Munzinger, Werner
Munzinger, Werner
- Lebensdaten
- 1832 – 1875
- Geburtsort
- Olten
- Sterbeort
- Aussa (Abessinien)
- Beruf/Funktion
- Forschungsreisender in Afrika ; Kaufmann ; Sprachforscher ; Orientalist ; Forschungsreisender ; Afrikanist ; Linguist
- Konfession
- katholisch?
- Normdaten
- GND: 118785389 | OGND | VIAF: 34673031
- Namensvarianten
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- Munzinger-Pascha, Werner (seit 1873)
- Munzinger, Werner
- Munzinger-Pascha, Werner (seit 1873)
- munzinger-pascha, werner
- Munzinger Pascha
- Munzinger Pascha, Werner
- Munzinger Pasha
- Munzinger, Johann Albert Werner
- Pascha, Werner Munzinger-
- mehr
Literatur(nachweise)
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Literaturnachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Werknachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- Index Theologicus (IxTheo)
Objekt/Werk(nachweise)
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Genealogie
V →Joseph (s. 1);
⚭ Keren (?) (Abessinien) 1855 (?) N. N. († 1875);
1 Adoptiv-S, 1 S. -
Biographie
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Solothurn und einem kurzen Aufenthalt an der Univ. Bern studierte M. seit 1850 oriental. Sprachen in München und Paris. 1852 begab er sich zur Vervollkommnung im Arabischen nach Kairo, trat nach sechs Monaten in eine Firma in Alexandria ein und begann für die „Triester Zeitung“ zu schreiben. Im folgenden Jahr ging er als stellvertretender Leiter einer Handelsexpedition ans Rote Meer und gelangte zuerst nach Dschidda und von da nach Suakin und Massaua. Nach dem Tode seines Vorgesetzten betreute er die Liquidation des Unternehmens, nutzte die Zeit aber auch zum Studium von Sprache und Sitten der Einwohner und publizierte seine Ergebnisse in der „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde“. Aus wissenschaftlichem Interesse übersiedelte er 1855 nach Keren, wo er weiterhin Handel trieb, eine Witwe aus dem christl. Stamm der Bogos heiratete und ihren Sohn adoptierte. Eine neuartige anthropologische Untersuchung jenes Volkes machte ihn so bekannt, daß er 1861 zur Teilnahme an der von Deutschland ausgesandten Expedition Theodor Heuglins zur Auffindung des 1856 in Wadai verschollenen Afrikareisenden Eduard Vogel aufgefordert wurde. Er konnte aus El Obeid in Kordofan verläßliche Kunde von Vogels Tod beibringen. 1864 wurde ihm das franz. und 1865 das brit. Vizekonsulat in Massaua übertragen. In dieser Eigenschaft half er, eine Strafexpedition gegen den äthiop. Kaiser Theodorus II. zur Befreiung europ. Gefangener vorzubereiten, und führte 1868 die brit. Armee unter Lord Robert Napier nach der Felsenfestung Magdala in Abessinien. Unmittelbar nach dem Sieg hob England aus ungeklärten Gründen das Vizekonsulat auf und entließ den verdienten Mitarbeiter. M.s Parteinahme für England kostete ihn in Äthiopien viele Sympathien; wenig später wurde er im Land der Bogos bei einem Mordanschlag schwer verwundet. 1871 ernannte ihn Ismael Pascha, der Khedive von Ägypten, zum Bey und Gouverneur von Massaua, 1872 auch zum Gouverneur von Suakim, 1873 zum Pascha und Generalgouverneur des ganzen ägypt. Sudan, wozu auch das Gebiet der Bogos und Nordabessinien zählte. In knapp vier Jahren verbesserte M. das Steuersystem, baute vor allem mit europ. Ingenieuren Straßen und Brücken, verband Massaua durch einen Damm mit dem Festland, richtete eine Trinkwasserversorgung ein und führte eine Telegraphenleitung nach Kassala. Ferner förderte er den Anbau von Indigo, Virginiatabak und Baumwolle. Vermutlich machte seine Zurückhaltung gegenüber ägypt. Expansionsgelüsten in Abessinien ihn in Kairo verdächtig, weshalb er 1875 mit einer gefährlichen militärischen Expedition beauftragt wurde. Nördlich des Aussa-Sees geriet er mit seiner 350 Mann starken Truppe in einen Hinterhalt islamischer Callas und fand zusammen mit seiner Frau und dem größten Teil seiner Leute den Tod. – M.s Verhältnis zu den afrikan. Völkern gründete in der damals ungewöhnlichen Überzeugung von der Gleichwertigkeit aller Menschen und der Vervollkommnungsfähigkeit des Individuums.
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Werke
Briefe v. Roten Meere, 1856;
Beschreibung d. nordöstl. Länder v. Habesch, 1859;
Sitten u. Recht d. Bogos, 1859;
Ostafrikan. Stud., 1864;
Vocabulaire de la langue Tigré, 1865;
Routes in Abyssinia, 1867. | -
Nachlass
Nachlaß: Bundesarchiv Bern; Stadtarchiv Olten; Staatsarchive Paris u. London.
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Literatur
ADB 23;
P. Dietschi, W. M.-P., 1875;
ders., in: Große Schweizer, 1938, S. 619-23;
G. Wild, Von Kairo nach Massaua, 1879;
J. Keller-Zschokke, W. M.-P., Sein Leben u. Wirken, 1891;
ders., Betätigung W. M.s bei d. Aufsuchung Dr. E. Vogels, 1912;
F. J. Cox, M.s Observation on the Sudan 1871, in: Sudan Notes and Records 33, 2, 1952, S. 189-200;
P. A. Bloch, Das Attentat (v. 1869) auf W. M.-P., ebd. 34, 1976;
U. Bitterli, in: Tagesanz.-Mag. 45, 1975, S. 6-14;
T. Kaiser, W. M.-P. im Spiegel v. Fam.briefen, in: Jb. f. solothurn. Gesch. 63, 1990, S. 5-85;
D. Henze, Enz. d. Entdecker u. Erforscher d. Erde, III, 1993;
Schweizer Lex. -
Autor/in
Rolf Max Kully -
Zitierweise
Kully, Rolf Max, "Munzinger, Werner" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 600-601 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785389.html#ndbcontent
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Biographie
Munzinger: Werner M., Afrikareisender, afrikanischer Staatsmann und Orientalist, wurde als jüngster Sohn des bekannten bernischen Staatsmannes und späteren Bundesrathes den 21. April 1832 zu Olten geboren. Nachdem er in Solothurn das Gymnasium absolvirt hatte, bezog er die Universität Bern, ging dann zum Zweck des Studiums orientalischer Sprachen nach München, besuchte 1852 die Schule für lebende morgenländische Sprachen zu Paris und ging im selben Jahre nach Kairo, um sich im Arabischen zu vervollkommnen. Um finanziellen Schwierigkeiten zu begegnen, trat er nach einigen Monaten in ein alexandrinisches Kaufmannshaus ein, welches ihn 1854 als zweiten Chef auf eine Handelsexpedition nach dem Rothen Meere beorderte. Als der erste Chef bald darauf starb, war M. gezwungen behufs Liquidation des Unternehmens sich ein volles Jahr in Massaua und Umgebung aufzuhalten. Hier war es, wo er zuerst jene Vertrautheit mit abessinischen Verhältnissen gewann, welche ihn später befähigte, nicht nur wissenschaftliche Arbeiten von hohem Werthe über die Abessinier und ihre Nachbarvölker zu liefern, sondern sogar ein starkes Gewicht in die Wagschale der Geschicke derselben zu werfen. Er gewann für das Land und Volk der Bogos ein solches Interesse, daß er 1855 in dasselbe übersiedelte. Sein Plan war, mit der Zeit eine Colonie hier zu gründen, er war mit Sämereien, Thieren und Massen nach Keren gezogen, wo er indessen, um seine Existenz zu sichern, doch auch Handel treiben mußte, welcher ihn öfters nach Massaua, Dschedda und Kairo führte. Sechs Jahre weilte er hier. Politische Aspirationen scheinen ihm aber schon damals nicht fremd geblieben zu sein. Er machte sich Hoffnung, die Verwaltung des Bogoslandes zu erlangen, als 1858 der Tod des Fürsten Alula ihn seines treuesten Beschützers beraubte. Nicht unwillkommen war ihm unter diesen Verhältnissen der von Petermann ergangene Ruf, sich an der deutschen Expedition nach Innerasrika zu betheiligen, welche unter Theodor von Heuglin 1861 nach Abessinien kam, um behufs Aufklärung des Schicksales von Eduard Vogel gegen Wadai vorzudringen. Als er sich im November 1861 von Heuglin getrennt, ging er über Kassala und Damar nach Khartum, mußte aber nach Europa zurückkehren, ohne mehr als unbestimmte Nachrichten über Eduard Vogel erlangt zu haben. Nach Vollendung einiger größeren Arbeiten geographischen, ethnographischen und linguistischen Inhalts, kehrte M. nach Nordabessinien zurück, verwaltete während der Vorspiele und Vorbereitungen des britischen Feldzugs nach Abessinien (1867—68) das britische Consulat zu Massaua und erwarb sich durch vorläufige Wegbestimmungen und Recognoscirungen erhebliche Verdienste um den glücklichen Verlauf dieses Krieges. 1868 übernahm er das französische Consulat in Massaua, welches er bis 1871 führte. Im folgenden Jahre entging er mit knapper Noth einem Mordanfall, der auf einer seiner kleinen Reisen in den nordabessinischen Grenzländern auf ihn gemacht wurde. 1870 bereiste er mit Capitän Miles die südöstlichen Küstenländer Arabiens. Nach der Wegnahme Massaua's durch die Aegypter übernahm M. die Stelle eines Statthalters des erst erworbenen Küstenstriches, wurde 1872 zum Generalgouverneur des Landes bis Kassala und Taka und zwischen Suakim und Berber ernannt. In den Wirren zwischen Aegypten und Abessinien, welche er nicht am wenigsten mit hatte heraufführen helfen, wurde er am 14. November 1875 in einem Gefecht bei Aussa verwundet und starb am 16. November 1875. Wir haben von M. „Beschreibung der nordöstlichen Grenzländer von Habesch“ und die „Schohor und die Beduân bei Massaua“, beide in der Zeitschr. f. Allg. Erdkunde N. F. 1857 und 1859. „Ueber die Sitten und das Recht der Bogos“, 1859, von J. M. Ziegler herausgegeben. „Ostafrikanische Studien“, 1864. „Die deutsche Expedition in Ostafrika 1861 und 62“, Ergänzungsheft XIII d. Geogr. Mittheilungen, 1864. „Vocabulaire de la langue Tigré“ (1865). „Neue Forschungen in den Gebieten der Beni Amer und Habab“, Geographische Mittheilungen 1872. In allen diesen Werken zeigt sich M. als ein vorzüglich befähigter Beobachter der ethnographischen und politischen Verhältnisse. Doch war er mehr als Forscher. Die Forschung war ihm ein Mittel zum Zweck der thätigsten Einflußnahme auf die Geschicke der Völker, in deren Mitte er lebte. Kein Europäer hat sich daher vor ihm so tief in die Gegenwart und Vergangenheit der Nordabessinier und Südnubier eingelebt und darum machen seine Werke den Eindruck aus diesen Völkern selbst heraus, nicht nur von der äußeren Anschauung her, wie die Schilderungen der meisten Reisenden, geschrieben zu sein. So wenig wie seine wissenschaftliche Tüchtigkeit ist sein administratives Talent und der günstige Einfluß bestritten worden, den er auf die ihm unterstellten Völker geübt hat. Doch hat man in seinem unzweifelhaft übereilten Vorgehen gegen Abessinien den Ausfluß eines maßlosen Ehrgeizes sehen wollen, der sich mit Hilfe Aegyptens zur hohen Stellung eines abessinischen Vicekönigs aufzuschwingen gedachte. In Munzinger's Stellung, in seiner Kenntniß dieser Völker lag ohne Zweifel etwas, das zu derartigen überfliegenden Plänen verführen konnte. Rohlfs glaubte ihm sogar den Plan zuschreiben zu dürfen, sich zum unabhängigen Herrscher Abessiniens aufzuwerfen. „M. war vollkommen der tigrischen Sprache mächtig, er verstand es, sich der Denkungsweise, den Anschauungen und Sitten der Abessinier durchaus anzubequemen; er war verheirathet mit einer Abessinierin und hatte durch Bekanntschaft und Verwandtschaft mit mächtigen, eingeborenen Familien durchs ganze äthiopische Land enge Beziehungen“ (G. Rohlfs). Wie dem sei, in M. hat die Wissenschaft, die Humanität, und haben Abessiniens Völker gleich viel verloren: einen an Geist und Willen hoch hervorragenden Mann.
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Literatur
Biographische Skizze in Ziegler's Vorwort zu Sitten und Recht der Bogos. Nekrolog in Geogr. Mittheilungen 1876. Gerhard Rohlfs, Meine Mission nach Abessinien. 1883.
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Autor/in
Friedrich Ratzel. -
Zitierweise
Ratzel, Friedrich, "Munzinger, Werner" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 50-51 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785389.html#adbcontent