Lebensdaten
erwähnt 1424 oder 1430
Beruf/Funktion
Dichter ; Märendichter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118609181 | OGND | VIAF: 22934455
Namensvarianten
  • der Schmieher
  • Schmieher, Heinrich
  • Schmier, Heinrich
  • mehr

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Zitierweise

Schmieher, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118609181.html [20.04.2024].

CC0

  • Biographie

    S.s Name leitet sich wohl von dem südlich von Augsburg gelegenen Ort Schmiechen her; vermutlich ist S. identisch mit dem 1424-30 in Augsburger Steuerlisten vermerkten, gleichnamigen praeceptor, der vielleicht in einer zur Abtei Kaisheim gehörigen Schule am Judenberg unterrichtete. Dazu fügt sich, daß die S. aufgrund der Verfassersignatur zugeschriebenen, vorwiegend ostschwäb. Handschriften mit überlieferten Reimpaardichtungen, die die Kenntnis der Gedichte Heinrichs des Teichners verraten, nur in der ersten Hälfte des 15. Jh. entstanden sein können, da zwei von ihnen bereits in das 1454 geschriebene „Augsburger Liederbuch“ (München, Bayer. Staatsbibl., Cgm 379) aufgenommen wurden.

    Für fünf zuweilen auch unter anderen Namen (der Teichner, Hans Rosenplüt) überlieferte Texte ist die Autorschaft S.s sicher; bei einem sechsten ist er als Bearbeiter einer älteren Vorlage anzunehmen. Die Schwankmäre „Die Nonne im Bad“ (160 Verse, 2 Hss.) spielt mit der Doppeldeutigkeit des Verbs „reiben“ („massieren“, „beischlafen“) und handelt von sexuellen Beziehungen zwischen einem Mönch und den Nonnen eines Frauenklosters. Der in vier divergierenden Fassungen tradierte „Student von Prag“ (90-124 Verse, 5 erhaltene, 2 verschollene Hss.) variiert das Schwankthema der jeden Mann besiegenden Frauenlist: Anstelle der eingeschlafenen Frau, der ein Prager Student angeboten hatte, sie in der Nacht achtmal zu minnen, läßt der Ehemann im Gewand der Gattin den Liebhaber ins Haus und versteckt ihn in einer Kiste, um am Morgen seine Frau der Untreue zu überführen. Die beiden Fassungen der „Wolfsklage“ (178 bzw. 232 Verse, 11 Hss., 1 Druck) variieren als didaktische Rede die schon bei Fredegar und Egbert von Lüttich behandelte und noch im 16. Jh. von Johannes Agricola und Hans Sachs rezipierte Fabel vom Wolf. Seine Nahrungssuche wird dem rücksichtlosen Treiben der Kaufleute, Adeligen und Geistlichen gleichgesetzt. In der weltlichen Fassung (178 Verse) billigt der Autorkommentar die Klage des Wolfs, von allen gehaßt zu werden. Das Epimythion der erweiterten geistlichen Fassung (232 Verse) empfiehlt Gottes Hilfe als Rettung vor dem „hellischen wolff'. Die weltlich-didaktische Rede „Vom Würfelspiel“ (150 Verse, 1 Hs.) verweist auf die verhängnisvollen Folgen der Spielleidenschaft, während die Rede „Von Neidhart“ (140 Verse, 1 Hs.) die Dichterfigur Neidhart als Personifikation des an Einzelbeispielen exemplifizierten Neides vorführt. Als Redaktor hat S. die Lobrede „Von der Kuh“ des Königs vom Odenwald, stark in die Vorlage eingreifend, bearbeitet (2 Fassungen: 150 bzw. 48 Verse, 2 Hss.). Trotz des Fehlens geistlicher Texte repräsentiert S. mit dem charakteristischen Nebeneinander von didaktischer und erzählender Kleindichtung (mit deutlich erotischer Komponente) den über ein gewisses Maß an Gelehrsamkeit und literarischer Bildung verfügenden, aus niederem Stadtbürgertum stammenden Autortyp Heinrich Kaufringers. Sein Werk wurde bis ins 16. Jh. rezipiert.

  • Werke

    Die dt. Märendichtung d. 15. Jh., hg. v. H. Fischer, 1966, S. 89-98 (Der Student v. Prag, Die Nonne im Bad);
    J. E. Tailby, Der Reimpaardichter P. S., 1978 (alle W).

  • Literatur

    ADB 32;
    H. Fischer, Stud. z., dt. Marendichtung, 2. Aufl. bearb. v. J. Janota, 1983, S. 171-74, 394 f.;
    F. Frosch-Freiburg, Schwankmären u. Fabliaux, 1971, S. 145-60;
    H. -J. Ziegeler, Erzählen im Spät-MA, 1985, passim;
    S. Westphal-Wihl, ‚Vergesellschaftung' in Mären, P. S.s „Der Student v. Prag“, in: Modern Language Notes 101, 1986, H. 3, S. 670-94;
    Augsburger Stadtlex.;
    Vf.-Lex. d. MA² (L);
    Kosch,Lit.-Lex.³ (L).

  • Autor/in

    Norbert H. Ott
  • Zitierweise

    Ott, Norbert H., "Schmieher" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 229 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118609181.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schmieher (Smiher): Reimpaardichter des 15. Jahrhunderts. Ueber seine Lebensverhältnisse weiß ich nichts zu sagen, als daß er seiner Mundart nach aus Schwaben stammen muß. Die Handschriften, in denen seine Gedichte zerstreut sind, nennen ihn meist ohne Vornamen: „der S."; in zwei Münchner Hss. heißt er „Peter S."; in der ganz unzuverlässigen jüngeren Bearbeitung seiner Wolfsklage „Heinrich S.“ (auch Heinrich Schmier, Schnur, Sunherr, lauter Entstellungen des echten Namens). Im Drucke des „Neidhart", der durch die Uebereinstimmungen mit dem zweifellos ihm gehörigen Spruche vom Spiel als sein Eigenthum feststeht, wird er „der Smeber“ genannt. Dagegen ist es fraglich, ob ihn die Schlußworte eines Lobspruchs auf die Kuh meinen, die lauten: „also redet der Schüber.“ Dafür spricht, daß genau dieselbe oder eine ganz ähnliche Formel sämmtliche echten Schmieher’schen Gedichte beschließt, daß eins derselben in der Hs. (Cgm. 5919) unmittelbar vorher geht. Jene Schlußformel verliert aber dadurch an Beweiskraft, daß sie lediglich den damals in Schwaben und Nürnberg viel gelesenen Teichner copirt und auch bei andern Dichtern der Zeit und Gegend nicht ganz fehlt; und ein innerer Beweis ist nicht zu führen, da jenes Lobgedicht ganz ungenirt den bekannten Spruch des|Königs vom Odenwald über die Kuh (Germ. 23, 292) theils verkürzt ausschreibt, theils ergänzt, indem es auch das Kalb behandelt; immerhin ist es bemerkenswerth, daß der für S. besonders charakteristische Dialektreim â: ou (krâmen: zoumen) sich gerade in den wenigen Zusatzversen findet. Noch manche Schmieher’sche Sprüche mögen unerkannt oder unbekannt in den Handschriften verborgen liegen.

    Ueberraschend sauber ist der Versbau und trotz einigen Spuren der Mundart auch die Reimtechnik Schmieher's. Seine klingenden Verse sind noch eben so oft dreihebig wie vierhebig, und störend überladene Verse treten nur als seltene Ausnahmen auf. Das erklärt sich einmal daraus, daß der Dichter in der mhd. Litteratur des 14. Jahrhunderts, zumal in den Reimen des Teichners, wohl bewandert war; dann aber mag, was bei dem Spruch von der Kuh feststeht, auch bei andern Schmieher’schen Gedichten der Fall sein, daß nämlich ein älterer mhd. Spruch zu Grunde liegt; ich denke dabei zumal an die Wolfsklage, Schmieher's beliebteste und verbreitetste Dichtung, die dem berühmten Schnepperer (s. Rosenplüt) beigelegt wurde und in bearbeiteter Gestalt noch in Agricola's Sprichwörtern citirt wird; auch Christ. Auer's Wolfsklage ist nichts als ein Gemisch aus der Bearbeitung und der echten Fassung der Schmieher’schen Reimerei.

    Es mag mit dieser gemuthmaßten Unselbständigkeit Schmieher's zusammenhängen, daß seine dichterische Persönlichkeit so gar nichts Greifbares und Constantes hat. Sein Spruch vom „Neidhart“ weist trocken den neidischen Sinn in allen Ständen auf und mahnt davon ab; an den Dichter Neidhart, den S. nur in der carikirten Fortbildung der pseudoneidhart’schen Gedichte kennt, knüpft lediglich die Einleitung an; der im Drucke nach einer Zeichnung des illustrirten Volksbuchs von Neidhart Fuchs hinzugefügte Holzschnitt (bezüglich auf das Gedicht in Haupt's Ausgabe XXX) hat mit Schmiehers Reimen nichts zu schaffen. Aehnlich, wie der „Neidhart“ vor dem Neide, warnt der überaus wirre und durch eine ungeschickte Anapher nicht gehobene Spruch „vom Spiel“ vor dem Würfel und seinen Folgen. In beiden Gedichten ist der Teichner Vorbild. Ganz andrer Art ist schon jene Klage des Wolfs, die die Leiden des hungernden verfolgten Thiers in anschaulichen Detailbildern abschildert, ohne die aus dem beliebten Thema leicht herauswachsenden satirisch-didaktischen Motive stark zu betonen. Und wieder eine andre Gruppe bilden die kurze, reizlos erzählte Geschichte vom Studenten zu Prag, eine komische Ehebruchsanekdote, und die widerliche, breitgetretne und konfuse Zote „vom Reiben,“ die S. zwischen Mönch und Nonnen sich abspielen läßt. Daß dies unerquicklichste Gebiet Schmieher’scher Dichtung am sichersten seinen und seiner Zeit unverfälschten Charakter wiedergibt, ist leider nicht zu bezweifeln.

    • Literatur

      Gedichte Schmieher's sind gedruckt in A. v. Keller's „Erzählungen aus altdeutschen Handschriften“ (Stuttg. lit. Ver. 35) S. 306 ff. und in Wagner's „Archiv f. d. Geschichte deutscher Sprache und Dichtung“ 1, 389 ff.; ferner vgl. Weimarer Papierhs. 145, Bl. 31 a; Cgm. 379. Bl. 108 a; Cgm. 1020, Bl. 52 a; Cgm. 5919, Bl. 216 b; Einblattdruck der Gothaer Bibl. 90. Das Material hat Wendeler in Wagner's Archiv 1, 388 fg., 402—411, umsichtig und gelehrt gesammelt, aber nicht richtig verwerthet.

  • Autor/in

    Roethe.
  • Zitierweise

    Roethe, Gustav, "Schmieher" in: Allgemeine Deutsche Biographie (), S. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118609181.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schnur: Heinrich S. heißt in Agrikola's „Deutschen Sprichwörtern“ von 1529 der Dichter einer Wolfsklage, die man lange für verloren hielt. Einige Verse, die Agrikola aus Schnur's Gedichte anführt, beweisen indessen, daß H. Schnur Druckfehler ist für H. Schmier, einen Namen, der seinerseits aus Schmieher (s. oben S. 30) entstellt worden war; Schmieher's Wolfsklage aber ist bekannt.

    • Literatur

      Wagner's Archiv für die Gesch. deutscher Sprache u. Dichtung I, 414 ff.

  • Autor/in

    Roethe.
  • Zitierweise

    CC-BY-NC-SA