Wieacker, Franz
- Lebensdaten
- 1908 – 1994
- Geburtsort
- Stargard (Pommern)
- Sterbeort
- Göttingen
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Rechtshistoriker ; Historiker
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 118632345 | OGND | VIAF: 61586518
- Namensvarianten
-
- Wieacker, Franz Hermann
- Wieacker, Franz
- Wieacker, Franz Hermann
- Wieacker, F.
- Wieacker-Kiel, Franz
- Wiacker, Franz
- Wieacker-Ciel, Franz
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Wieacker, Franz Hermann
| Jurist, Rechtshistoriker, * 5.8.1908 Stargard (Pommern), † 17.2.1994 Göttingen, ⚰ Moers/Niederrhein. (evangelisch)
-
Genealogie
Aus niederrhein. Bauernfam.;
V →Franz Josef Michael (1874–1958), aus Hofgeismar (Kr. Kassel), Jur., 1906/07 Richter in St., 1907/08 2. Bgm. ebd., 1908–12 Bgm. in Prenzlau, 1914–19 RA in Weilburg/Lahn, 1919 Landrichter in Stade, 1922–30 OLG-Rat in Celle, 1930–39 Präs. d. Landger. Stade, S d. →Johann Eberhard (1834–1921), aus Beeck b. Ruhrort (Duisburg), Lehrer, Seminardir., Schulrat, zuletzt in Erfurt, u. d. Maria Zahn (1839–1910), aus Moers;
M Johanna (* 1874), aus Schleswig, T d. →Gustav Adolf Ostendorf (1845–1911), aus Volmarstein/Ruhr, Gymn.dir., zuletzt in Bunzlau (Niederschlesien), Geh. Reg.rat, u. d. Mathilde Greve (1843–1917), aus Gütersloh (Westfalen);
Ur-Gvv Johann Heinrich (1804–1842), Bauernhofbes. in Beeck, Ur-Gvm →Franz Ludwig Zahn (1798–1890), Päd., 1827 Dir. d. Fletcherschen Lehrerseminars in Dresden, 1832 d. Lehrerseminars in Moers, gründete 1836 e. Präparandenanstalt auf seinem Gut Fild b. Moers (s. Rhein. Lb. VII; Prot. Profile Ruhrgebiet);
B →Hans A. (Hans-Adolf) (1903–65, ⚭ Margarete,* 1905, T d. N. N. Luhn, RA, Notar in Essen), Jur., am Reg.präsidium in Köln, Oberreg.rat im Reichswirtsch.min., Mitgl. d. Geschäftsführung d. Ver. f. d. bergbaul. Interessen, 1947 Geschäftsführender Dir. b. d. Dt. Kohlenbergbau-Ltg., 1949–60 Mitgl. d. Vorstands d. Ruhrknappschaft, 1953 Mitgl. d. Geschäftsführung d. Untern.verbandes Ruhrbergbau (s. Lb. Rhein.-Westfäl. Industriegebiet, 1962–67, 1976);
– ledig. -
Biographie
W. besuchte Gymnasien in Weilburg/Lahn, Stade und Celle (dort Abitur 1926). Anschließend studierte er Rechtswissenschaft in Tübingen (1926 Mitgl. d. Corps Rhenania), München und Göttingen. Nach dem Referendarexamen 1929 in Celle begann er den Vorbereitungsdienst, den er nicht abschloß, um Ende 1929 →Fritz Pringsheim (1882–1967) als Assistent von Göttingen an die Univ. Freiburg (Br.) zu folgen. Die Promotion bei Pringsheim zur „Lex commissoria, Erfüllungszwang und Widerruf im Röm. Kaufrecht“ (1932) erfolgte Ende 1930. Anfang 1933 habilitierte sich W. mit der Arbeit „Societas, Hausgemeinschaft und Erwerbsgesellschaft“ (1936). Seinem Lehrer Pringsheim, der 1939 nach Großbritannien emigrierte, sowie anderen Gelehrten jüd. Herkunft wie →Otto Lenel (1849–1935), an dessen Festschrift er 1935 mitwirkte, und →Arnold Ehrhardt (1903–1965) blieb W. auch während der NS-Zeit verbunden. 1933–35 nahm W. Lehrstuhlvertretungen in Freiburg (Br.) und Frankfurt/M. wahr. Mit der Übernahme eines Lehrauftrags in Kiel gehörte er seit 1935 der sog. Kieler Schule an, einer Gruppe von zehn jungen Dozenten der jur. „Stoßtruppfakultät“ Kiel, die sich den Plänen des Reichserziehungsministeriums entsprechend in den Dienst der NS-Rechtserneuerung stellten, darunter →Karl Larenz (1903–1993), →Ernst Rudolf Huber (1903–1990), →Paul Ritterbusch (1900–1945) und →Friedrich Schaffstein (1905–2001). In mehreren Studien, v. a. zur Eigentumslehre, legitimierte W. die „völkische“, in einzelnen Schriften zum Familien- und Jugendhilferecht auch die „rassisch-eugenische“ Bedingtheit des NS-Rechts. Diese Arbeiten belegen ebenso wie seine Mitarbeit in mehreren Ausschüssen der von →Hans Frank (1900–1946) geleiteten Akademie für Dt. Recht (u. a. Vors. d. Arb.gemeinschaft f. Jugendpflegerecht u. Mitarb. am geplanten Volksgesetzbuch) sowie beim „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“) seine Anbindung an den Nationalsozialismus (seit 1.5.1937 Mitglied d. NSDAP).
W. wurde in Leipzig 1937 zum ao. und im Mai 1939 zum o. Professor ernannt. 1939 zur Wehrmacht eingezogen, nahm er am Polen-Feldzug teil; seit 1940 war er zurückgestellt. Rufe an die Reichsuniv. Straßburg 1941 und nach Berlin 1942 lehnte er ab. Im Sept. 1944 erneut eingezogen, geriet W. im Frühjahr 1945 in Italien in brit. Kriegsgefangenschaft.
Im Okt. 1945 entlassen, kehrte W. nicht nach Leipzig zurück, sondern nahm Lehraufträge in Göttingen und Freiburg (Br.) wahr. Noch vor Abschluß seines Entnazifizierungsverfahrens (Einstufung im Juni 1947 als „Mitläufer“, Ende 1948 als „entlastet“) erhielt er einen Ruf nach Göttingen, den er zugunsten des Rufs nach Freiburg (Br.) ablehnte. 1953 folgte er dem erneuten Ruf nach Göttingen, wo er bis zu seiner von ihm beantragten vorzeitigen Emeritierung 1973 Röm. Recht, Bürgerliches Recht und Neuere Privatrechtsgeschichte lehrte. Einen erneuten Ruf nach Freiburg (Br.) sowie weitere Rufe nach Hamburg, Heidelberg, Köln und Wien lehnte er ab.
W. gehörte zu den bedeutendsten dt. Rechtshistorikern des 20. Jh. Er hinterließ mehr als 400 Publikationen, darunter rund 130 Rezensionen, in denen er nahezu alle wichtigen romanistischen Werke seiner Zeit kommentierte. Thematisch ist sein Werk weit gespannt: Es umfaßt u. a. Schriften zur Papyrologie, Arbeiten vom frühröm. bis zum spätantiken Recht und zur Privatrechtsentwicklung seit der Rezeption des röm. Rechts sowie Studien zum geltenden Recht. Nach der Emeritierung widmete er sich v. a. dem Werk „Römische Rechtsgeschichte“ (1988), dessen zweiter Teil erst nach seinem Tod herausgegeben wurde.
Sein bekanntestes Werk, die „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ (1952, ²1967, Nachdr. 1996, ³2016, span. 1957, japan. 1961, ital. 1980, portugies. 1980, engl. 1995, chin. 2004) ging, ebenso wie das Lehrbuch „Bodenrecht“ (1938), aus dem Fächerkanon der NS-Studienreform von 1935 hervor. Als Vorarbeiten dienten seine Leipziger Vorlesung zur Privatrechtsgeschichte sowie Publikationen aus den frühen 1940er Jahren. Das Werk brach mit der Tradition der Quellen-, Institutionenund Dogmengeschichte und ist stattdessen als eine Geschichte der europ. Rechtskultur konzipiert, die das „Rechtsdenken“ und dessen Wirkungen auf die soziale Wirklichkeit in den Vordergrund stellt. Das Lehrbuch wurde zum Standardwerk der Rechtsgeschichte.
W. setzte sich nach 1945 vereinzelt mit seinen Beiträgen zur NS-Rechtserneuerung auseinander, fand diese aber nur insoweit problematisch, als sie sich „terminologisch und ideologisch von unwahren Pathosformeln jener Zeit nicht zureichend distanzierte[n]“ (Privatrechtsgesch., ²1967, S. 515, Fn. 2). Zur Einordnung dieser Arbeiten in die Wissenschafts- und Ideengeschichte des Nationalsozialismus finden sich unterschiedliche Einschätzungen auch in der neueren Literatur (Erkkilä, 2019, S. 281 ff. einerseits u. Winkler, 2014, S. 456 ff. andererseits).
Schüler W.s sind →Okko Behrends (* 1939), →Malte Dießelhorst (1928–2012), →Hermann Lange (1922–2018), →Detlef Liebs (* 1936), →Klaus Luig (1935–2022), →Wulf Eckart Voß (* 1945), →Joseph Georg Wolf (1930–2017) und →Christian Wollschläger (1936–1998).
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Auszeichnungen
|o. (1941) u. korr. (1944) Mitgl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. Leipzig;
korr. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1951);
o. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Göttingen (1954);
ausw. Mitgl. d. Acc. Nazionale dei Lincei Rom (1966);
Mitgl. d. Royal Soc. of Arts and Sciences Uppsala (1973);
korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. München (1974);
Mitgl. d. Istituto Lombardo Mailand (1976);
– Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1969);
Gr. BVK mit Stern (1972);
Gr. Verdienstkreuz d. niedersächs. Verdienstordens (1978);
Premio Feltrinelli (1985);
Ehrenbürger d. Stadt Göttingen (1990);
– Dr. phil. h. c. (Freiburg, Br. 1962);
Dr. iur. h. c. (Glasgow 1964, Uppsala 1974, Barcelona 1990, Rom 1990). -
Werke
Weitere W Lex commissoria, Erfüllungszwang u. Widerruf im Röm. Kaufrecht, 1932 (Diss.);
Societas, Hausgemeinschaft u. Erwerbsges., Unters. z. Gesch. d. röm. Ges.rechts, 1936 (Habil.schr.);
Vom Röm. Recht, Wirklichkeit u. Überlieferung, 1944;
Gründer u. Bewahrer, Rechtslehrer d. neueren dt. Privatrechtsgesch., 1959;
Textstufen klass. Jur., 1960;
Wandlungen d. Eigentumsvfg., „Revisited“, in: Quaderni Fiorentini 5–6, 1976/77, S. 841–59;
Ausgew. Schrr., Bd. 1: Methodik d. Rechtsgesch., Bd. 2: Theorie d. Rechts u. d. Rechtsgewinnung, hg. v. D. Simon, 1983;
Kleine jur. Schr., Eine Slg. zivilrechtl. Btrr. aus d. J. 1932 bis 1986, hg. v. M. Dießelhorst, 1988;
Zivilist. Schrr. (1934–1942), hg. v. Ch. Wollschläger, 2000;
– W-Verz.: ZSRGR 112, 1995, S. 744–69;
– Nachlaß: Univ.archiv Göttingen, Cod. Ms. F. Wieacker. -
Literatur
|H.-B. Kim u. W. Frhr. Marschall v. Bieberstein (Hg.), Zivilrechtslehrer dt. Sprache, 1988, S. 479–83;
O. Behrends, in: NJW, 1994, S. 1713 f. (P);
ders., in: ZSRGR 112, 1995, S. XIII-LXII (P);
ders. u. E. Schumann (Hg.), F. W., Hist. d. modernen Privatrechts, 2010;
D. Simon, in: Rechtshist. Journ. 13, 1994, S. 1–31 (P);
R. Assmann, F. W. Rhenaniae Tübingen, in: Der Corpsstudent, 1994, S. 91–93 (P);
D. Nörr, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1994, S. 248–56 (P);
In memoriam F. W., Akad. Gedenkfeier am 19. Nov. 1994 in Göttingen, 1995 (P);
J. Rückert, Gesch. d. Privatrechts als Apol. d. Jur., F. W. z. Gedächtnis, in: Quaderni Fiorentini 24, 1995, S. 531–62;
D. Liebs, in: Gnomon 67, 1995, S. 473–77 (P);
R. Kohlhepp, F. W. u. d. NS-Zeit, in: ZSRGR 122, 2005, S. 203–23;
V. Winkler, Moderne als Krise, Krise als Modernisierung, F. W. u. d. gr. Besinnungs-Bücher n. 1945, in: forum historiae iuris, 2005 (Internet);
ders., Der Kampf gegen d. Rechtswiss., F. W.s „Privatrechtsgesch. d. Neuzeit“ u. d. dt. Rechtswiss. d. 20. Jh., 2014;
J. G. Wolf, in: Zivilrechtslehrer 20. Jh., Bd. 1, 2007, S. 73–86 (P);
E. Schumann, Von Leipzig n. Göttingen, Eine Stud. z. wiss. Netzwerken u. Freundschaften vor u. n. 1945, in: FS d. Jur.fak. z. 600j. Bestehen d. Univ.|Leipzig, hg. v. Mitgll. d. Jur.fak., 2009, S. 633–78;
dies., Der Ausschuss f. Jugendrecht d. Ak. f. Dt. Recht 1934–1941, in: dies. u. F. Wapler (Hg.), Erziehen u. Strafen, Bessern u. Bewahren, Entwicklungen u. Diskussionen im Jugendrecht im 20. Jh., 2017, S. 73–138;
R. C. van Caenegem, Legal Historians I have known, A Personal Memoir, in: Rechtgesch. 17, 2010, S. 253–99, hier S. 292–94 (P);
M. Träger, Methode u. Zivilrecht b. F. W. (1908–1994), in: J. Rückert u. R. Seinecke (Hg.), Methodik d. Zivilrechts, v. Savigny bis Teubner, ³2017, S. 264–92;
V. Erkkilä, The Conceptual Change of Conscience, F. W. and German Legal Historiography 1933–1968, 2019;
Kleinheyer-Schröder;
KLL³. -
Autor/in
Eva Schumann -
Zitierweise
Schumann, Eva, "Wieacker, Franz Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 47-49 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118632345.html#ndbcontent