Lebensdaten
1733 – 1803
Geburtsort
Leiden
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
österreichischer Diplomat ; Bibliothekar ; Librettist ; Musikmäzen
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118620185 | OGND | VIAF: 10035684
Namensvarianten
  • Swieten, Gottfried Bernhard Freiherr von (seit 1753)
  • Swieten, Gottfried von (bis 1753)
  • Swieten, Gottfried van
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Swieten, Gottfried Freiherr von (seit 1753), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620185.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gerard (s. 1);
    M Maria Lambertina Elisabeth Theresa ter Beek van Coesfelt; – ledig.

  • Biographie

    S. kam 1745 mit seiner Familie nach Wien und besuchte hier dank der einflußreichen Stellung seines Vaters bis 1752 die Theresianische Ritterakademie. Die Ausbildung umfaßte philosophische Studien, Rechtswissenschaften, alte Sprachen sowie eine militärische Erziehung und diente der Qualifizierung für den diplomatischen Dienst, in den S. 1755 eintrat. Erste Stationen seiner Laufbahn waren die Gesandtschaften in Brüssel (1755–57), Frankfurt (1758), Paris (1760–63) und Warschau (1763/64). In der Folgezeit unternahm er Reisen durch die Schweiz, nach Paris und England, bevor er 1770 durch Vermittlung von Hofkanzler Wenzel Anton Gf. Kaunitz zum Botschafter in Berlin bestellt wurde. Seine Aufgabe bestand vornehmlich in der Vertretung der österr. Interessen bei den Verhandlungen um die 1. poln. Teilung; dabei erhoffte man sich am österr. Hof von dem für seine literarischen und musikalischen Interessen bekannten S. auch eine Verbesserung der Beziehung zum preuß. Kg. Friedrich II.

    Über eine musikalische Ausbildung S.s sind wir nicht unterrichtet, doch sind zwei von ihm komponierte opéras comiques überliefert, die wohl aus der Pariser Zeit datieren, sowie sieben Sinfonien. In Berlin knüpfte S. Kontakte zu den literarisch-aufklärerischen Kreisen um Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn und Johann Georg Sulzer und hörte im von Nicolai mitorganisierten „Concert der Musikliebhaber“ Werke von Georg Friedrich Händel, Carl Heinrich Graun und Carl Philipp Emanuel Bach. Mit letzterem unterhielt S. einen Briefwechsel und beauftragte ihn 1773 mit der Komposition von sechs Streichersinfonien (Wotquenne 182/H 657–662). Als Subskribent der Werke C. Ph. E. Bachs und J. S. Bachs im Verlag Breitkopf & Härtel legte S. den Grundstock einer beachtlichen privaten Musiksammlung.

    1777 wurde S. nach Wien zurückberufen und trat die Nachfolge seines 1775 verstorbenen Vaters als Präfekt der ksl. Hofbibliothek an, ein Amt, das er bis zu seinem Tod innehatte. Die Bibliothek verdankt ihm wichtige Erwerbungen aus den Bibliotheken aufgelassener Klöster und den Ankauf wertvoller Kupferstiche. Zudem wirkte S. 1781–91 als Präses der Studien- und Bücherzensur-Hofkommission an der Universitäts- und Schulreform Josephs II. mit. So war beabsichtigt, auch Mädchen für den Besuch der Elementarschulen vom Schulgeld zu befreien. Für höhere Schulen wurde ein Lehrplan entworfen und an den Universitäten, deren Aufgabe vorrangig in der Ausbildung eines tauglichen Beamtennachwuchses gesehen wurde, eine Prüfungsordnung für die Staatslaufbahn eingeführt.

    Während seine politische Tätigkeit erst in jüngerer Zeit wieder Beachtung gefunden hat, sicherte S. sein umfangreiches Wirken als Musikliebhaber und -förderer, das er in Wien entfaltete, dauerhaften Ruhm in der Musikgeschichte. Seit den 1780er Jahren versammelte er namhafte Musiker in sonntäglichen Matineen in seinem Haus, bei denen Werke alter Meister, besonders C. Ph. E. Bachs, J. S. Bachs und G. F. Händels studiert wurden. Regelmäßige Teilnehmer dieser Zusammenkünfte waren Joseph Starzer, Joseph Weigl und Wolfgang Amadeus Mozart. 1786 gründete S. die „Gesellschaft der Associierten Cavaliers“, eine Konzertgesellschaft des Wiener Hochadels, für die Mozart mehrere Oratorien Händels neu bearbeitete (u. a. Acis u. Galathea, Messias, Das Alexandersfest) und auch die Privataufführungen in den Wiener Stadtpalais leitete. S. besorgte die Übersetzung der Texte aus dem Englischen ins Deutsche.

    Für Joseph Haydn, zu dem er ebenfalls langjährige Kontakte unterhielt, richtete S. 1796 den Text der Vokalfassung der „Sieben Letzten Worte“ ein, übersetzte (aus dem Englischen) und bearbeitete die Libretti zu den Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Die 1792 aufgelöste adelige „Gesellschaft der Associierten“ wurde dabei 1799 neubegründet, um Kompositionsauftrag und Uraufführung der „Jahreszeiten“ (24. 4. 1801 im Palais Schwarzenberg) zu finanzieren.

    S. genoß bei den Zeitgenossen als Musikliebhaber und -kenner hohes Ansehen: das Wiener Schriftsteller- und Künstlerlexikon von 1793 nennt S. einen „großen Kenner der Tonkunst überhaupt“, das Jahrbuch der Tonkunst rühmt ihn 1796 als „Patriarch in der Musik“. Drei seiner Sinfonien wurden 1779 in Paris als Werke Joseph Haydns gedruckt, J. N. Forkel widmete S. seine Bachbiographie, C. Ph. E. Bach seine dritte Sammlung der „Sonaten für Kenner und Liebhaber“ und Ludwig van Beethoven seine 1. Symphonie. S. war Mitglied einer Freimaurerloge und der Illuminaten. Seine umfangreiche Musikaliensammlung wurde nach seinem Tod versteigert und verstreut.

  • Auszeichnungen

    A WGR (1791);
    Kommandeur d. ungar. Stephans-Ordens.

  • Werke

    Les Talents à la mode;
    Colas toujours Colas, beide um 1760 (Ms. in d. Fürst Thurn u. Taxis Hofbibl., Regensburg);
    12 Sinfonien, davon 7 erhalten (Ms. ebd.);
    La Chercheuse d`esprit, opéra comique (verschollen);
    W-Verz.:
    MGG²;
    New Grove²;
    E. F.Schmid (s. L);
    – Eine S. zugeschriebene Diss. v. 1773 stammt v. Petrus van Swieten.

  • Quellen

    The creation and the seasons, The complete authentic sources for the word-books, forword by H. C. R. Landon, 1985.

  • Literatur

    ADB 37;
    R. Bernhardt, Aus d. Umwelt d. Wiener Klassiker, Frhr. G. v. S., in: Der Bär, Jb. v. Breitkopf & Härtel 6, 1929/30, S. 74–166 (P);
    K. Radlecker, G. v. S., Diss. Wien 1950;
    E. F. Schmid, G. v. S. als Komp., in: Mozart Jb. 1953, S. 15–31;
    D. E. Olleson, G. Baron v. S. and his influence on Haydn and Mozart, Diss. Oxford 1967;
    W. G. Wieser, Der Wiener Parnass u. d. k. k. Hofbibl. unter G. Frhr. v. S., in: FS Josef Stummvoll z. 65. Geb.tag, hg. v. J. Mayerhöfer u. W. Ritzer, 1970, S. 370–82;
    A. Holschneider, Vorwort zu: Neue Mozart-Ausg. Serie X Suppl., Werkgruppe 28, Abt. 1, Bd. 1: „Acis u. Galatea“, 1973;
    E. Wangermann, Aufklärung u. staatsbürgerl. Erziehung, G. v. S. als Reformator d. österr. Unterr.wesens 1781–1791, 1978;
    ders., G. v. S.s Berliner Gesandtschaft u. ihre Bedeutung f. Wien, in: Wien – Berlin, Stationen e. kulturellen Beziehung, hg. v. H. Grimm, 2000, S. 26–34;
    G. Busch, Kaunitzsche Diplomatie u. ihre musikal. Folgen, G. v. S. als ksl. Gesandter in Berlin (1772–77), in: Staatskanzler Wenzel Anton v. Kaunitz-Rietberg (1711–1794 (…), hg. v. G. Klingenstein u. F. A. J. Szabo, 1996, S. 324–40;
    dies., Der österr. Botschafter G. v. S., das Berliner Musikleben 1771–1777 u. d. Musik C. Ph. E. Bachs, in: Carl Philipp Emanuel Bach, Musik f. Europa, hg. v. H. G. Ottenberg, 1998, S. 108–62;
    O. Biba, in: Europas Musikgesch., Grenzen u. Öffnungen, hg. v. U. Prinz, 1999, S. 120–37;
    M. Wald, Der Rückzug d. Aufklärung in die Musik, G. v. S. in Wien, in: Das achtzehnte Jh. 33, 2009, H. 2, S. 203–20;
    K. Szczerbowska-Prusevicius, Das phil. Gedankengut d. Aufklärung in Joseph Haydns u. G. v. S.s Oratorium „Die Schöpfung“, in: Aufklärung u. Kulturtransfer in Mittel- u. Osteuropa, hg. v. A. Pufelska, 2009, S. 181–204;
    E. L. Gerber, Neues hist.-biogr. Lex. d. Tonkünstler, Nachdr. 1966, Sp. 308 f.;
    Wurzbach;
    R. Eitner, Biogr.-bibliogr. Quellenlex. d. Musiker u. Musikgelehrten;
    Personenlex. Österr.;
    Riemann;
    MGG;
    MGG²;
    New Grove²;
    Hist. Lex. Wien;
    ÖML.

  • Porträts

    S. als Praeses d. Studien- u. Bücherzensur-Hofkommission [1781–91], Kupf. v. J. E. Mansfeld, Abb. in: Bernhardt (s. L), S. 80.

  • Autor/in

    Marion Brück
  • Zitierweise

    Brück, Marion, "Swieten, Gottfried Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 731-732 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620185.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Swieten: Gottfried Freiherr v. S., Staatsmann, geboren bei Leyden in Holland im J. 1734, in Wien am 29. März 1803, war der Sohn des Gerhard Freiherrn v. S., Leibarztes der Kaiserin Maria Theresia. Er kam im J. 1745 mit seinen Eltern nach Wien und vollendete seine Studien an der neu errichteten theresianischen Ritterakademie. Auf Wunsch seines Vaters und durch dessen einflußreiche Stellung begünstigt, widmete sich Gottfried v. S. zunächst der diplomatischen Laufbahn und versah in dieser ereignißvollen Zeit die Gesandtschaftsposten in Brüssel, Paris, Warschau und Berlin. Wenige Jahre nach dem Tode seines Vaters gab er diese Laufbahn auf und wurde im J. 1777 zum Präfecten der k. k. Hofbibliothek ernannt, welche Stelle sein Vater durch drei Jahrzehnte bekleidet hatte und er selbst bis zu seinem Tode bekleidete. Sein anfängliches Streben, die Benutzung und den wissenschaftlichen Werth dieses Institutes zu fördern, scheiterte an seinem Mangel an Ausdauer bei Bewältigung der Schwierigkeiten und seinen anderweitigen, mehr künstlerischen Neigungen. Dagegen wurde die Hofbibliothek unter S. wesentlich bereichert. Er erwarb für dieselbe im J. 1780 die alte Wiener Stadtbibliothek, einst ein Bestandtheil der unter Kaiser Friedrich II. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründeten Bürgerschule, welche aus 76 Handschriften. 351 Incunabeln und 3905 Werken bestand, 1783 zahlreiche Schätze der aufgehobenen Klöster in Krain, Tirol und Steiermark, im J. 1782 kostbare Blätter Rembrandt’scher Kupferstiche aus der Bason’schen Sammlung in Paris, im J. 1784 wichtige französische Kupferstichwerke, 1786 eine zahlreiche Auswahl von Büchern und Kupferstichen aus der Sammlung des Grafen Camus de Linar, dann 10 000 gedruckte Werke aus der Sammlung des Grafen La Ballière und 1794 eine große Zahl von Kupferstichen aus der Sammlung des Fürsten de Ligne, wozu der damalige Custos der Hofbibliothek, Adam Bartsch, als Kunstforscher und Kunstkenner berühmt (s. A. D. B. II, 112), viel beigetragen haben mag. Von Kaiser Josef II. hochgeschätzt, wurde S. 1781 Präses der Studien- und Büchercensur-Hofcommission und nahm in dieser Eigenschaft auf das Schulwesen und das geistige Leben Wiens großen Einfluß. Er überwachte persönlich den Gang der Prüfungen, unterstützte aufkeimende Talente durch Ertheilung von Stipendien und half dabei selbst aus eigenem Vermögen mit. Die Wiener Dichter Blumauer, Denis, Mastalier, Reher u. A. fanden an S. einen wohlwollenden Gönner und er sicherte deren Fortkommen durch Aufnahme in den Staatsdienst. Ein leidenschaftlicher Freund der Musik, trug er durch Veranstaltung großer Productionen der Werke von Bach und Händel in seinem Hause und in den Palästen des Adels wesentlich zur Pflege classischer Vorbilder bei. In seinem Hause verkehrten Haydn und Mozart, mit welchen er bis an deren Lebensende in regem Verkehr stand. S. war es auch, welcher frühzeitig die Bedeutung Beethoven's erkannte und demselben Gelegenheit gab, sich weiter auszubilden. Als nach dem Tode Kaiser Josefs II. die bisherigen Unterrichtseinrichtungen abgeändert wurden, legte er sein Amt als Präses der Studien-Hofcommisston nieder und blieb nur noch Präfect der Hofbibliothek. S. starb unvermählt.

    • Literatur

      Wurzbach, Biographisches Lexikon XLI, 50.

  • Autor/in

    K. Weiß.
  • Zitierweise

    Weiß, Karl, "Swieten, Gottfried Freiherr von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 37 (1894), S. 271-272 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620185.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA