Lebensdaten
1506 oder 1507 – 1557
Geburtsort
Ossa bei Borna (Sachsen)
Beruf/Funktion
Jurist ; sächsischer Kanzler ; Staatsmann
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 128549084 | OGND | VIAF: 22204806
Namensvarianten
  • Ossa, Melchior von
  • Osse, Melchior von
  • Ossa, Melchior von
  • mehr

Porträt(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Osse, Melchior von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd128549084.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus sächs. Ministerialengeschl.; Eltern unbek.;
    ⚭ Crispine v. Dobeneck ( 1564), V d. Hiob v. Dobeneck (um 1450–1521), Bf. v. Pomesanien (s. NDB IV).

  • Biographie

    Bereits 1518 wurde O. an der Univ. Leipzig eingeschrieben, legte 1534 sein Examen ab und erhielt unmittelbar im Anschluß daran eine Codex-Professur und die Ernennung zum Rat der sächs. Herzöge der albertin. Linie. Da sich seine Hoffnung auf Ernennung zum Kanzler bei Regierungsantritt von Hzg. Moritz 1541 nicht erfüllte, wechselte O. 1542 als Kanzler in den Dienst der ernestin. Linie, wurde aber schon 1545 vom Kurfürsten wegen persönlicher Gegensätze und wegen seines Festhaltens am Katholizismus entlassen. Nach einem Zwischenspiel im Dienste verschiedener Herren begegnet O. 1547 wieder als Hofrichter und „Rat von Hause aus“ der albertin. Linie am neu eingerichteten Oberhofgericht in Leipzig, wo er wertvolle Arbeit leistete, u. a. beim Entwurf der Oberhofgerichtsordnung von 1548. Zusätzlich übernahm O. 1549 nach geschickt betriebenen Verhandlungen gegen eine hohe Besoldung die mit großen Befugnissen versehenen Ämter eines Statthalters von Meiningen und eines Hofrichters der Grafen von Henneberg. Daraus ergab sich aber ein Loyalitätskonflikt, der 1553 zunächst zur Entlassung O.s aus sächs. und 1554 auch aus henneberg. Diensten führte. So waren alle Anläufe zu einer wirklich großen Karriere gescheitert. O. bot das Bild eines eher hausväterlichen, ängstlich doktrinären, buchstabengläubigen Juristen konservativen Zuschnitts, dabei vertrauenswürdig, schlicht und persönlich fromm. Im Kontrast dazu erkämpfte er sich mit zäher Skrupellosigkeit Ämter, die ihm Einfluß, Macht und Geld verschaffen sollten, denen er aber letztlich nie ganz gewachsen war.

    Die von O. hinterlassenen Schriften sind eine höchst wertvolle Quelle von Informationen über den frühneuzeitlichen Territorialstaat. Das gilt insbesondere für sein „Politisches Testament“, eine zu einem Handbuch des rechten Regierens ausgebaute Denkschrift, um die ihn vermutlich Kf. August 1553 im Zusammenhang mit seinen Plänen für die Reform des Rechtswesens gebeten hatte und die als das „erste kameralistische Dokument überhaupt“ betrachtet wird. Die Schrift wurde 1717, von Christian Thomasius mit Anmerkungen versehen, erneut herausgegeben. O. schildert hier vier Klugheitslehren einer „gottseeligen, weißlichen, vernünfftigen und rechtmäßigen Regierung und Justitien“, nämlich die „Prudentia militaris, singularis, oeconomica und regnativa“, sowie als konkretes „Exempel“ die „Policey“ Sachsens. In Bezug auf Ökonomie und Finanzen betrachtet O. den Staat noch wie einen großen Gutshof, dem der Fürst als Paterfamilias vorstand; Justiz und die hochpolitischen Angelegenheiten sind bereits aus der allgemeinen Verwaltung ausgegliedert. Die hohe Politik ist dem Geheimen Rat vorbehalten. In der Rechtspflege ist zu beobachten, wie die „Doctores“ die unstudierten Beisitzer im Schöppenstuhl verdrängen. In Studium und Praxis verteidigt O. das im Stile des mos italicus gelehrte und gelernte Röm. Recht gegen die neuen, aus Frankreich kommenden humanistischen Strömungen. Bei der Erörterung der Aufgaben der „Policey“ ist eine Erweiterung auf staatsbürgerliche und wirtschaftsgesellschaftliche Fragestellungen zu beobachten. O. ist einer der ersten Autoren, die ein geschlossenes Bild der Regierungstätigkeit beschreiben, die Bevölkerungspolitik, Wirtschaft, Erziehungswesen, Militär, Justiz und innere Verwaltung (Policey) zum Gegenstand hat.

  • Werke

    Pol. Testament… Auf begern S. Churf. Gn. geschriben 1555 mense decembri (Hs., in mehreren Abschrr. erhalten);
    De prudentia regnativa [T. III d. Testaments], Frankfurt/M. 1607, Wolfenbüttel ²1622 (Übers. v. C. Pistoris, Frankfurt/M. 1609;
    mit Anm. v. Ch. Thomasius, Halle 1717).

  • Literatur

    ADB 24;
    O. A. Hecker, Schrr. Dr. O.s, Mit e. Lebensabriß u. e. Anhange v. Briefen u. Akten, 1922;
    E. Dittrich, Die dt. u. österr. Kameralisten, 1974, S. 40-42;
    K. Luig, in: HRG (W, L);
    H. Maier, Die ältere dt. Staats- u. Verw.lehre, ²1980, S. 113-19;
    M. Stolleis, Gesch. d. öff. Rechts in Dtld., I, 1988, S. 346-49.

  • Autor/in

    Klaus Luig
  • Zitierweise

    Luig, Klaus, "Osse, Melchior von" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 609-610 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128549084.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Osse: Melchior v. O. (Ossa) — er selbst schreibt sich stets Osse —, der Rechte Doctor, hervorragender Jurist und bedeutender Staatsmann. Ueber ihn veröffentlichte 1858 v. Langenn eine Monographie, welche im Wesentlichen nur auf das sogenannte Osse’sche Handelsbuch, d. i. Tagebuch (von 1541 bis 1555) gestützt ist und einen Ueberblick über dessen sogenanntes Testament, eine die gesammte Staatsverwaltung berücksichtigende Denkschrift, giebt. Insbesondere ist zu bedauern, daß v. Langenn bei seiner Arbeit nicht die im königlich sächsischen Hauptstaatsarchive über Osse vorhandenen Nachrichten mit verwerthet hat. — v. O. wurde nach Köhlers Abbildung der 1543 auf ihn geprägten Denkmünze 1506 (Jöcher: 1494) zu Ossa bei Geithain i. S. geboren. Die Familie ist längst ausgestorben. — Osses Vater hieß Balthasar, seiner Mutter Name hat sich nicht ermitteln lassen. Mit der erwähnten Denkmünze ist uns v. Osses Portrat und sein Wappen überliefert worden. Eine dem Jahre 1551 angehörende Stelle des Handelsbuches (S. 154), welche v. Langenn nicht berücksichtigt hat, nennt aus seiner engeren Familie folgende Glieder: Crispine, geb. v. Dobeneck, sein „liebes Weib“, mit welchem er sich 1535 verheirathet zu haben scheint (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv: Cop. 93, 111) und welche ihn sieben Jahre überlebte, seine beiden Söhne, Michael Friedrich, welcher schon 1571|als verstorben erwähnt wird (ebenda: Geneal. v. Osse Bl. ††) und Melchior auf Frauenfels bei Altenburg. Töchter Osses lebten damals folgende fünf: Sibylle O., Gemahlin Georgs v. Todtleuben (auf Buch), Eva, Ursula, Gemahlin Hans Georgs v. Luchau zum Hartis, früher Hofdienerin der Gräfin von Schwarzburg-Rudolstadt, Anna Brigitta und Amalia (vgl. auch v. Langenn a. a. O. S. 199, 61, 128, 130). v. O. starb auf Frauenfels am 8. April 1557 Abends 10 Uhr und wurde in der Familiengruft zu Ossa beigesetzt. Er war ein überaus gelehrter, gewissenhafter und fleißiger, ehrlicher, milder und dazu ein sehr frommer Mann. Nachdem er zu Leipzig die Rechte studirt hatte, nahm er Kriegsdienste, erwarb 1534 die juristische Doctorwürde an der Hochschule zu Leipzig, wo er alsbald mehrere Jahre um sechzig alte Schocke die vornehmste Lectur in den kaiserlichen Rechten vertrat. 1537 wird er bei Zarncke (Acta rectorum Lips. 1859, S. 91, vgl. S. 130) als consiliarius Misnensis erwähnt, er blieb Herzog Georgs Rath bis zu dessen Tode. 1541 schrieb Herzog Moritz vertraulich an ihn, er werde sein nicht vergessen, habe er nur erst die Regierung, dann solle v. O. mit ihm auf den Reichstag ziehen (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv: Etliche etc. Loc. 9667 Bl. 1). Noch in demselben Jahre kam er in Moritz' Dienste, derselbe entließ ihn aber schon 1542 auf wiederholtes Bitten des Kurfürsten Johann Friedrich, dessen Kanzler v. O. auf sechs Jahre gegen hohes Entgelt wurde. 1545 gab er auch diese Stellung wieder auf, da er viele gehässige Gegner hatte, ging nach Leipzig, wo er mit Muße den Studien oblag, manches Amt inzwischen ausschlagend. Später zog er nach Meiningen, von wo aus er besonders dem Grafen Wilhelm von Henneberg diente, 1549 auch eine Verwaltungsstelle bei demselben annahm und fortan auf dem Schlosse Schleusingen wohnte. Schon 1547 ernannte ihn Kurfürst Moritz zu seinem Hofrichter in Leipzig (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv Loc. 10 041 Churf. Moritzen etc. 1547/48 Bl. 5, Instruct. v. 7. Aug. 1547, nicht erst 1553, wie vielfach behauptet worden ist), er wartete seines Amtes, von Schleusingen aus die einzelnen Hofgerichtstage besuchend. Den auf die Bestellung Moritz' bezüglichen Revers v. Osses, d. d. Chemnitz, den 6. September 1549 besitzt das königliche Hauptstaatsarchiv: Rep. LII Gen. 1918a Bl. 27b ff. 1550 besuchte er für Moritz den Reichstag zu Augsburg und wurde damals kaiserlicher Rath. Kriegsrath ist er nie gewesen. Die liebste Thätigkeit war v. O. die richterliche. Er verblieb in derselben bis 1555, oft von Krankheit befallen, zog sich dann auf sein Gut Frauenfels zurück und verfaßte dort sein berühmtes „Testament“, über dessen Entstehungsgeschichte, dessen Manuscript, Abschriften davon und über v. Osses guten Ruf in Kursachsen ich kürzlich im Neuen Archive für die sächsische Geschichte VII, 153 ff. Einiges mitgetheilt habe und hier nur dazu nachtrage, daß auch die Universitätsbibliothek zu Leipzig eine 1579 gefertigte Abschrift dieses Testaments besitzt. Groß ist der schriftliche Nachlaß v. Osses (man vergleiche die von mir in dem angezogenen Neuen Archive VII, 154 Anmerkung 26 citirten Acten, über deren Verbleib bisher jedoch noch nichts ermittelt werden konnte). Vor Allem dürfte es sich empfehlen, einmal das v. Osse’sche Handelsbuch (königliche öffentliche Bibliothek MS. R. 1) wörtlich herauszugeben, dasselbe ist keineswegs so unleserlich geschrieben, wie nach v. Langenns Mittheilung zu vermuthen ist. Weitere Schriften v. Osses erwähnt v. Langenn (S. 111), insbesondere (S. 127) einen Tractat über die Natur der Contracte. Von dem „Testament“ erschien 1607 und 1622 ein Theil, 1609 derselbe in Uebersetzung von Casp. Pistoris, im Druck, die vollständige Herausgabe desselben verdanken wir Christian Thomasius (1717), von welcher die königliche öffentliche Bibliothek zu Dresden (Polit. 466) auch einen Abdruck mit vielen theilweise beachtungswerthen Randbemerkungen besitzt.

    • Literatur

      Außer der gelegentlich angezogenen Litteratur vgl. m. die Vorrede, die v. Osse’sche Zuschrift und die Anmerkungen Thomasius' in der erwähnten Testamentsausgabe. — Köhler, Münzbelustigung, Thl. XV, 1743, S. 193 ff. —
      Kneschke, N. allg. dtsch. Adelslexikon VII, 1867, S. 1. —
      Zedler; das bei Jöcher zuletzt angezogene Bedencken dürfte mit dem „Testament“ identisch sein. —
      Stobbe, Gesch. d. dtsch. Rechtsquellen II, 1864, S. 26 ff. (Nr. 47), 56 ff. —
      Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft etc., 1876 (vgl. d. Register). —
      Flathe, Gesch. v. Sachsen J. 1867. S. 520. 578; II, 1870. S. 60, 89. —
      Stintzing, Gesch. d. dtsch. Rechtswissensch. I, 1880, S. 74 (vgl. Register). —
      Friedberg, Colleg. jurid. Lips. 1882, S. 104, —
      meinen kürzlich (Bd. VII S. 89 flgd. der Zeitschr. der Savignystiftung) erschienenen Aufsatz über den Leipziger Schöffenstuhl (I), insbes. S. 103 flgde. — M. s. über seine politische Thätigkeit auch die Register in v. Langenns Christoph v. Carlowitz und Moritz v. Sachsen, in v. Webers u. im Neuen Archive f. d. sächs. Gesch., in v. Druffels Briefen und Acten etc. und alle sonst über die fragliche Zeit erschienenen einschlagenden Geschichtswerke, sowie die an den fraglichen Orten angezogene Literatur.

    • Korrektur

      S. 498. Z. 16 v. o.: Ueber v. Osse als Staatswirth s. v. Weber's Archiv f. die Sächs. Gesch. Bd. I, 364 ff. D.

  • Autor/in

    Theodor Distel.
  • Zitierweise

    Distel, Theodor, "Osse, Melchior von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 24 (1887), S. 496-498 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128549084.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA