Lebensdaten
geboren um 1200
Geburtsort
vermutlich im Herrschaftsbereich der Herren von Trimberg (westlich von Bad Kissingen)
Beruf/Funktion
fahrender Sänger ; Spruchdichter
Konfession
jüdisch?
Normdaten
GND: 118757725 | OGND | VIAF: 19151776730018010296
Namensvarianten
  • Sueskint der Jude von Trimberg
  • Süskint von Trimberg ein Jude
  • Süßkind
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Süßkind von Trimberg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118757725.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Über S.s Herkunft, Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt. Aus dem Inhalt der erhaltenen Spruchstrophen kann man auf eine Existenz als fahrender Sänger schließen. Da S. über Familiensorgen klagt (Ton V,1), war er vermutlich verheiratet und hatte Kinder. Ein in der „Manessischen Liederhandschrift“ überliefertes Bild zeigt ihn als bärtigen Mann mit goldenem Spitzhut, der mit einem Bischof – möglicherweise Poppo III. v. Trimberg, Bischof von Würzburg (reg. 1267–71) – und zwei weiteren Personen einen Disput führt. In der „Manessischen Liederhandschrift“ (fol. 355v–356r) sind unter S.s Namen ineinem eigens abgesetzten Block 12 lyrische Spruchstrophen überliefert. Da einige unbeschriebene Seiten folgen, könnte der Schreiber Platz für weitere Strophen freigehalten haben. Metrisch-formal lassen die Strophen sich auf fünf bzw. sechs Töne verteilen (Ton I und IV sind nahezu identisch). Eine 13. Strophe in der Liederhandschrift n (n III 29; Univ.bibl. Leipzig, Rep. fol. 70a) gehört wohl zu Ton IV. Die Texte behandeln Fragen der allgemeinen Lebenslehre, wie sie in der mhdt. Spruchdichtung Mitte und Ende des 13. Jh. in vielfältiger Form auftauchen. Die drei Strophen von Ton I widmen sich Fragen des Tugendadels und Seelenheils. Gedankenfreiheit ist Thema der Strophe von Ton II. Ton III (2 Strophen) bietet neben dem Schöpferlob einen Preis der keuschen Frau. Den Umgang mit Besitz thematisieren die drei Strophen von Ton IV. Der prominenteste ist Ton V, mit einer Armutsklage in der ersten und einer Klage über Herrengeiz mit dem Judenverweis („ich will in alter juden leben mich hinnân fürwert ziehen“) in der zweiten Strophe. Ton VI besteht aus nur einer Strophe über Wolfsnatur und Falschheit. Das Thema „Minne“ wird von S. nirgendwo erwähnt. Bemerkenswert reich und geschickt ist die sprachliche Ausgestaltung mit überraschenden Vergleichen, eigentümlichen Personifikationen und Satznamen. Zu diesen Themen lassen sich z. T. parallele Formulierungen im „Renner“ des Hugo von Trimberg ( 1313) nachweisen, womit allerdings eher die Landläufigkeit der Inhalte als eine weitergehende Beziehung zwischen S. und Hugo belegt wird. Auffällig ist, daß Hugo S. in seinen Autorenreihen nicht erwähnt, obwohl er eine ausführliche Darlegung zu Unsitten im Umfeld von Juden bietet. Die offene Frage, ob S. – wie sein Name vermuten läßt – Jude war oder ob von einer selbst gewählten Rollenstilisierung eines Dichters in Verbindung mit einem sprechenden Namen auszugehen ist, wird in der Forschung immer wieder diskutiert. Zwar ist mehrfach Interesse von Juden an mhdt. Dichtung bezeugt, doch wäre S. für Deutschland in der zweiten Hälfte des 13. Jh. das einzige Beispiel, daß ein Jude aktiv als Dichter hervorgetreten ist. Die Vorstellung vom jüd. Spruchdichter regte die Schriftsteller Josef Kastein (Süsskind von Trimberg oder Die Tragödie der Heimatlosigkeit, 1934) und Friedrich Torberg (Süsskind von Trimberg, 1972) zu phantasievollen Romanbiographien an.

  • Werke

    F. H. v. d. Hagen, Minnesinger, T. 2, 1838, S. 258–60;
    C. v. Kraus, Dt. Liederdichter d. 13. Jh., Bd. 1, ²1978, S. 421–25 u. Anm. in Bd. 2, S. 513–16.

  • Literatur

    ADB 37;
    M. Spanier, in: Zs. f. d. Gesch. d. Juden in Dtld. 7, 1937, S. 138–55;
    P. Wapnewski, Ein Fremder im Kgl. Liederbuch, S. v. T., in: Kontroversen, alte u. neue, Akten d. VIII. Internat. Germanistenkongresses Göttingen 1985, Bd. 1, 1986, S. 111–25;
    ders., Der fünfte Ton d. Juden S. v. T., in: PBB 111, 1989, S. 268–84;
    M. Jahrmärker, Die Miniatur S.s v. T. in d. Maness. Liederhs., in: Euphorion 81, 1987, S. 330–46;
    Rep. d. Sangsprüche u. Meisterlieder d. 12.-16. Jh., hg. v. H. Brunner u. a., Bd. 5, 1991, S. 424–26, 626;
    E. Wenzel, „Autobiogr. Lyrik“, S. v. T., „Wâhebûf u. Nihtenvint“, in: Gedichte u. Interpretationen, MA, hg. v. H. Tervooren, 1993, S. 284–89;
    W. Frey, ich will in alter juden leben mich hinnân fürwert ziehen, Der ma. Spruchdichter S. d. Jude v. T., in: „Sluohderin“, Schlüchtern 993–1993, Mitt. d. Heimat- u. Gesch.ver. Bergwinkel e. V. Schlüchtern, Bd. 9, 1993, S. 68–87;
    D. Gerhardt, S. v. T., Berichtigungen zu e. Erinnerung, 1997 (L);
    G. Armanski, Ein jüd. Sänger im MA, S. v. T., in: Fränk. Lit.lese, Essays über Poeten zw. Main u. Donau, 1998, S. 75–93;
    R. K. Weigand, S. v. T., Ein Jude als Spruchdichter im dt. MA?, in: „Jenseits d. Grenzen“, Die Auseinandersetzung mit d. Fremde in d. dt.sprachigen Kultur, hg. v. M. Stone u. G. Sharman, 2000, S. 13–30;
    R. Bauschke, ich will in alter juden leben mich hinnân fürwert ziehen, S. v. T., Ein jüd. Autor in d. Maness. Hs., in: Juden in d. dt. Lit. d. MA, hg. v. U. Schulze, 2002, S. 61–86;
    A. Hausmann, Das Bild zu S. v. T. in d. Maness. Liederhs., in: H.-J. Schiewer u. Arthur Groos (Hg.), Kulturen d. Ms.zeitalters, 2004, S. 87–112;
    M. Przybilski, Das Bild d. jüd. Spruchdichters S. v. T., in: ders., Kulturtransfer zw. Juden u. Christen in d. dt. Lit. d. MA, 2010, S. 267–79;
    LexMA;
    Vf.-Lex. MA ² (W, L);
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    BBKL 31 (W, L).

  • Porträts

    Miniatur in d. Maness. Liederhs. (Univ.bibl. Heidelberg, cpg 848, fol. 355r).

  • Autor/in

    Rudolf Kilian Weigand
  • Zitierweise

    Weigand, Rudolf Kilian, "Süßkind von Trimberg" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 681-682 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118757725.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Süßkind von Trimberg **),Zu S. 186 oben. ein Spruchdichter aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wird in der Heidelberger Handschrift C, die allein Gedichte von ihm bringt, ausdrücklich als Jude bezeichnet. Dazu stimmt der gezierte, für deutsche Juden des Mittelalters oft belegte Name, wie das Bild der Handschrift, das dem Sänger eine ausgeprägt jüdische Physiognomie und die vorschriftsmäßige Judentracht gibt. Daß ein Spruch (V 2) den Dichter die für einen Juden seltsame Aeußerung thun läßt, er wolle in alter Juden Art mit|langem Mantel und großem Hut demüthig wandern, hat den Zweifel erweckt, ob des Autors Judenthum von dem Sammler der Handschrift nicht eben aus dieser Stelle leichtsinnig gefolgert sei. An Parallelen dazu fehlte es nicht. Da aber auch Süßkind's in jenem Spruche nicht genannter Name den Juden bezeugt, so scheint es mir richtiger, vielmehr die Echtheit des Tones anzuzweifeln, der eben jener Aeußerung wegen dem einzigen jüdischen Dichter der Handschrift zugetheilt wurde. Diese Lösung wird auch dadurch empfohlen, daß Ton V der letzte der Sammlung ist (denn Ton VI ist mit Ton II identisch) und daß er in seinem metrischen Charakter den übrigen fern steht. Hat man nun aber aus Ton V gefolgert, daß der Dichter ein armer Schlucker gewesen sei, dessen Kinder bittern Mangel litten, in dessen Hause Herr Dünnehabe und Herr Bigenot von Darbian regierten, dem sein hovelîcher sanc nichts einbrachte, so wird es vorsichtiger sein, diese biographischen Züge bei Seite zu lassen. Aus den sicher echten Gedichten ergibt sich für des Dichters Leben nichts Rechtes. Die alte Vermuthung Koch's, Süßkind's Gleichniß der Ehre als Latwerge aus fünf Pigmenten deute darauf hin, S. sei mit der Arzneikunst vertraut gewesen, wie so viele Juden der Zeit, diese erwägenswerthe Vermuthung wird abgeschwächt durch die Thatsache, daß die Latwerge als allegorisches Bild überhaupt der jüdischen Lehrweisheit geläufig war. Süßkind's mitteldeutsche Sprache stimmt durchaus, zu seiner Heimath Trimberg (bei Schweinfurt). Das Gemälde der Handschrift zeigt ihn vor einem geistlichen Herrn stehend, dessen Wappen, schwarzes Kreuz auf silbernem Grunde, am ungezwungensten sich auf Fulda deuten ließe: aber ich zweifle, ob der Bildermaler so genaue Kenntnisse von Süßkind's Verhältnissen besessen hat, daß man aus jenem Bilde etwa ein Schutzverhältniß zu Fulda für S. folgern dürfte. Datirungsversuche, die sich auf urkundliche Belege für den Namen Süßlind stützen oder den Dichter vor die gezwungene Einführung der Judentracht setzen, sind hinfällig, jene, weil der Judenname Süßkind überaus häufig ist, diese, weil sie von einer zweifelhaften Strophe ausgehn. Der poetische Charakter und die metrische Form, die sich grobe Betonungsfehler zu Schulden kommen läßt, aber sonst gute Tradition verräth, verweisen den Dichter unbedingt in die Neige des Jahrhunderts; dazu stimmt es auch, daß er von derselben Hand in C nachgetragen ist, die Frauenlob und Regenbogen einfügte.

    Es ist bekannt und oft hervorgehoben, daß die Juden der höfischen Dichtung gegenüber nicht theilnahmlos waren. Auch der Lyrik nicht. Aber als ausübender jüdischer Vertreter mittelhochdeutscher Lyrik steht S. allein; und diese immerhin culturhistorische Curiosität hat ihm eine so reiche Beachtung verschafft, wie er sie als Dichter nicht verdiente. Er ist kein origineller Kopf, hält sich durchaus in der Tradition der mittelhochdeutschen Spruchdichtung. Wüßten wir's nicht, wir würden den Juden aus seinen Sprüchen nicht herauswittern. Was jüdische Gelehrte wie Grätz, Gelbhaus und namentlich Lewin für seine speciell jüdische Bildung angeführt haben, entfernt sich kaum von den Anschauungen, die der ganzen Poesie der Zeit gemeinsam sind. Und dennoch glauben wir, einmal aufmerksam geworden, den Juden zu spüren. Seine einzige religiöse Strophe zeigt eine deistische Anschauung, die für den Juden besonders gut paßt. Als die typischen Vertreter der Weisheit erscheinen bei ihm nicht die Pfaffen, sondern Nekromanten und Propheten. Im angstvollen Gedanken an den Tod und die ungewisse Zukunft nachher fehlt ihm die freudige Zuversicht, die sich bei den christlichen Sängern meist einstellt: den Stachel des Todes fühlt er schmerzhaft voraus. Mehr noch bedeutet seine nivellirende sociale Tendenz, die den emancipationslustigen Juden verrathen könnte: der Reiche soll den Armen nicht verachten; wer adlig handelt allein ist adlig; der Adel taugt nichts, der nicht adlig thut: sonst wird das Adelkleid zum Haderlumpen. Namentlich aber fällt|eine Strophe auf, in der S. darstellt, wie die Tugend oft nur eine Folge der Nothwendigkeit ist. Da heißt's: manch Gehrender nähme gerne Wucherzinsen, ohne sich um Gott und der Menschen Fluch zu kümmern, wenn er nur das nöthige Capital besäße. Hört man da nicht den Juden, der sich und seine Stammesgenossen vor den fahrenden Sangescollegen gegen den typischen Vorwurf des Wuchers vertheidigt? Und das alte Fabelmotiv der Wolfsklage, das den Wolf jammern läßt, er müsse rauben, weil ihm ehrlicher Erwerb der Nahrung abgeschnitten sei, das gewinnt im Munde des mittelalterlichen Juden einen eigenthümlich melancholischen Nebensinn. Aber da interpretiren wir vielleicht schon herein. Ein steifes Frauenlob, eine Variation auf die Melodie 'Gedanken sind frei' wandeln gewohnte Pfade. Die Wortwahl zeigt manches Besondere; stilistisch bemerkenswerth sind die zahlreichen Bilder, namentlich die kurzen Thiergleichnisse, die für S. auch außer der Wolfsklage die Lieblingseinkleidung seiner Gedanken bilden. Saubere Technik verräth sich in der Vertheilung des Stoffes auf die Strophentheile, in der sorgfältig gegliederten Anapher. Es ist gewiß nicht unwichtig festzustellen, daß diese gute Schulung auch dem Juden zugänglich war. Wäre aber S. kein Jude, so würde er uns in der Menge der kleinen Spruchdichter eindruckslos untergehn.

    Süßkind's Gedichte stehn in von der Hagen's Minnesingern II, 258 bis 60; vgl. IV, 536—38. Unzuverlässige Uebersetzungen geben Liv. Fürst, Illustrirte Monatshefte für die Interessen des Judenthums, 1865, S. 14 (mit einer poetischen Biographie, die an grotesk geschmackloser Verhimmelung das Unglaubliche leistet) und B. Schmolcke im Magazin f. d. Litt. d. Auslandes, 1877, S. 661 f. Die Ergebnisse localer Nachforschungen, die R. M. Meyer Zeitschr. f. d. Alterthum 38, 201—4 mittheilt, schienen mir zu zweifelhaft, um sie im Texte zu verwerthen. — Ueberschätzende Darstellungen von jüdischer Seite bei Grätz, Geschichte der Juden 6, 277 ff. und Gelbhaus, Stoffe altdeutscher Poesie, S. 73 ff., vgl. ferner Creizenach, Germania 14, 127 f. und Lewin, Jüdisches Litteraturblatt 13 (1884), S. 9 fg., 13 fg., 29 fg.

  • Autor/in

    Roethe.
  • Zitierweise

    Roethe, Gustav, "Süßkind von Trimberg" in: Allgemeine Deutsche Biographie 37 (1894), S. 334-336 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118757725.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA