Lebensdaten
1690 – 1749
Geburtsort
Grünstädtel bei Schwarzenberg (Erzgebirge)
Sterbeort
Gotha
Beruf/Funktion
Musiker ; Komponist ; sächsischer Hofkapellmeister
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118618458 | OGND | VIAF: 10112575
Namensvarianten
  • Stöltzel, Gottfried Heinrich
  • Stoelzel, Gottfried Heinrich
  • Stölzel, Gottfried Heinrich
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Stölzel, Gottfried Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118618458.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1657–1718, seit 1684 Kirchenschullehrer u. Organist in G.;
    M Anna Katharina Lange (1669–1719;
    8 Geschw u. a. Christian Heinrich (1692–1764, Hofmusiker in Gera u. Gotha;
    Gera 1719 Christiana Dorothea (1694–1750), T d. Johann Knauer († 1709), Mag., Diakon in Schleiz;
    9 S (3 früh †) u. a. August Heinrich (* 1724), Kammerrat, Tranksteuereinnehmer in Altenburg, Wilhelm Friedrich (1726–83), Oberhofprediger, Konsistorialrat u. Gen.sup. in Gotha (s. ADB 36; Thür. Pfarrerbuch I, 1995), 1 T Johanna Sophia Elisabetha (* 1734);
    E Julie (1755–1805, Christian August Clodius, 1737–84, Prof. d. Logik u. d. Dichtkunst in Leipzig, Dichter, s. NDB III), Übers., Dichterin (s. Friedrichs);
    Urur-E Adolf Stölzel (s. 2); Verwandter Carl Stölzel (1826–96, o. Prof. f. techn. Chemie an d. TH München (s. BJ I, S. 415; P. Emundts-Trill, Die Privatdozenten u. Extraordinarien d. Univ. Heidelberg 1803–1880, 1997).

  • Biographie

    Nach erstem Musikunterricht durch den Vater wurde S. seit 1703 auf dem Lyzeum in Schneeberg von Christian Umblaufft und danach am Gymnasium in Gera vom gfl. Kapelldirektor Emanuel Kegel (1655–1724) musikalisch ausgebildet. Hier kam er auch erstmals mit höfischer Musik in Kontakt. 1707 immatrikulierte er sich auf Wunsch seiner Eltern an der Univ. Leipzig zum Theologiestudium. Dieses und seine lebenslange intensive Beschäftigung mit der Literatur legten den Grundstein dafür, daß S. später den weitaus größten Teil der von ihm vertonten Opern- und Kantatentexte selbst verfaßte. Schon bald nach seiner Ankunft in Leipzig trat er in das 1702 von Georg Philipp Telemann gegründete und nun unter der Leitung von Georg Melchior Hofmann (1679–1715) stehende Collegium musicum ein. Dort pflegte er z. T. über Jahrzehnte währende Bekanntschaft mit Musikern wie Johann Friedrich Fasch (1688–1758) oder Georg Pisendel (1687–1755). 1710–12 hielt sich S. in Breslau auf, wo er mit dem dortigen Collegium musicum unter vielen eigenen Werken auch seine erste Oper „Narcissus“ zur Aufführung brachte. Weitere drei Opern, 1712 und 1713 für die Naumburger Peter-Pauls-Messe komponiert, brachten ihm die finanzielle Unterstützung der Hzgn. Maria Amalia v. Sachsen-Zeitz (1670–1739) für eine Italienreise ein. Von Ende 1713 bis zum Herbst 1714 lernte er in Venedig, Florenz und Rom zahlreiche Komponisten kennen, u. a. Antonio Vivaldi (1678–1741), Francesco Gasparini (1668–1727), Alessandro Marcello (1669–1747) und Johann David Heinichen (1683–1729). Nach seiner Rückkehr wandte sich S. nach Prag, wo er drei Jahre im Umfeld von Musikliebhabern wie Ludwig Joseph Frhr. v. Hartig (1685–1735) in mannigfacher Weise musikalisch in Erscheinung trat. Anläßlich der Zweihundertjahrfeier der Reformation wurde S. 1717 nach Bayreuth zur Komposition der Kirchenmusik berufen und schuf für den dortigen Hof auch musikdramatische Werke, darunter die Oper „Diomedes“ (1718) noch während der folgenden Anstellung als Kapelldirektor am Geraer Hof (Jan. 1718–Sept. 1719). Von Gera aus bewarb er sich erfolglos nach Sondershausen, bis er Ende Nov. 1719 seine Lebensstellung als Hofkapellmeister der Herzöge von Sachsen-Gotha und Altenburg auf Schloß Friedenstein in Gotha fand.

    In diesem Amt bediente S. mit außerordentlicher Produktivität nahezu alle musikalischen Gattungen seiner Zeit und hielt die Hofkapelle mittels eines klugen Um- und Ausbaues ihres Personals und Instrumentenbestandes auf einem modernen Stand. Von Gotha aus lieferte er Werke u. a. auch an die Hofhaltungen in Sondershausen, Gera und Zerbst. Von S.s Schülern traten besonders Johannes Ringk (1717–78, Marienorganist in Berlin), Johann Gottfried Golde jun. (Hoforganist in Gotha) und Johann Christoph Rödiger (1704–65, Sänger u. Hauptkopist S.s in Sondershausen) hervor.

    S. genoß bereits zu Lebzeiten höchste Anerkennung, wurde 1739 Mitglied von Lorenz Christoph Mizlers „Correspondierender Societät der musikalischen Wissenschaften“ und stand mit zahlreichen Musikern und Musikgelehrten in brieflichem Kontakt. Ganze Jahrgänge seiner Kirchenkantaten brachten Johann Sebastian Bach in Leipzig, Johann Friedrich Fasch in Zerbst, Johann Friedrich Schweinitz in Göttingen und Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg zur Aufführung, und auch seine Passionen und Messen fanden weite Verbreitung. Stilistisch sind ital. Einflüsse unverkennbar, im Ganzen jedoch stand S. fest auf dem Boden der mitteldt. Musiktradition und handhabte auch kontrapunktische Satztechniken souverän.

  • Werke

    u. a. Kirchenmusik:1142 Kirchenkantaten in 6 einfachen Jgg. u. 5 Doppeljgg., weitere 78 Kirchenkantaten z. Passionszeit u. anderen Anlässen (davon 608 musikal., die anderen nur textl. überliefert);
    14 Missae breves, 6 Passionen (u. a. Brockes-Passion, 1725), 8 Oratorien;
    Weltl. Musik:
    16 Opern (weitestgehend verschollen);
    63 Serenaten, Singspiele u. Kantaten (28 überliefert);
    9 Instrumentalkonzerte;
    2 Sinfonien;
    14 Quadrosonaten;
    18 Triosonaten;
    Cembalopartita, in: J. S. Bach, Clavier-Büchlein vor W. F. Bach;
    Enharmon. Claviersonate, in: Musikal. Allerley, 1761;
    Schrr.:
    Pract.|Beweiß, wie aus einem (…) Canone perpetuo (…) viel u. mancherley (…) Canones perpetui à 4 zu machen seyn, 1725;
    Abh. vom Recitativ (Ms.);
    Anltg. z. musikal. Setzkunst (Ms.);
    Kurzer u. gründlicher Unterr. (Ms.);
    Autobiogr.
    ,in: J. Mattheson, Grundlage e. Ehrenpforte, 1740, S. 342–48;
    Verz. weiterer W u. Neuausgg.
    in: MGG.

  • Literatur

    ADB 36;
    R. Eitner, Biogr.-Bibliogr. Quellenlex. d. Musiker u. Musikgel., Bd. 9, 1903;
    W. Schmidt-Weiss, G. H. S. als Instrumentalkomp., 1939;
    A. Fett, Musikgesch. d. Stadt Gotha v. d. Anfängen bis z. Tode G. H. S., Diss. masch. Freiburg (Br.) 1952;
    W. Steger, G. H. S. ,Abh. vom Recitativ`, Diss. Heidelberg 1962;
    F. Hennenberg, Das Kantatenschaffen v. G. H. S., Diss. masch. Leipzig 1965, 1976 (gekürzt);
    H. Hell, Ein halbes Hundert unbek. S.Kantaten, in: Mitt. d. Staatsbibl. zu Berlin, 1993, S. 105–15;
    M.-R. Pfau, Ein unbek. Leipziger Kantatenh. aus d. J. 1735, Neues z. Thema Bach u. S., in: Bach-Jb. 94, 2008, S. 99–122;
    P. Wollny, ,Bekennen will ich seinen Namen` (…), Anmm. zu Johann Sebastian Bachs Rezeption v. Werken G. H. S.s, ebd., S. 123–58;
    Ch. Ahrens, ,Zu Gotha ist e. gute Kapelle. . .`, Aus d. Innenleben e. thür. Hofkapelle d. 18. Jh., 2009;
    MGG;
    MGG²;
    New Grove.

  • Autor/in

    Bert Siegmund
  • Zitierweise

    Siegmund, Bert, "Stölzel, Gottfried Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 391-392 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118618458.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Stölzel: Gottfried Heinrich St., ein tüchtiger Musiker der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, geboren am 13. Januar 1690 zu Grünstädtel bei Zwickau, am 27. November 1749 in Gotha. Eine Selbstbiographie, die St. Mattheson für seine Ehrenpforte sandte und die Gerber im alten Lexikon wieder abdruckt, gibt uns genaue Kunde über seinen Lebenslauf, der in Kürze folgender ist. Sein Vater war Organist und Bergmann und letzteres nährte die Familie besser als der Kirchen- und Gottesdienst. Schon früh hielt er den Sohn zur Musik an, schickte ihn um 1703 auf das Lyceum nach Schneeberg, wo er ihn beim Cantor Christ. Umlaufft unterbrachte, der ihn in alle Künste der Theorie und Praxis in der Musik einweihte. Nachdem er dann in Gera das Gymnasium besucht hatte, wo er bereits mit eigenen Compositionen hervortrat, die am gräflichen Hofe beifällig aufgenommen wurden, bezog er 1707 die Universität in Leipzig, wo er an Telemann und Hofmann Anregung und Belehrung zu weiteren Studien fand. Gegen 1710 ging er nach Breslau, erwarb sich durch Musikunterricht den nöthigen Lebensunterhalt und trat als Componist mit größeren Werken hervor, die sich des Beifalls erfreuten. Zu einer kleinen Operette „Narcissus“ schrieb er Text und Musik. Auf einer Reise nach der Heimath erhielt er in Naumburg und Gera Aufträge, einige Opern zu liefern und verfaßte deren vier, wobei er Dichter und Componist in einer Person vereinigte. In Gera wollte man ihn sogar als Capellmeister behalten, jedoch eine Reise nach Italien zog ihn so an, daß er alle Anträge ausschlug. 1713 zog er nach Italien und machte in Venedig, Florenz und Rom Bekanntschaft mit den damals berühmten Componisten Gasparini, Vivaldi, Polaroli, Buononcini u. A. Auf der Rückreise hielt er sich in Prag drei Jahre auf und trat wieder mehrfach als Operncomponist auf, erhielt dann einen Ruf nach Baireuth, trat 1719 in Gerasche Dienste und bald darauf ernannte ihn der Herzog von Gotha zu seinem Capellmeister, während er auch für den Fürst von Sondershausen übernahm, alle nöthigen Compositionen zu liefern, denn in damaliger Zeit griff man bei Musikaufführungen nicht zu alten bekannten und bewährten Werken, sondern es wurde irgend ein namhafter Componist beauftragt, die Musik dazu zu schreiben. St. bekleidete den Posten bis zu seinem Lebensende. — Da er ein Zeitgenosse Joh. Sebastian Bach's war, ist es von besonderem Interesse, die Ausdrucksweise Beider zu untersuchen. Von einem Vergleiche kann man gar nicht sprechen, denn Bach steht so einzig da, daß ihm Keiner sich auch nur von|ohngefähr nähert. Der Vergleich kann allein den instrumental und harmonisch verwendeten Mitteln gelten und hier ist allerdings eine Gleichheit vorhanden. Nur ein einziges Mal fand ich bei der Durchsicht der Werke eine melodische Verwandtschaft bei Beiden, nämlich in einem Chore aus dem Oratorium Jesus, welcher in den ersten sechs Noten des Themas genau mit der Arie Bach's „Mein gläubiges Herz“ übereinstimmt. St. ist ein sehr begabter und gut geschulter Componist, jedoch ein Kind seiner Zeit, in der er völlig aufgeht, sowol in der Form als im Ausdrucke. Das Einzige, was ihn von der großen Masse unterscheidet, sind die hübschen und melodischen Einfalle, die aber stets bald im Platten und Landläufigen sich verlieren und die hin und wieder hervortretende geschickte, contrapunktische Arbeit. Wenn er sorgsamer, prüfender und langsamer gearbeitet hätte und den Beifall des großen Haufens und der hohen Herren, die damals der Kunst die Wege wiesen, verschmähte, so konnte er bei seiner Begabung Hervorragenderes leisten. Ueberall trifft man Stellen, die man bewundert, doch weit öfter geht er ausgetretene Wege und verschmäht nicht den billigsten Contrapunkt. Er schrieb z. B. eine „Missa canonica“ (Kyrie und Gloria) für 13 „reelle“ Stimmen: 8 Singstimmen, 2 Violinen, 2 Bratschen und Baß (gedruckt bei Steiner in Wien; königl. Bibl. Berlin), und man bewundert seine technische Fertigkeit in der Behandlung des Canons, dessen er sich mit einer Leichtigkeit und Gewandtheit bedient, wie der größte Contrapunktiker. Dabei klingt der Sah vortrefflich, ist voller Leben und Abwechslung. Ein 4stimmiges Miserere mit Streichinstrumenten (Ms. 21405ª; königl. Bibl. Berlin) dagegen, welches aus Chören, Arien und Duetten besteht, ist wieder sehr oberflächlich behandelt, nur die Fuge ist trefflich und das Gegenmotiv geschickt benutzt, doch glaube man nicht den hohen Bach’schen Ernst, oder Händel's feurig dramatische Chöre zu finden. Stölzel's Instrumentation ist wie bei seinen Zeitgenossen einfach und beschränkt sich außer dem Baß bei den Arien meist nur auf 1 Instrument, doch finden sich auch wieder Sätze, wo er recht voll und wirkungsvoll instrumentirt und durch Imitationen den Eindruck erhöht. Auch im theoretischen Fache hat er mehrere Arbeiten hinterlassen; die eine über den „Canon perpetuus“ ist gedruckt ohne Ort, 1725, nur mit G. H. S. gezeichnet (Bibl. Berlin, auch im Ms., kl. Fol., 19 S.), eine andere im Ms., ebendort: „Anleitung zur musikalischen Setzkunst“ und eine dritte im Ms. „Unterricht im Contrapuncto simpliciter mit 4 Stimmen“ (ebendort). Seine Compositionen findet man in großer Menge auf den Bibliotheken in Berlin, Sondershausen (342 Kirchencantaten und 11 weltliche), im Archiv der Thomasschule in Leipzig, auf der Staatsbibliothek in München, in Königsberg und der Bibliothek des Joachimsthalschen Gymnasiums, auf der sich auch einige Sonaten und Trios, sowie auch in Upsala, befinden. Eine Cantate für eine Sopranstimme mit begleitendem Generalbaß, der ausgesetzt ist, habe ich als Beilage in den Monatsheften XVI, 17 veröffentlicht; sie gibt eine Einsicht in die hübsche Erfindungsgabe Stölzel's. Erwähnenswerth ist noch, daß selbst J. Seb. Bach in das „Clavierbüchlein vor Friedemann Bach“ eine Suite von St. aufgenommen hat. (Spitta's Seb. Bach I, 663, N. 13.)

  • Autor/in

    Rob. Eitner.
  • Zitierweise

    Eitner, Robert, "Stölzel, Gottfried Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 429-430 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118618458.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA