Wiener, Otto

Lebensdaten
1862 – 1927
Geburtsort
Karlsruhe
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Physiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 117362751 | OGND | VIAF: 30311443
Namensvarianten

  • Wiener, Otto Heinrich
  • Wiener, Otto
  • Wiener, Otto Heinrich
  • Wiener, O.
  • Wiener, O. H.

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Zitierweise

Wiener, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117362751.html [16.12.2025].

CC0

  • Wiener, Otto Heinrich

    | Physiker, * 15.6.1862 Karlsruhe, † 18.1.1927 Leipzig, ⚰Leipzig, Südfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    B Hermann (s. 1);
    1894 Caroline (Lina) Ottilie (1857–1938), T d. Georg Ferdinand Fenner (1811–1867), landgfl. hess. Reg.rat, 1862–66 Dirigierender WGR, fürstl. hessen-homburg. Min., unterzeichnete 1866 d. Vertrag z. Übergabe v. Hessen-Homburg an Preußen (s. C. Fenner, Nachrr. über d. Fam. Fenner|1465–1930, 1930;
    Hess. Biogr.), u. d. Antonie Hellermann (1816–1877);
    2 T.

  • Biographie

    Nach Abschluß des Gymnasiums in Karlsruhe begann W. sein Studium der Physik 1881 am örtlichen Polytechnikum, wechselte dann an die Univ. Berlin, ehe er 1885 zu August Kundt (1839–1894) an die Univ. Straßburg ging.

    Im Rahmen eines von Kundt koordinierten Forschungsprogramms, bei dem es u. a. um die Herstellung sehr dünner Metallschichten ging, erhielt er die Aufgabe, ihre Lichtabsorption zu bestimmen. Dafür erwies es sich als notwendig, zuvor deren Dicke zu ermitteln, was allein auf optischem Weg geschehen konnte und wofür die Kenntnis der Phasenänderung bei der Reflexion an jenen Metallschichten notwendig war. Mit einer von ihm entwickelten Interferenzstreifenmethode bestimmte W. Phasenänderung und Dicke, was dann Thema seiner Dissertation wurde, mit der er 1887 zum Dr. phil. rer. nat. promoviert wurde. Seit 1886 war er Hilfs-, dann Privatassistent von Kundt. W. bestand 1888 außerdem das Lehrerexamen in Karlsruhe, wo er sich u. a. mit Heinrich Hertz (1857–1894) fachlich austauschte. Da Kundt in demselben Jahr nach Berlin wechselte, wurde W. Assistent von dessen Nachfolger Friedrich Kohlrausch (1840–1910), bei dem er sich 1890 mit einer im Vorjahr auf der Naturforscherversammlung in Heidelberg vorgestellten Arbeit aus dem thematischen Umfeld seiner Dissertation für Physik habilitierte. Dieser Untersuchung über die Erzeugung und den Nachweis stehender Lichtwellen wurde methodisch wie experimentell ungewöhnliche Originalität bescheinigt. 1891 nahm W. einen Ruf als Dozent für Physik an die TH Aachen an, 1894 wurde er hier Extraordinarius. In seiner Forschung knüpfte er mit der umfassenden Abhandlung „Farbenphotographie durch Körperfarben und mechanische Farbenanpassung in der Natur“ (Ann. d. Physik 55, 1895, S. 225–81) an frühere Arbeiten an. Nicht zuletzt auf Empfehlung Kundts wurde W. 1895 Ordinarius für Physik an der Univ. Gießen und organisierte hauptsächlich den Aufbau eines neuen Instituts für Physik. 1899 folgte er einem Ruf an die Univ. Leipzig, wo er sich dem Neubau des 1905 fertiggestellten physikalischen Instituts widmete. Mit der Schaffung eines eigenen Instituts für Theoretische Physik verschaffte er dieser Subdisziplin 1904 eine wichtige organisatorische Aufwertung.

    Die theoretischen Untersuchungen der Eigenschaften von Mischkörpern bildeten für W. seit 1902 ein weiteres Forschungsfeld. Daneben beschäftigten ihn der Vogelflug und die Luftfahrt. Sein damit zusammenhängendes Interesse an der Meteorologie trug zu seinem Engagement für die Errichtung eines unabhängigen geophysikalischen Instituts 1913 bei. W. beteiligte sich 1914–18 auf verschiedene Weise an den dt. Kriegsanstrengungen.

    Für das Militär lieferte er Beiträge zur Ballistik, mit einem Volkshochschulkurs über die Physik im Krieg wandte er sich 1916 an die Öffentlichkeit. Im Rahmen der „Krieg der Geister“ genannten propagandistischen Auseinandersetzungen der Gelehrten unterzeichnete er eine Aufforderung von Wilhelm Wien (1864–1928), engl. Wissenschaftler nicht häufiger als deutsche zu zitieren. Seine Hochschulkurse für akademisch gebildete dt. Soldaten in Mazedonien und mehreren ukrain. Städten sollten dazu dienen, deren Verbindung zum „deutschen Geistesleben“ aufrechtzuerhalten. W. behandelte dabei den Zusammenhang von Physik und Kultur, woraus 1919 die Monographie „Physik und Kulturentwicklung“ hervorging.

    Die Suche nach einem Grundgesetz der Natur, in dem ein reibungsloser und inkompressibler Weltäther eine zentrale Rolle spielen sollte, absorbierte W. bis zuletzt, verstellte ihm aber den Zugang zu den modernen Entwicklungen der Physik. Themen aus der Optik bildeten den Schwerpunkt seiner mehr als 70 Publikationen. Zu seinen über 60 Doktoranden zählen u. a. Otto v. Baeyer (1877–1946), Waldemar Ilberg (1901–1967), Felix Kaempf (1877–1976), August Karolus (1893–1972), Erich Ladenburg (1878–1908), Willy Möbius (1879–1964), Franz Rother (1887–1980) und Ludwig Schiller (1882–1961).

    Nach dem Krieg erfuhr das Leipziger Institut eine fachliche Ausdifferenzierung: 1920 entstand die Abteilung für Radiophysik und Angewandte Physik, aus der 1926 wiederum zwei Abteilungen hervorgingen. Die von W. geschaffenen Strukturen machten Leipzig zu einem Zentrum der physikalischen Forschung, das sein Nachfolger Peter Debye (1884–1966) zusammen mit den Theoretikern Werner Heisenberg (1901–1976) und Friedrich Hund (1896–1997) ausbaute.

  • Auszeichnungen

    |o. Mitgl. d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. (1899);
    Dr. med. h. c. (Gießen 1899);
    Vors. d. Leipziger Ver. f. Luftfahrt u. Flugwesen;
    Vorschlagsrecht f. d. Nobelpreis (1904, 1917, 1921 u. 1924).

  • Werke

    Weitere W u. a. Über e. Phasenänderung d. Lichtes b. d. Reflexion u. Methode z. Dickenbestimmung dünner Blättchen, in: Ann. d. Physik 31, 1887, S. 629–72 (Diss.);
    Stehende Lichtwellen u. Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes, ebd. 40, 1890, S. 203–43;
    Vogelflug, Luftfahrt u. Zukunft, in: Dt.|Revue 36, 1911, S. 1–59;
    Krieg u. naturwiss. Weltanschauung, ebd. 41, 1916, H. 3, S. 68–71;
    Die Theorie d. Mischkörpers f. d. Feld d. stationären Strömung, in: Abhh. d. math.-phys. Kl. d. Kgl.-Sächs. Ges. d. Wiss., 32, 1912, S. 509–604;
    Die streckenweise Berechnung d. Geschoßflugbahnen, in: Abhh. d. math.-phys. Kl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. 36, 1919, S. 1–66;
    Das Grundgesetz d. Natur u. d. Erhaltung d. absoluten Geschwindigkeiten im Äther, ebd. 38, 1921, S. 1–87;
    Nachlaß: Univ.bibl. Leipzig.

  • Literatur

    L W. Möbius, in: Zs. f. techn. Physik 8, 1927, S. 129–31 (P);
    L. Weickmann, in: Berr. über d. Verhh. d. Sächs. Ak. d. Wiss. z. Leipzig, math.phys. Kl. 79, 1927, S. 107–23 (W-Verz.);
    K. Lichtenecker, O. W., e. Gedenkbl. z. ersten Wiederkehr seines Todestages, in: Physikal. Zs. 29, 1928, S. 73–78 (P);
    K. Wappler u. C. Zylka, Physik u. Physiker an d. Leipziger Univ. im ersten Quartal d. 20. Jh., in: Wiss. Zs. d. Karl-Marx-Univ. Leipzig, Math.-naturwiss. R. 34, 1985, H. 1, S. 20–29;
    C. Jungnickel u. R. McCormmach, Intellectual Mastery of Nature, Bd. 2, 1986;
    St. L. Wolff, August Kundt (1839–1894), Die Karriere e. Experimentalphysikers, in: Physis 29, 1992, H. 2, S. 403–46;
    ders., Physicists in the „Krieg der Geister“, Wilhelm Wien’s „Proclamation“, in: Hist. Stud. in the Physical and Biological Sciences 33, 2003, H. 2, S. 337–68;
    H. „Rechenberg u. G. Wiemers, Einstein als Eckstein, Von d. klass. z. modernen Physik an d. Univ. Leipzig, in: St. Wendehorst (Hg.), Bausteine e. jüd. Gesch. d. Univ. Leipzig, 2006, S. 377–88;
    Pogg. IV–VI;
    Complete DSB;
    Bad. Biogrr. NF IV.

  • Porträts

    |Photogrr. (Univ.archiv Leipzig).

  • Autor/in

    Stefan L. Wolff
  • Zitierweise

    Wolff, Stefan L., "Wiener, Otto Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 88-90 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117362751.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA