Zurflüe, Johann
- Lebensdaten
- 1566 – um 1615
- Geburtsort
- Stans (Kanton Nidwalden)
- Beruf/Funktion
- katholischer Geistlicher ; Dichter ; Dramatiker ; Katholischer Theologe ; Geistlicher ; Schriftsteller
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 138528071 | OGND | VIAF: 90811301
- Namensvarianten
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- Zurflüe, Johannes
- Zurflüh, Johann
- Zurflüe, Johann
- Zurflüe, Johannes
- Zurflüh, Johann
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Zurflüe (Zurflüh), Johann(es)
| katholischer Geistlicher, Dramatiker, * 6.1.1566 Stans (Kanton Nidwalden), † um 1615 vermutlich Sarnen (Kanton Obwalden).
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Biographie
Z. war Angehöriger eines Bürgergeschlechts der Stadt Luzern, wo er seit 1572 nachgewiesen ist. Seit 1582 besuchte er das von Ebf. →Karl Borromäus (1538–1584) 1579 gegründete Collegium Helveticum in Mailand. Nach Abschluß der theol. Ausbildung mit Priesterweihe 1589 war er Pfarrer in Arth (Kt. Schwyz), seit 1591 Priester am Spital Luzern, danach Leutpriester in Sempach (Kt. Luzern), 1593/94 Kaplan zu St. Afra in Beromünster (Kt. Luzern), dann Pfarrhelfer des Chorherrenstifts im Hof in Luzern, 1596–1603 Pfarrer in Sarnen (Kt. Obwalden) und 1599 zugleich Sextar des Vierwaldstätterkapitels sowie 1603–13 nochmals Pfarrer in Arth. Anschließend amtierte er bis zu seinem Tod wieder als Pfarrer in Sarnen.
Während seiner ersten Pfarrtätigkeit in Sarnen veranstaltete Z. am 16./17.9.1601 mit Bürgern der Gemeinde auf dem Dorfplatz eine Aufführung des von ihm verfaßten Theaterstücks „Ein schön Lustiges vnd nüwes Spill, Von warhafftiger vnd wunderbarlicher Hystorj [ … ] Niclausen Von Der Flüe, Den man nemptt Bruoder Clauß [ … ]“. Dieses älteste dt.sprachige Bruderklausenspiel, dessen Text mit Paratexten (Titel, Prosavorw. mit Widmung, Spielerverz.) in einer Handschrift von 1602 – vermutlich als Autograph – im Staatsarchiv Obwalden erhalten ist, dramatisiert die Vita des Obwaldener Landesheiligen →Niklaus von Flüe (1417–87). Dieser hatte 1467 seine Existenz als Bauer mit Familie zugunsten eines gottgeweihten Eremitendaseins aufgegeben und war bereits zu Lebzeiten als Heiliger verehrt worden (Kanonisierung 1947).
Z.s achttaktiges, 11 367 Verse umfassendes Stück, das die biographischen Ereignisse beginnend mit dem von Gott erfüllten Kinderwunsch der Eltern von Niklaus bis zu dessen verklärtem Tod mit Heilungswundern und miracula post mortem legendentypisch darstellt, sollte dem Publikum den Weg zu einer gottgefälligen und rechtgläubigen Lebensführung weisen. Transzendente himmlische und höllische Mächte agieren als dramatis personae in Gestalt Gottes und seiner Engelsboten sowie mehrerer Teufel. Zwei bedeutsame handlungsexterne Szenen im 3. und 8. Akt,|in denen „Bruder Klaus“ als überzeitliche Autorität mit Unterstützung Moses’und anderer alttestamentlicher Figuren die als Personifikationen auftretenden dreizehn zerstrittenen eidgenössischen Orte mit dem Bundesschwur zur Einheit zurückführt, rekurrieren vermutlich auf →Niklaus von Flües Intervention beim Abschluß des Stanser Vorkommnisses 1481 zur Rettung der Eidgenossenschaft vor dauerhafter Spaltung.
Neben der im Vorwort von ihm selbst als Quelle benannten populären Bruder-Klaus-Legende (gedr. 1571) des nachmaligen Abts von Einsiedeln, →Ulrich Witwyler (1536–1600), übernahm Z. längere Passagen aus den Bruder-Klaus-Auftritten des „Weltspiegels“ von →Valentin Boltz (v. 1515–60), einer 1550 in Basel aufgeführten, zeitkritisch-satirischen Moralität, sowie aus dem Bruderklausenspiel „Comoedia de Nicolai Unterwaldii Eremitae Helvetii“ (1586) des Luzerner Jesuiten →Jacob Gretser (1562–1625), das ihm möglicherweise in der (nicht erhaltenen) Übersetzung des Obwaldener Schulmeisters →Johannes Lüthi von 1590 vorlag. Zudem verwertete Z. das Protokoll des Luzerner Stadtschreibers →Renward Cysat (1545–1614) zum ersten (noch erfolglosen) Kanonisationsprozeß (1591) mit Berichten über heiligkeitsbeweisende Begebenheiten.
Z.s Stück steht in der Tradition der nach dem Konzil von Trient (1545–63) aufblühenden Innerschweizer Heiligenspiele, die als große städtische Veranstaltungen für die altgläubigen Eidgenossen ein breitenwirksames Instrument der Propagierung gegenreformatorischer Glaubensinhalte waren. Die Besonderheit des Bruderklausenspiels liegt in der Übertragung einer historischen Biographie der jüngeren Schweizer Geschichte auf das hagiographische Modell der Eremitenlegende mit dem Ziel der Beglaubigung der kath. Position innerhalb der aktuellen konfessionspolitischen Auseinandersetzungen. Die in der Person des Bruder Klaus erstmals bei Z. vorgenommene Verbindung von religiöser Vorbildfigur und politischem Vermittler zieht eine lange, bis in das 20 Jh. (Cäsar v. Arx, Der hl. Held, 1935) sich erstreckende Reihe von Dramatisierungen nach sich, die den Eremiten von Flüe für die konträren Standpunkte auf altgläubiger wie auch auf reformierter Seite in Anspruch nehmen und ihn im weiteren zum überkonfessionellen Nationalheiligen der Eidgenossenschaft stilisieren.
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Werke
|H. Greco-Kaufmann u. E. Huwiler (Hg.), Das Sarner Bruderklausenspiel v. J. Z. (1601), Kommentierte Erstausg., 2017.
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Literatur
|ADB 45;
R. Durrer (Hg.), Bruder Klaus, Die ältesten Qu. über d. seligen Nikolaus v. Flüe, sein Leben u. seinen Einfluß, 2 Bde., 1917/21, Nachdr. 1981;
O. Eberle, Theatergesch. d. inneren Schweiz, 1929;
P. v. Flüe, Das Bruderklausen-Spiel v. J. Z. aus d. J. 1601, Ein Btr. z. Theater- u. Kulturgesch. Obwaldens, Lizenziatsarb. Univ. Freiburg (Üchtland), 1986;
C. Oppikofer-Dedie, Johannes Mahlers Bruder Klausen-Spiel (um 1624), 1993;
Th. Maissen, Glaubensvorbild, Mahner, überkonfessionelles Vorbild, Zum Nachleben v. Niklaus v. Flüe in d. Frühen Neuzeit, in: Schweizer. Zs. f. Rel.- u. Kulturgesch. 113, 2019, S. 209–34;
Killy1+2;
HLS;
Vf.-Lex. Frühe Neuzeit 1520–1620, Bd. 6, 2017, S. 680–84;
Kosch, Lit.-Lex.³. -
Autor/in
Elke Ukena-Best -
Zitierweise
Ukena-Best, Elke, "Zurflüe (Zurflüh), Johann(es)" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 786-787 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138528071.html#ndbcontent
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Zurflüe, Johann
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Biographie
Zurflüe: Johann Z., katholischer Geistlicher und Verfasser eines Bruderklausenspiels, ist geboren am 6. Januar 1566 höchst wahrscheinlich zu Stans in dem schweizerischen Kanton Nidwalden. Schon 1572 kam er jedoch nach Luzern, wo er noch vier Jahre zusammen mit seinen Eltern lebte. Nach deren Tode wurde er 1576 in das Spital — „Xenodochium“ —, wie er sagt, aufgenommen und verblieb dort sieben Jahre. Am 27. September 1582 bezog er das von S. Carlo Borromeo und Cardinal-Bischof Marcus Sitticus von Constanz gestiftete Collegium helveticum in Mailand, wo er bis zu seiner Priesterweihe verbleiben sollte. Im Juli 1583 figurirt sein Name unter Denjenigen, die sich über mangelhafte Unterstützung und Verpflegung beklagen. 1589 richtete er kurz nach einander zwei Briefe an die Luzerner Behörden, in deren erstem er um Geld zum Ankauf der Werke des hl. Thomas von Aquino und um ein Alterszeugniß für die Priesterweihe ersucht, in dem zweiten (vom 4. November) seine Bitte um das letztere wiederholt. Mit dem zurückgelegten fünfundzwanzigsten Altersjahre muß er in Mailand die Priesterweihe empfangen haben; denn im Juli 1591 finden wir ihn wieder im Luzerner Spital. Aus jener Zeit stammt das merkwürdige Actenstück, in welchem er niederlegt, was ihm, „Priester Johanni Zurflüe, wonende in dem Spittal zů Lucern“, der Waldbruder Peter Cunert über die Witterung der kommenden Monate prophezeit hat. Als am 24. Oct. desselben Jahres Pfarrer Pfau in Sempach wegen Concubinats seiner Pfründe enthoben wurde, wurde Z. von dem Stift „im Hof“ zu Luzern an seine Stelle als Leutpriester gewählt. In dieser Eigenschaft errichtete er 1592 in dem benachbarten Hildisrieden eine Bruderschaft. Doch schon am 27. Juli 1593 wurde er wieder amovirt und als Caplan bei S. Afra nach Beromünster versetzt. Am Mittwoch nach Mariä Heimsuchung 1594, sagt das Luzerner Rathsprotokoll, sei „Hans Zurflüe, der vor etwas zit in ungnad gefallen“, vom Rathe begnadigt und zum Helfer des Stadtpfarrers von Luzern ernannt worden. In Sempach muß er sich ein Sittlichkeitsvergehen haben zu Schulden kommen lassen; denn es liegt von Seiten einer Vagantin, Namens Edelmann, ein Begnadigungsgesuch vor, in dem diese behauptet, eines ihrer fünf unehelichen Kinder von Z. bekommen zu haben. Vom 5. März 1595 bis 1603 finden wir Z. als Pfarrer in Sarnen, 1603 bis 1611 in Arth und 1611 bis 1615 wieder in Sarnen. Von da an verlieren wir seine Spur gänzlich. Das letzte uns bekannt gewordene Ereigniß in seinem Leben ist der Widerruf, den er gegenüber Heini Koli zu leisten hatte, weil er diesen aus Zorn oder infolge falscher Angaben von der Kanzel aus in den Bann gethan.
Das einzige uns überlieferte litterarische Product Zurflüe's ist sein Spiel|von Bruder Klaus (Niklaus von der Flüe), das er während seines ersten Aufenthaltes in Sarnen geschrieben und am 16. und 17. September 1601 daselbst von über 100 Personen hat aufführen lassen. (Hs. im Obwaldener Staatsarchiv zu Sarnen; gleichzeitige (?) fragmentar. Abschrift im Besitz von Pfarrhelfer A. Küchler). Z. widmete das Stück, dessen Titel und Inhalt Bächtold S. 112 der Anmerkungen und S. 389 des Textes mittheilt, der Regierung, wofür ihm diese eine Gratification von 100 Gulden zukommen ließ. Die Aufführung leitete Z. selbst; doch wurde ihm vom Rathe der Bannermeister beigegeben, der „soll Natter sein, vnd wen einer nit gehorsam ist, den soll er in den Thurm schicken“. Ueber ein anderes Klausenspiel von 1590, das Z. sich vielleicht als Vorbild genommen, s. Küchler S. 336. Abgesehen von dem bereits erwähnten Sittlichkeitsvergehen und dem voreiligen Bannspruch scheint Z. auch sonst keinen ganz tadellosen Lebenswandel geführt zu haben; denn am 28. September 1602 wird von einer ihm auferlegten Buße gesprochen, und ebenso hatten gewisse „excessus“ bei einem Priesterexamen 1614 eine Geldstrafe zur Folge. Als Wappen führt Z. ein halbes Rad auf einem Dreiberg.
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Literatur
J. Bächtold, Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz (1892). —
A. Küchler, Chronik von Sarnen (1895), S. 10, 335. —
Geschichtsfreund XV, 26 ff.; XVII, 131; XXIII, 232 ff. —
Archivalien (gefl. Mittheilungen der HH. v. Liebenau, Küchler, Durrer). -
Autor/in
E. Hoffmann-Krayer. -
Zitierweise
Hoffmann-Krayer, Eduard, "Zurflüe, Johann" in: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), S. 504-505 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138528071.html#adbcontent