch eindringende Interpretation der einzelnen Dramen des Dichters zu dem Ergebnis, daß erst die aischyleische Tragödie eine im Inneren des Menschen sich vollziehende Entscheidung kenne. S.s bekannteste Veröffentlichung auf diesem Gebiet ist sein aus Aufsätzen und Vorträgen erwachsenes Buch „Die Entdeckung des Geistes, Studien zur Entstehung des europ. Denkens bei den Griechen“ (1946, ⁸2000). Mit seinen Büchern „Poetry and Society“ (1961, dt. „Dichtung und Gesellschaft“, 1965), „Tyrtaios und die Sprache des Epos“ (1969) und „Der Weg zum Denken und zur Wahrheit“ (1978) setzte er die Reihe derartiger Untersuchungen fort. Systematisch widmete S. sich der Beziehung von Sprache und Denken in seinem nicht unangefochtenen Buch „Der Aufbau der Sprache“ (1952, ³1966), in dem es ihm um eine Art Morphologie der Sprache ging.|Außer mit begriffs- und geistesgeschichtlichen Untersuchungen trat S. auch mit wichtigen philologischen Arbeiten im engeren Sinne hervor. Jahrzehnte hindurch betreute er die Bakchylides-Ausgabe von Friedrich Blass und Wilhelm Süss und die Pindar-Ausgabe von Otto Schroeder, wobei sein besonderes Augenmerk der Überlieferung durch Papyri sowie der metrischen Gestaltung der Gedichte galt. 1971 erschien nach weitgespannten Vorarbeiten der erste Band der von S. als seine Lebensaufgabe angesehenen Erneuerung von August Naucks (1822–92) Sammlung der griech. Tragikerfragmente mit den „Tragici minores“ (²1986), dem 1981 die zusammen mit Richard Kannicht edierten „Fragmenta adespota“ folgten, während er die Edition der Fragmente von Aischylos, Sophokles und Euripides an Stefan Radt und Kannicht abtrat.

    Für den akademischen Unterricht schrieb S. seine auf Grundsätzen von Paul Maas aufbauende und Anregungen von Ernst Kapp verfolgende „Griechische Metrik“ (1955, ⁴1982). Für breitere Kreise gedacht waren seine zweisprachigen Ausgaben der Fragmente Heraklits (1926, 101989) und der Quellen zu Leben und Meinungen der Sieben Weisen (1938, ⁴1971), seine Übersetzungen von Platons Symposion (1944) und einer Auswahl aus Plutarchs Moralia (1948) sowie seine beiden Bändchen „Neun Tage Latein“ (1955, ⁵1962) und „Die alten Griechen und wir“ (1962).

    Nachhaltige Anregungen gingen von S. auch in organisatorischer und in wissenschaftspolitischer Hinsicht aus. Kurz vor Ende des 2. Weltkriegs begründete er das „Archiv für griechische Lexikographie“, den späteren „Thesaurus Linguae Graecae“, aus dem das „Lexikon des frühgriechischen Epos“ und der „Index Hippocraticus“ hervorgingen. Er gründete, als zeitweiliger Vorsitzender der Deutsch-Griechischen Gesellschaft in Hamburg, 1944/45 die Zeitschrift „Antike und Abendland“, war Mitbegründer der Reihen „Studienhefte zur Altertumswissenschaft“ und „Hypomnemata“ sowie Mitherausgeber der Zeitschriften „Philologus“ und „Glotta“. Die Gründung der „Stiftung Europa-Kolleg“, der „Joachim-Jungius-Gesellschaft“, der „Mommsen-Gesellschaft“ und der „Fondation Hardt“ gehen auf ihn bzw. mit auf ihn zurück. Er gehörte dem PEN-Club und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an, deren Präsident er 1952 war.

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Aarhus, Leeds, Oxford, Southampton, Paris, Aix-en-Provence, Thessaloniki);
    Mitgl. v. 10 europ. Akademien, u. a. korr. Mitgl. d. Göttinger Ak. d. Wiss. (1946, o. 1960), d. Berliner Ak. d. Wiss. (1947, ao. 1969), d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1964) u. d. Österr. Ak. d.Wiss. (1964) u. d. Joachim-Jungius-Ges., Hamburg;
    Sigmund-Freud-Preis d. Darmstädter Ak. f. Sprache u. Dichtung (1969);
    Hegel-Preis d. Stadt Stuttgart (1970);
    Kulturpreis d. Stadt Goslar (1970);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1977);
    Joachim-Jungius-Medaille (1982);
    Gr. BVK mit Stern;
    Österr. Ehrenzeichen f. Wiss. u. Kunst;
    FS (1956).

  • Werke

    W-Verz. : Ges. Schrr., 1966, S. 213–25;
    Nachlaß:
    Bayer. Staatsbibl., München (Ana 490).

  • Literatur

    H. Erbse, in: Gnomon 59, 1987, S. 770–75 (P);
    W. Bühler, in: Joachim-Jungius-Ges. d. Wiss. Hamburg, J.ber. 1984–86, 1987, S. 61–69;
    ders., in: Jb. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen 1989, 1990, S. 109–16;
    M. Gigante, in: Cronache Ercolanesi 17, 1987, S. 5–8;
    H. Schwabl, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 137, 1987, S. 375–79 (P);
    Zum Gedenken an B. S. (1896–1986), Hamburger Univ.reden 46, 1988 (Ansprachen v. W.-W. Ehlers, P. Fischer-Appelt, W. Bühler, H. Maehler;
    P);
    H.-G. Gadamer, in: Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste, Reden u. Gedenkworte 22, 1987–89, S. 33–42 (P);
    E. Vogt, in: Jb. d. Bayer. Ak. d.Wiss. 1989, 1990, S. 198–202 (P);
    G. Lohse, in: J. M. Krois u. a. (Hg.), Die Wissenschaftler E. Cassirer, B. S., S. Landshut, Hamburg. Lb. 8, 1994, S. 43–73 (P);
    ders., in: Antike u. Abendland 43, 1997, 1–20;
    D. Frede, B. S. u. d. Gründung d. Joachim-Jungius-Ges. d. Wiss., 2001;
    Munzinger;
    Göttinger Gel. II, S. 600 f. (P);
    Qu
    Personalakte d. Bayer. Ak. d. Wiss.

  • Autor/in

    Ernst Vogt
  • Zitierweise

    Vogt, Ernst, "Snell, Bruno" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 518-519 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118797786.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA