Lebensdaten
gestorben um 1300
Beruf/Funktion
Dichter ; Romanautor
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11876358X | OGND | VIAF: 22189713
Namensvarianten
  • Uolrîch von Etzenbach
  • Etzenbach, Ulrich von
  • Eschenbach, Ulrich von
  • mehr

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Zitierweise

Ulrich von Etzenbach, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11876358X.html [19.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Der urkundlich nicht bezeugte, sich in seinen beiden Romanen als „Uolrîch von Etzenbach“ bezeichnende Autor behauptet, in Böhmen geboren zu sein, obgleich dort kein gleichnamiger Ort nachzuweisen ist; vermutlich hat seine Familie den Herkunftsnamen nach Nordböhmen, wohin der Dialekt der Werke verweist, mitgebracht. Wohl in den 1270er Jahren begann U. am Prager Hof Přemysl Ottokars II. (um 1232–78) mit der Abfassung des in sechs Handschriften und zehn Fragmenten des 13./14. Jh. überlieferten „Alexander“-Romans. Nach Ottokars Tod widmete er das Werk dessen Sohn Wenzel II. (1271–1305). Hauptquellen des in zehn Bücher gegliederten Texts von 28 000 Versen sind die „Alexandreis“ Walthers von Châtillon (um 1135-um 1190), für Buch 1 u. 10 die Fassung J2 der „Historia de preliis“. Wie Walther stellt U. Alexander als Begründer des dritten Weltreichs vor; sein Handeln ist in den (heils-)geschichtlichen Prozeß integriert. Doch ist U.s Alexander, abweichend von dem der „translatio imperii ad Graecos“ verpflichteten Alexanderbild der Quelle, zugleich moralisches Exempel, Werkzeug Gottes und höfischer (Minne-)Held. Sein Handeln ist weniger Abbild eines vorherbestimmten Geschichtsablaufs, als vielmehr durch seine durchgängige Identifikation mit Ottokar II. beispielhaft für die Gegenwart. Wurde durch Ottokars Tod auf dem Marchfeld die Legitimation eines böhm. Großreichs als politische Intention des Werks obsolet, so ist Alexander auch für den Nachfolger und neuen Adressaten Wenzel II. „exemplum morale“. Folgerichtig bildet ein Fürstenspiegel den Abschluß des Romans. Der in drei Handschriften enthaltene, dem böhm. Landherren Borso II. von Riesenburg gewidmete Anhang über die Belagerung und Übergabe der allegorischen Stadt Tritonia (2100 Verse) propagiert ein Herrschaftsmodell adeliger Mitregentschaft, das die Landstände Böhmens seit der Mitte des 13. Jh. ansatzweise durchzusetzen suchten. In der 1. Hälfte des 14. Jh. führte der Anspruch des Romans, neben dem höfischen Gesellschaftsmodell auch historische Wahrheit zu vermitteln, zur Inserierung mehrerer Passagen in die Weltchronik-Kompilation Heinrichs von München.

    Als Propagandaschrift zur Untermauerung des böhm. Führungsanspruchs im slaw. Raum diente der um 1290 von „Heinrich dem Walch“ – wohl der kgl. Pronotar Henricus Italicus (de Isernia) – in Auftrag gegebene, Wenzel II. gewidmete, in zwei Handschriften des 15. Jh. und drei Fragmenten überlieferte Roman „Wilhelm von Wenden“ (8358 Verse). Er schildert das Schicksal des gleichnamigen Heidenfürsten, seiner Frau Bene und deren Zwillingen und endet mit deren Bekehrung zum Christentum sowie einer Vergrößerung von Wilhelms Machtbereich um die Herrschaft Wenden bis nach Dänemark und Italien. Der Bezug des Romans auf die Familie Wenzels II. ist offenkundig: In der Vorrede|deutet U. den Namen „Bene“ als Latinisierung von „Guta“, Tochter Rudolfs von Habsburg und Gattin Wenzels, die 1289 die Zwillinge Wenzel und Agnes gebar. Die Herrschaft Wenden ist unschwer nach Böhmen lokalisierbar. Wenzel, der zu Beginn seiner Herrschaft Mitregentschaftsansprüchen des böhm. Adels ausgesetzt war und dennoch die Expansionspolitik seines Vaters fortzusetzen suchte, wird durchgängig mit dem Protagonisten der Erzählung in Beziehung gesetzt.

    U. verstand sich stilistisch ausdrücklich als Nachfolger Wolframs von Eschenbach; die Vorrede zum „Wilhelm von Wenden“ nimmt z. T. wörtlich Wolframs „Willehalm“-Prolog auf. Der „Alexander“ wurde schon im 13. Jh. als Werk Wolframs rezipiert.

  • Werke

    W Alexander, hg. v. W. Toischer, 1888, Neudr. 1974; Wilhelm v. Wenden, hg. v. H.-F. Rosenfeld, 1957.

  • Literatur

    L ADB VI;
    R. Kohlmayer, U.s v. E. Wilhelm v. Wenden, 1974;
    N. H. Ott, U.s v. E. „Alexander“ ill., in: Zur dt. Lit. u. Sprache d. 14. Jh., hg. v. W. Haug u. a., 1983, S. 155–72;
    J.-D. Müller, Landesherrin per compromissum, Zum Wahlmodus in U.s v. E. „Wilhelm v. Wenden“, in: FS Ruth Schmidt-Wiegand, Bd. 1, hg. v. K. Hauck u. a., 1986, S. 490–514;
    H.-J. Behr, Lit. als Machtlegitimation, Stud. z. Funktion d. dt.sprach. Dichtung am böhm. Kg.hof im 13. Jh., 1989;
    C. Medert, Der „Alexander“ U.s v. E., Stud. z. Erzählstruktur u. Gattungsproblematik, 1989;
    T. Ehlert, Die Dt.sprachige Alexanderdichtung d. MA, 1989, S. 129–201;
    E. Skála, „Wilhelm v. Wenden“ im Kontext d. böhm.-österr. Wechselseitigkeit, in: Philologica Pragensis 33, 1990, S. 10–19;
    W. Röcke, Die Macht d. Wortes, Feudale Repräsentation u. christl. Verkündigung im ma. Legendenroman, in: Höf. Repräsentation, hg. v. H. Ragotzky u. H. Wenzel, 1990, S. 209–26;
    B. K. Vollmann, U. v. E., Alexander, in: Positionen d. Romans im späten MA, hg. v. W. Haug, 1991, S. 54–66;
    Killy;
    Vf.-Lex. MA² (L); Kosch, Lit.-Lex.³ (L).

  • Autor/in

    Norbert H. Ott
  • Zitierweise

    Ott, Norbert H., "Ulrich von Etzenbach" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 602-603 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11876358X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Eschenbach: Ulrich v. E., deutscher Dichter, wahrscheinlich ein Verwandter, nachweislich ein Nachahmer seines größeren Vorgängers Wolfram v. Eschenbach, lebte am Hofe König Wenzels II. von Böhmen (1278—1305), den er in seinen beiden Gedichten aufs überschwänglichste preist. Das eine derselben, die in mehreren Handschriften erhaltene, bisher aber nicht herausgegebene „Alexandreis“, beruht auf der dem Dichter durch zwei böhmische Edelleute vermittelten „Alexandreis“ des Walther von Chatillon; es ist vor 1284 begonnen worden, aber erst nach diesem Jahre vollendet. Das zweite Werk, der „Wilhelm von Wenden“, in welchem der Guillaume d'Angleterre des Chrestiens von Troies oder wenigstens eine dieser Erzählung nahestehende Fassung der Sage benutzt ist, entstand zwischen 1287 und 1297, vielleicht 1290. Endlich hat später der Dichter den 10 Büchern seiner „Alexandreis“ noch ein elftes mit der Schilderung der Belagerung der Stadt Tritonia und Alexanders Einzug daselbst hinzugefügt und dasselbe Boresch II. v. Riesenburg gewidmet.

    Ulrich war ein gelehrter Mann, aber ein Poet sehr inferioren Ranges. Recht im Gegensatz zu den Dichtern der Blüthezeit, welche sich bemühen, den Ballast, den ihre Quellen boten, über Bord zu werfen, um einem einheitlichen Gedanken Ausdruck zu schaffen, ist er bestrebt, in seiner „Alexandreis“ alles zu vereinigen, was er irgend über seinen Helden erkunden konnte: so hat er denn seiner Vorlage manche neue Episode hinzugefügt, z. B. den Elfenschwank von Alexander und Antiloie, und dadurch den Umfang dieses Gedichtes auf etwa 30000 Verse gebracht, in denen sich arge Geschmacklosigkeit und crasse Unkenntniß des Alterthums verräth. Seine Fähigkeit zu schildern ist gering, er bewegt sich in schablonenhaften Phrasen. Aber auch mit seinem Darstellungstalente ist es nicht zum besten bestellt: er leidet offenbar an Reimarmuth und muß daher oft zu gezwungenen Constructionen, zu rührenden Reimen, zu Doppelformen der Reimwörter greisen, um nur überhaupt einen Reim zu gewinnen.

    • Literatur

      Vgl. Ferd. Weckherlin, Beyträge zur Geschichte altteutscher Sprache und Dichtkunst, Stuttgart 1811, S. 1 ff. — Wackernagel, Die altdeutschen Handschriften der Basler Universitätsbibliothek, Basel 1837, S. 26 ff. —
      Pfeiffer in Naumann's Serapeum 9 (1848) S. 337 ff. — Wilhelm von Wenden, ein Gedicht Ulrichs von Eschenbach, herausgegeben von W. Toischer, Prag 1876.

  • Autor/in

    Steinmeyer.
  • Zitierweise

    Steinmeyer, Elias von, "Ulrich von Etzenbach" in: Allgemeine Deutsche Biographie 6 (1877), S. 340 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11876358X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA