Lebensdaten
1907 – 1990
Geburtsort
Emmerich (Niederrhein)
Sterbeort
Bad Urach (Württemberg)
Beruf/Funktion
Amerikanist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119375796 | OGND | VIAF: 100969537
Namensvarianten
  • Müller, Werner
  • Müller, Werner

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Zitierweise

Müller, Werner, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119375796.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1880–1970), Pfarrer in E., S d. Friedrich, Lehrer in Großrechtenbach b. Hüttenberg Kr. Wetzlar;
    M Emilie Emma Faber (1878–1917);
    1936 Anna Tannewitz (1899–1988, Ps. Stine Holm, Anna Jürgen) aus Immekeppel (Rheinland), Kinderbuchautorin (s. Kürschner, Lit.-Kal. 1988); kinderlos.

  • Biographie

    M. studierte Geographie, Völkerkunde, Geschichte und Religionswissenschaft in Göttingen, Berlin und Bonn und promovierte 1930 bei Carl Clemen mit einer religionswissenschaftlichen Dissertation über „Die ältesten amerikan. Sintfluterzählungen“ zum Dr. phil. 1933 schloß er eine zusätzliche Ausbildung als Lehrer für den Höheren Schuldienst mit dem Assessorexamen ab und trat im selben Jahr als Bibliothekar in den Volksbüchereidienst der Stadt Berlin ein. Dort führte er nebenamtlich, seinen Neigungen zur historischen Forschung nachgehend, für die SS-Stiftung „Ahnenerbe“ kleinere Auftragsarbeiten durch und publizierte in deren Veröffentlichungsreihen. Zur angestrebten festen Anstellung kam es jedoch nicht. Während des Krieges konnte er, vom Militärdienst zunächst freigestellt, 1942 an der Reichsuniversität in Straßburg seine Habilitation in Völkerkunde abschließen und wurde 1944 zum Dozenten ernannt. Nach kurzzeitiger amerikan. Kriegsgefangenschaft 1945 mußte M., vermutlich wegen seiner aktiven Mitarbeit im SS-Ahnenerbe und der Mitgliedschaft in der SS, die nächsten 10 Jahre als Privatgelehrter vom Einkommen seiner schriftstellerisch tätigen Frau und von Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft leben. Erst 1955 konnte er in Berlin, 1965 in Tübingen den Bibliotheksdienst wieder aufnehmen. 1961 eröffnete sich M. die Chance, zunächst vertretungsweise, seit 1965 planmäßig, an der Universitätsbibliothek in Tübingen eine seiner Vorbildung entsprechende Tätigkeit zu übernehmen. Infolge beruflicher Beanspruchung ließ seine wissenschaftliche Produktivität nach. In Tübingen blieb er bis zu seiner Pensionierung als Oberbibliotheksrat 1972 tätig.

    Als Frucht des Privatgelehrtendaseins veröffentlichte M. 1954-56 drei grundlegende Werke, die seinen Ruf als Kenner der Religionen nordamerikan. Indianer begründeten. In „Die blaue Hütte“ (1954) und stärker noch in „Die Religionen der Waldlandindianer Nordamerikas“ (1956) versuchte er, ausgehend vom Sinnbild der Perle, in Riten und Religion der Waldlandindianer einzudringen. Daneben wandte sich M. dem Kulturareal der Nordwestküste zu und stellte, erstmals in deutscher Sprache, die Religion der dortigen Fischervölker zusammenfassend dar. Ein erst 1970 veröffentlichtes Buch über die Sioux, die zur Zeit ihres ersten Kontaktes mit den Weißen an den Quellflüssen des Mississippi lebten, schlägt eine geographische Brücke zum Waldland, indem M. nachweist, daß Grundelemente dieser Sprach- und Stammesgruppe aus nördlichen Waldlandtraditionen herrühren. Umfangreiche Quellenverarbeitung, historische Sichtweise in einer Zeit, in der die Ethnologie vorwiegend strukturalistisch und ahistorisch ausgerichtet war, und seine Überzeugung, das Wesen der Religionen könne nur durch Empathie erfaßt werden, charakterisieren M. als Außenseiter der Ethnologie, der jedoch gerade durch seinen Skeptizismus faszinierte. Die breite öffentliche Wirkung M.s zeigt sich in der Aufsatzsammlung mit dem programmatischen Titel „Neue Sonne – Neues Licht“ (hrsg. v. R. Gehlen, 1981) und in zahlreichen Auflagen seiner kleinen polemischen Schriften.

    Neben seiner religionsgeschichtlichen Arbeit befaßte sich M. mit Themen der alten Geschichte Europas, wobei auch hier die religiösen Symbole und ihre Tradition sein Hauptanliegen waren. In seinem letzten Buch „Amerika“ (1982) führte er eine Synthese beider Forschungsgebiete durch, indem er in charakteristischer Quellenfülle und mit originellen Deutungen eine enge Verwandtschaft der amerikan. Indianer mit den paläolithischen eurasiat. Kulturen vortrug und im Widerspruch zur herrschenden archäologischen Lehrmeinung die Verbindung zwischen Alter und Neuer Welt über den Atlantik behauptete. Trotz seiner Außenseiterrolle im methodischen Ansatz und in manchen weitgespannten historischen Rekonstruktionen ist M.s sprachlich klare und dichte Schilderung indianischer Religiosität als Forschungsleistung unbestritten.

  • Werke

    Weitere W Die Kapelle v. Drüggelte b. Soest, in: Germanien, Mhh. f. Germanenkde. z. Erkenntnis dt. Wesens, H. 9, 1937, S. 103-10, 131-42;
    Kreis u. Kreuz, Unterss. z. sakralen Siedlung b. Italikern u. Germanen, 1938;
    Weltbild u. Kult d. Kwakiutl-Indianer, 1955;
    Die hl. Stadt, Roma quadrata, himml. Jerusalem u. d. Mythe v. Weltnabel, 1961;
    Die Religionen d. Indianervölker Nordamerikas, in: Die Religionen d. alten Amerika, 1961, S. 171-267 (franz. 1962, ital. 1966, engl. 1968);
    Glauben u. Denken d. Sioux, Zur Gestalt archaischer Weltbilder, ²1970;
    Geliebte Erde, Naturfrömmigkeit u. Naturhaß im indian. u. europ. Nordamerika, 1972, ⁵1985 (W-Verz.);
    Indian. Welterfahrung, 1976, ⁵1992;
    Amerika, Die neue od. d. alte Welt?, 1982 (engl. 1989). – Aufsätze in: Antaios, Anthropos.

  • Literatur

    Unter d. Pflaster liegt d. Strand, 1982 (W-Verz.);
    R. Gehlen, in: Anthropos 85, 1990, S. 515-17;
    G.|A. Menzel, Versuchte Nähe, Eine Annäherung an W. M. u. seine indian. Welterfahrung (unveröff. Mag.arb.), Marburg 1993 (L).

  • Autor/in

    Berthold Riese
  • Zitierweise

    Riese, Berthold, "Müller, Werner" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 482-484 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119375796.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA