Willibert
- Lebensdaten
- erwähnt 865, gestorben 889
- Sterbeort
- Köln (?)
- Beruf/Funktion
- Erzbischof von Köln ; Erzbischof
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 139144919 | OGND | VIAF: 100448034
- Namensvarianten
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- Willibert von Köln
- Willibert
- Willibert von Köln
- Willibert, von Köln
- Köln, Willibert von
- Willibert, von Cöln
- Cöln, Willibert von
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Willibert
|Erzbischof von Köln, † 11.9.889 Köln (?), ⚰Köln, Dom.
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Biographie
Über W.s Herkunft und frühe Lebensjahre ist nichts bekannt; 865 wird er erstmals als Kölner Kleriker erwähnt. In dem Konflikt zwischen Kg. →Ludwig dem Deutschen (reg. 826/33–76) und seinem Bruder Kg. →Karl dem Kahlen (reg. 840–77) nach dem Tod Kg. →Lothars II. (reg. 855–69) um dessen Erbe und die politische Zugehörigkeit Lotharingiens suchten beide das Kölner Erzbistum durch die Einset|zung eines eigenen Kandidaten zu sichern.
Seit Okt. 863 war der für die Kontrolle Lotharingiens unverzichtbare erzbischöfliche Stuhl nach der päpstlichen Absetzung und Exkommunikation Ebf. →Gunthars (reg. 850–863, † 871) wegen dessen Haltung im Ehestreit Lothars II. vakant. Der Wettlauf zwischen Ludwig und Karl entzweite die Wähler, den Klerus und die vornehmen Laien Kölns, und führte zu einer Doppelwahl Anfang 870. Während einige für Karls Kandidaten, Abt →Hilduin von St. Bertin, votierten, wählte eine zweite (größere?) Gruppe auf Drängen des von Ludwig nach Köln entsandten Ebf. →Liutbert von Mainz (reg. 863–89) am 7.1.870 im rechtsrhein. Deutz den angesehenen Kölner Domkanoniker W. zum neuen Erzbischof. Von Liutbert und den anwesenden Kölner Suffraganen umgehend geweiht, wurde er wenig später (16. Jan.?) im Kölner Dom inthronisiert.
W., wie auch seine Wähler und Unterstützer →Ludwig der Deutsche und mehrere Mitbischöfe unternahmen in der Folge erhebliche diplomatische, politische und historiographische Anstrengungen, um die Rechtmäßigkeit der Erhebung W.s zu erweisen und die päpstl. Anerkennung zu erlangen. Es wurden Briefe und Boten vom König und dem Kölner Klerus nach Rom gesandt, im Sept. 870 eine Synode in Köln abgehalten und die Xantener Annalen in parteiischer Weise am ebfl. Hof in Köln fortgeschrieben. →Hadrian II. (reg. 867–72) und →Johannes VIII. (reg. 872–82) fochten jedoch die Gültigkeit der Wahl W.s unter Berufung auf den Einspruch eines unbekannten Kölner Klerikers an, monierten W.s unzureichendes Glaubensbekenntnis und verweigerten ihm das ebfl. Amtszeichen des Palliums. Erst auf Intervention Ks. →Ludwigs II. (reg. 855–75) und intensive Fürsprache Ludwigs des Deutschen wurde dieses schließlich von Johannes VIII. im Juni/Juli 874 übersandt.
W.s fast 20jährige Amtszeit ist geprägt durch drei Schwerpunkte: den Einsatz für Königtum und ostfränk. Reich, die administrative Organisation und religiöse Neuordnung seines kirchlichen Sprengels sowie die Fürsorge für Bildung und Wissenschaft. Zeitlebens erwies W. sich als getreuer Gefolgsmann der karoling. Herrscher; die Kölner Kirche richtete er konsequent auf das ostfränk. Reich und als Bollwerk gegen das expansive Westreich aus.
In dem bis zum Vertrag von Ribémont 880 währenden Konflikt um Lotharingien sicherte W. dessen Zugehörigkeit (und weiterer linksrhein. Gebiete) zum ostfränk. Reich mit diplomatischen und politischen Mitteln.
Durch Synoden und baulich-organisatorische Maßnahmen verlieh W. dem religiösen Leben wichtige Impulse. So weihte er den bald nach 800 fertiggestellten (Neu-)Bau des dreischiffigen (Alten) Doms (Bau VII) am 26.9.873, begann den Neubau der Kirche von St. Andreas und gründete das Frauenstift St. Cäcilien. Die von ihm zum 1.4.887 einberufene und geleitete erste Synode der Kölner Kirchenprovinz beschloß ein Verbot der Entfremdung von Kirchengut und der Verwandtenehe, gebot den Nonnen die Einhaltung der Keuschheit und sanktionierte die Zuständigkeit des (Orts-) Bischofs für alle Eigenkirchen seines Sprengels.
W. förderte den Ausbau seiner Dombibliothek, der er mehrere Handschriften und Werke stiftete: die von ihm in Auftrag gegebene, einzig erhaltene Abschrift des berühmten „Codex Carolinus“ (heute: Wien, Österr. Nat. bibl. Codex 449) mit zahlreichen päpstl. Schreiben an die Karolinger, eine Sammlung der Briefe des hl. →Bonifatius und vielleicht auch eine heute in Wolfenbüttel aufbewahrte Abschrift von Briefen →Leos III. (reg. 795–816) sowie den Traktat des Hilarius von Poitiers zum Psalm 118 (heute Domhs. 29). – Mit W. setzen die ebfl. Grablegen im Kölner Dom ein.
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Quellen
Qu F. W. Oediger, Regg. d. Erzbischöfe v. Köln im MA, I, 1954–61, Nr. 227–76; St. Weinfurter, Colonia (GAMS Series V/1), 1982, 17; Germania Pontificia VII/1, 1986, S. 30–36.
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Literatur
|ADB 43;
F. W. Oediger, Gesch. d. Ebm. Köln, I, ²1972, S. 94–96;
W. Georgi, Legatio virum sapientem requirat, in: FS O. Engels, 1993, S. 98 f.;
M. Storm, Die Metropolitangewalt d. Kölner Erzbischöfe im MA bis zu Dietrich v. Moers, 1995, S. 43 f. u. 59 f.;
J. M. Plotzek, Zur Gesch. d. Kölner Dombibl., in: Glaube u. Wissen im MA, Die Kölner Dombibl., hg. v. dems., 1998, S. 28;
B. Bigott, Ludwig d. Dt. u. d. Reichskirche im Ostfränk. Reich (826–876), 2002, S. 146–150 u. 203–08;
A. Th. Hack, Codex Carolinus, Päpstl. Epistologr. im 8. Jh., I, 2006, S. 84–87 u. 94 f.;
S. Patzold, Episcopus, Wissen über Bischöfe im Frankenreich d. späten 8. bis frühen 10. Jh., 2008, S. 369–82;
G. Hauser, Der Alte Dom u. seine Vorgesch., Grundzüge d. Forsch. 1946–2012, in: Der Alte Dom zu Köln, Befunde u. Funde z. vorgot. Kathedrale, hg. v. U. Back, Th. Höltken u. D. Hochkirchen, 2012, S. 231–50, bes. S. 243–46;
C. Kleinjung, Bf.absetzungen u. Bf.bild, Texte–Praktiken–Deutungen in d. pol. Kultur d. westfränk.-franz. Reichs 835-ca. 1030, 2021;
LexMA. -
Autor/in
Hubertus Seibert -
Zitierweise
Seibert, Hubertus, "Willibert" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 189-190 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139144919.html#ndbcontent
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Willibert
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Biographie
Willibert, Erzbischof von Köln (870—889). Als nach König Lothar's Tode im J. 869 seine Oheime Karl und Ludwig sich um Lothringen stritten, war die Neubesetzung des durch die Wirren der 60er Jahre arg betroffenen Kölner Bischofssitzes eine der wichtigsten Fragen. Durch sein rasches Eingreifen war hierbei Ludwig der Deutsche im Vortheil. Sein Candidat, der einem angesehenen Geschlechte entstammende Kölner Cleriker W., ging aus der durch Erzbischof Liutbert von Mainz in Deutz auf Ludwig's Betreiben veranstalteten Wahl am 7. Januar 870 hervor. Noch am selben Tage erhielt W. die Bischofsweihe. Auch durch seinen abgesetzten Vorgänger Gunthar wurde er anerkannt, obwol dessen Neffe Hilduin schon von Bischof Franko von Lüttich im Auftrage des westfränkischen Königs Karl für Köln geweiht worden war. König Ludwig wandte sich alsbald an den Papst Hadrian, sowie an Kaiser Ludwig II. und die Kaiserin Engelberta, um die Bestätigung Willibert's zu erlangen, der als ein Mann aus guter Familie geschildert wird, ausgezeichnet durch strengen Wandel und beredte Predigt. Der Papst behielt sich aber die Anerkennung vor, bis sich W. in Rom persönlich gestellt habe, und seine Wahl, die dem Papste voreilig und präjudizirlich erschien, geprüft sei. Auf diesem ablehnenden Standpunkte verblieb Hadrian bis zu seinem Tode, obwol sich auch Clerus und Gemeinde von Köln in dringenden Fürschreiben für W. verwandten, und W. selbst durch ein nach Rom übersandtes Glaubensbekenntniß seine Rechtgläubigkeit zu erweisen versuchte. Ebenso weigerte die Synode zu Douzy 871 W. die Anerkennung. Die Gegenintriguen, welche König Karl anzettelte, übten ihre Wirkung auch bei Hadrian's Nachfolger Johann VIII., der sich anfänglich gegen die Bestätigung sträubte und erst im J. 874, nachdem inzwischen 873 Gunthar gestorben war, W. das Pallium übersandte.
Noch im Jahre vor Willibert's Wahl wurde in Köln eine Synode abgehalten, an der sich W. in seiner Eigenschaft als Bischof trotz der päpstlichen Nichtbestätigung betheiligte, und ebenso im J. 878 eine von W. selbst berufene Provinzialsynode, bei welcher die Einweihung des Domes wiederholt und die Vermögensauseinandersetzung zwischen der Domkirche und den Secundarkirchen bestätigt wurde. Erzbischof W. blieb der Vertrauensmann Ludwig's des Deutschen. Im Juli 876 ging er als dessen Gesandter zusammen mit den Grafen Adelhard und Meingaud nach Ponthion zur Synode, wo er von König Karl den Erbantheil seines Herrn am Reiche Kaiser Ludwig's forderte. Nothgedrungen mußte er nach seines Königs baldigem Tode →Karl dem Kahlen folgen, als dieser sich gegen den Meersener Vertrag Lothringens bemächtigte und auch seine Metropole besetzte; aber er mahnte ihn mit ernsten Worten von einem Ueberfall seines Neffen Ludwig des Jüngeren ab, da dieser nur den Frieden begehre. Als seine Worte keinen Erfolg hatten, sandte W. schleunig den Priester Hartwig zur Warnung an Ludwig, worauf dieser den Sieg bei Andernach erfocht.
Als sodann die Normannenstürme durch Lothringen brausten, wurden Willibert's Diöcese und sein Bischofssitz besonders hart mitgenommen. Im Winter 881 auf 882 wurde Köln zerstört. W. wandte sich zur Flucht nach Mainz-|Die Einfälle wiederholten sich, da Karl III. keinen Widerstand leistete. Als dieser den ostfränkischen Grafen Heinrich nach Friesland zum Seekönige Gottfried sandte, schloß sich ihm in Köln W. an, dessen ehrwürdige Persönlichkeit vorzüglich geeignet erschien, den Betrug, von dem W. ohne Zweifel keine Ahnung hatte, zu bemänteln. W. nahm an den Verhandlungen theil, die in der Nähe von Cleve gepflogen wurden, blieb aber der gewaltthätigen Ermordung Gottfried's fern, welche die Festsetzung des Raubvolkes an der Rheinmündung vereitelte.
Mehrfach nahm W. an den Synoden theil. Von den Kölner Synoden der Jahre 870 und 873 war bereits oben die Rede. Im J. 878 ward er von Papst Johann VIII. zur Synode nach Troyes geladen. Am 1. April 887 hielt er selbst eine Kölner Provinzialsynode ab. Im Juni 888 betheiligte er sich an dem ersten allgemeinen Reformconcil der deutschen Geistlichkeit unter König Arnulf, welches u. a. die sämmtlichen Privilegien der Klöster Korvei und Herford bestätigte gegen den Protest des Bischofs Egilmar von Osnabrück, der über die Entziehung des Zehnten klagte. W. war der Vorsitzende eines Gerichtes von neun Bischöfen, welches die Beschwerden des Osnabrücker Bischofs zurückwies, wogegen dieser allerdings Recurs beim Papste ergriff. Bald darauf starb W. am 11. September 889 nach 19jährigem durch die wirren Zeitverhältnisse sehr beeinträchtigten Pontificate. Im Dome fand er seine Ruhestätte.
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Literatur
Ennen, Geschichte I, 209 ff. —
Ley, Die kölnische Kirchengeschichte I, 109—111. —
Hegel, in Dtsche. Städtechron. XIV, CCXLIX ff. —
Dümmler, Geschichte d. ostfränkischen Reiches II², 292 ff.; III², 35 ff. —
Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern, S. 544 ff. (passim). -
Autor/in
Keussen. -
Zitierweise
Keussen, Hermann, "Willibert" in: Allgemeine Deutsche Biographie 43 (1898), S. 275-276 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139144919.html#adbcontent