Lebensdaten
1846 – 1919
Geburtsort
Schlawe (Pommern)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Historiker ; Journalist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118579975 | OGND | VIAF: 4145857773523020185
Namensvarianten
  • Mehring, Franz
  • Mehring, F.
  • Mehring, Fr.
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Zitierweise

Mehring, Franz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118579975.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Pfarrer- u. Juristenfam.;
    V Carl Wilhelm, ehem. preuß. Offz., Kreissteuereinnehmer;
    M Henriette Schulze;
    Gmv N. N. v. Zitzewitz;
    Stendal 1884 Eva Anna Charlotte (1858–1928), T d. Kreisgerichtsrats Rudolf Schirmeister.

  • Biographie

    Aus einem streng protestantischen und preußentreuen Elternhaus stammend, legte|M. 1866 am Gymnasium zu Greiffenberg in Pommern das Abitur ab und studierte anschließend in Leipzig Klassische Philologie. Wahrscheinlich kam es in dieser Zeit zu einer ersten Begegnung mit der Bewegung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht durch Kontakte mit der Sächs. Volkspartei. Nach dem Wechsel an die Univ. Berlin 1868 trat M. in die Redaktion der Berliner Tageszeitung „Die Zukunft“ ein, des Blattes der radikalen bürgerlichen demokratischen Bewegung in Preußen. Von ihrem Gründer Johann Jacoby und dem Redakteur Guido Weiß übernahm M. die Vorstellungen der Selbstemanzipation des Menschen und der Verbindung von Demokratie und Sozialreform. Er konnte bald sein glänzendes journalistisches Talent unter Beweis stellen. Indessen wandelte sich M.s politische Orientierung in dieser Zeit mehrfach. Der Anlaß für seine Sinnesänderungen lag in einer Mischung von sachlichen und persönlichen Differenzen, die durch die persönliche Empfindlichkeit M.s begünstigt wurde. So entfernte er sich seit 1871 kurzzeitig von den Demokraten, deren Einstellung zum deutsch-französischen Krieg er nicht teilte. Er berichtete u. a. für das Oldenberg’sche Korrespondenzbüro über Reichstags- und Landtagssitzungen und profilierte sich als Parlamentsreporter. 1874/75 arbeitete er für die „Frankfurter Zeitung“ und „Die Wage“ des demokratischen Politikers Leopold Sonnemann. Er verteidigte die Arbeiterbewegung gegen reaktionäre Übergriffe; seine historischen und literaturkritischen Arbeiten lassen den Einfluß Lassalles erkennen. Den publizistischen Kulminationspunkt dieser Zeit bildet M.s 1875 anonym erschienene Schrift „Herr von Treitschke der Sozialistentödter“. Danach entfremdete eine auch vor Gericht geführte Auseinandersetzung mit Sonnemann über dessen Geschäftsgebaren M. der demokratischen Bewegung und auch der Sozialdemokratie, die nicht von Sonnemann abrückte. Persönlich verletzt, bekämpfte M. nun die politische Linke und veröffentlichte das scharf antisozialistische Buch „Die deutsche Sozialdemokratie, ihre Geschichte und ihre Lehre“ (1877, ³1879). 1879/80 schrieb er sogar für Treitschkes „Preußische Jahrbücher“ eine Artikelserie über die Pariser Kommune. In dieser Zeit las er erstmals Schriften von Karl Marx.

    Die Aneignung Marxschen Gedankenguts, Empörung über die rigorose Handhabung des Sozialistengesetzes und die Erkenntnis, daß eine Sozialreform „von oben“ im Stile Bismarcks keine wirkliche soziale Befreiung bringen würde, gehören zu den Ursachen, die um 1882 M.s Wiederannäherung an die bürgerliche Demokratiebewegung einleiteten. Seit 1884 Leitartikler der liberalen Berliner „Volks-Zeitung“, wurde M. der entschiedenste Gegner des Sozialistengesetzes im bürgerlichen Lager. Seit 1887 in freundschaftlicher Beziehung zu Bebel und W. Liebknecht, isolierte er sich bis 1890 durch seine sich wandelnde politische Orientierung gegenüber den Herausgebern der Zeitung. Anläßlich einer Fehde mit dem Dramatiker und Theaterkritiker Paul Lindau, in der er die korruptionsähnliche Verfilzung von Theater und Presse nachwies, überwarf M. sich endgültig mit der bürgerlichen Presse. 1891 trat er der SPD bei. Als Leitartikler der Wochenzeitung „Neue Zeit“ (1891-1912), Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“ (1902-07) und Verfasser von Beiträgen für den „Vorwärts“ und den „Wahren Jacob“ wurde M. einer der hervorragendsten Journalisten der Sozialdemokratie. Daneben gab er, konsequent auf dem Standpunkt des historischen Materialismus, in seiner „Lessing-Legende“ (1893) – einer kritischen Zergliederung der bürgerlichen Geschichtslegende über die Rolle der Hohenzollern – eine für die deutsche Geschichtswissenschaft völlig neue Deutung der Entstehung des brandenburg.-preuß. Staates. 1898 veröffentlichte er den ersten Band seiner „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“, in die sein eigenes Erleben und frühe Studien zum selben Thema eingingen. Dieses Werk war eine Pioniertat in der Erforschung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und prägte deren historisches Selbstverständnis, insbesondere in der Verehrung Lassalles, entscheidend. Unter M.s herausgeberischer Tätigkeit dieser Jahre ragt die Ausgabe „Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle“ (1902) hervor. 1910 veröffentlichte M. eine „Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters“. Mit einer seit 1885 geplanten Marx-Biographie – „Karl Marx, Geschichte seines Lebens“ – schloß M. 1918 sein historisches Werk ab.

    Durch seine Schriften und seine Redakteurstätigkeit, als Vorsitzender der „Freien Volksbühne“ Berlin (1892–95) und als Lehrer an der Parteischule (1906–10) übte M. großen Einfluß auf das geistige Leben der Partei aus. In der großen parteiinternen Auseinandersetzung um den Revisionismus stand er auf dem Parteitag 1903 in Dresden in der vordersten Front der antirevisionistischen Mehrheit. Die „Leipziger Volkszeitung“ baute M. in dieser Auseinandersetzung zu seiner|wichtigsten publizistischen Plattform aus. Auch sein Streit mit den Revisionisten nahm stark persönliche Züge an, zumal M.s Gegner seine politische Vergangenheit gegen ihn ins Feld führten.

    Seit etwa 1912 geriet M. mehr und mehr in Gegensatz zum Parteivorstand und zur Parteimehrheit, deren Auffassung über außerparlamentarische Arbeit, über Sozialreform ohne Beteiligung der Arbeiter und über die Rolle der Revolution er nicht teilte. Dementsprechend stand er von Kriegsbeginn 1914 an auf der Seite der innerparteilichen Opposition. 1916 half er die Spartakusgruppe gründen und kam für vier Monate in Haft. 1917 kandidierte er in Berlin bei der Ersatzwahl für den verhafteten Karl Liebknecht erfolgreich für die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft für den Preuß. Landtag, unterlag aber bei der Wahl zum Reichstag. M. war noch an der Vorbereitung der Gründung der KPD um die Jahreswende 1918/19 beteiligt. Schwer getroffen von der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, starb er Ende Januar 1919|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Leipzig 1882).

  • Werke

    Ges. Schrr. u. Aufsätze in Einzelausgg., hrsg. v. E. Fuchs, Bde. 1-6 u. 12, 1929-33;
    Ges. Schrr., hrsg. v. Th. Höhle, H. Koch. J. Schleifstein, 15 Bde., 1960-76;
    F. M., Werkausw., hrsg. v. F. J. Raddatz, 3 Bde., 1974.

  • Literatur

    S. Günther, Bibliogr. üb. F. M., in: Weimarer Btrr. V, 1959, S. 139-42;
    Bibliogr. z. Gesch. d. dt. Arbeiterschaft u. Arbeiterbewegung 1863-1914. hrsg. v. K. Tenfelde u. G. A. Ritter, 1981;
    Th. Höhle, F. M., s. Weg z. Marxismus, ²1958;
    H. Koch. F. M.s Btr. z. marxist. Lit.theorie, 1959;
    J. Schleifstein, F. M., s. marxist. Schaffen 1891-1914, 1959;
    W. Kumpmann, F. M. als Vertreter d. hist. Materialismus, 1966 (W-Verz.);
    H. Grebing u. M. Kramme, F. M., in: H.-U. Wehler (Hrsg.), Dt. Historiker V, 1972, S. 73-94;
    H. Braulich, Die Volksbühne, 1976, S. 48-59 (P);
    M. Kramme, F. M., Theorie u. Alltagsarbeit, 1980;
    P. Kiefer, Bildungserlebnis u. ökonom. Bürde, F. M.s hist. Strategie e. Kultur d. Proletariats, 1986;
    F. Osterroth, Biogr. Lex. d. Sozialismus I, 1960;
    Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung, Biogr. Lex., 1970.

  • Porträts

    Photo im Archiv d. Soz. Demokratie, Bonn.

  • Autor/in

    Christoph Stamm
  • Zitierweise

    Stamm, Christoph, "Mehring, Franz" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 623-625 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118579975.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA