Lebensdaten
1903 – 1985
Geburtsort
Trautenau (Nordböhmen)
Sterbeort
Eislingen bei Göppingen
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Librettist ; Übersetzer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117161853 | OGND | VIAF: 44425049
Namensvarianten
  • Mühlberger, Josef
  • Mühlberger, Josef
  • Muehlberger, Josef
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Zitierweise

Mühlberger, Josef, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117161853.html [11.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Fam, mit dt. u. tschech. Vorfahren;
    V Josef (* 1866) aus Marschendorf (Böhmen), Postbeamter in T.;
    M Anna Irzing (* 1869);
    B Alois (1891–1965), Dr. phil., Lehrer, Schulreformer (s. Biographisches Lexikon Böhmen); – ledig.

  • Biographie

    Nach der Matura studierte M. in Prag Germanistik bei August Sauer und Erich Gierach, Slawistik bei Franz Spina und Gerhard Gesemann. Er promovierte 1926, verbrachte ein Studienjahr in Uppsala und erweiterte dort seine Dissertation zu einem Buch, das 1929 unter dem Titel „Die Dichtung der Sudetendeutschen in den letzten fünfzig Jahren“ erschien. Gemeinsam mit Johannes Stauda gab er 1928-29 und 1931 die Kunst- und Literaturzeitschrift „Witiko“ heraus. 1934 hatte er mit der Erzählung „Die Knaben und der Fluß“ einen ersten literarischen Erfolg. Im selben Jahr gewann er den Dramenwettbewerb der Stadt Eger, der anläßlich des Wallenstein-Jubiläums ausgeschrieben worden war. In den folgenden Jahren wurde M. zusehends zur Zielscheibe der nationalsozialistischen Kräfte seines Landes. Denunziert als „intimer Freund Prager jüdisch-literarischer Kreise“ und als Sudetendeutscher, der die Geschichte „tschech. Jungen aus innertschech. Landschaft“ thematisiere, ging er halbherzige Kompromisse ein, zunächst mit der Sudetendeutschen Partei, nach 1938 mit den neuen Machthabern. Er wurde jedoch wegen Homosexualität verhaftet und meldete sich schließlich freiwillig zum Militär. M. war bis zum Kriegsende Soldat. Entlassen aus der amerikan. Gefangenschaft, kehrte er nach Trautenau zurück und verließ seine Heimat im|August 1946 mit einem sog. „Transport von Antifaschisten“. Bis zu seinem Tod wohnte M. in Württemberg, zuletzt in Eislingen, tätig als Schriftsteller und als Feuilletonredakteur bei der Esslinger Zeitung. Zehn Jahre war er überdies Vorsitzender der Künstlergilde Esslingen.

    M.s Buch über die Dichtung der Sudetendeutschen stellt den Versuch dar, die deutsche Literatur Böhmens und Mährens ohne Abgrenzung und Vorurteile zu behandeln. Die Darstellung reicht bis zu den Schriften von Franz Kafka, die M. in ihrer Bedeutung erkennt und eingehend würdigt. Tonfall und Programmatik wiederholen sich in der Kunst- und Literaturzeitschrift „Witiko“. In ihr wurden in diesem Sinne Neuerscheinungen der sudetendeutschen und der tschech. Literatur vorgestellt. Erstveröffentlichungen von Kafka und Max Brod stehen neben solchen von Erwin Guido Kolbenheyer, Bruno Brehm und Johannes Urzidil. Die Erzählung „Die Knaben und der Fluß“ vermittelte Gerhard v. Mutius, der 1934 als deutscher Gesandter in Bukarest lebte, an den Leipziger Insel-Verlag. Die Erzählung, die in der slaw. Umwelt Mährens spielt, schildert die Freundschaft zweier Knaben und ihre gemeinsame Liebe zu einem Mädchen, die so stark ist, daß einer der beiden den Konflikt nur zu lösen vermag, indem er in den Tod geht. Hermann Hesse war von dem Werk so angetan, daß er es in der Neuen Zürcher Zeitung als „schönste und einfachste junge Dichtung“ bezeichnete, die er seit langem gelesen habe.

    Nach dem Krieg bemühte sich M., die Erfahrung des Nationalsozialismus und der Vertreibung literarisch zu verarbeiten. In „Verhängnis und Verheißung, Roman einer Familie“ (1952) schildert er die Veränderung des Klimas in einer österr. Kleinstadt unmittelbar vor dem Anschluß an das Dritte Reich. In „Bogumil, Das schuldlose Leben und schlimme Ende des Edvard Klima“ (1980) verarbeitet er die deutsch-tschech. Gegensätze bis in die Zeit der NS-Okkupation. „Der Galgen im Weinberg“ (1950) erzählt von dem Leiden Deutscher in Theresienstadt nach der Befreiung der Juden, wofür Dürers Holzschnitt vom Brudermord als Metapher dient. Die Versöhnung zwischen Kain und Abel ist eines der Hauptanliegen des weiteren Werkes. M. übersetzte tschech. Romane und Gedichte, er schrieb eine „Tschechische Literaturgeschichte“ (1970) und eine Kulturgeschichte der „Zwei Völker in Böhmen“ (1973). Daneben befaßte er sich mit dem Geschlecht der Hohenstaufen und mit der Geschichte des Mittelmeerraumes.|

  • Auszeichnungen

    Herderpreis (1938), Adalbert-Stifter-Preis (1951), Andreas-Gryphius-Preis (1965), Sudetendt. Kulturpreis (1968), Eichendorff-Lit.preis (1973);
    Prof.titel (1977).

  • Werke

    Weitere W u. a. Huss im Konzil, Roman, 1931 (auch tschech.);
    Wallenstein, Ein Schauspiel in fünf Akten, 1934;
    Pastorale, Geschichte u. Geschichten e. Sommers, 1950;
    Die schwarze Perle, Tagebuch e. Kriegskameradschaft, 1954;
    Das Paradies d. Herzens, Eine Kindheit in Böhmen, 1959;
    Griech. Oktober, Reiseber., 1960;
    Herbstbll., Gedanken u. Gestalten, 1963;
    Linde u. Mohn, Tschech. Lyrik aus 100 J., Übertragen, eingel. u. erl., 1964;
    J. Neruda, Kleinseitner Geschichten, 1966 (Übers.);
    Gesch. d. dt. Lit. in Böhmen 1900–39, 1981;
    Die Hohenstaufen, Ein Symbol dt. Gesch., 1984. |

  • Nachlass

    Nachlaß: R. Wieland, Ostwürtt. Schriftgutarchiv, Heubach-Lautern.

  • Literatur

    Adalbert Schmidt, Die sudetendt. Dichtung d. Gegenwart, 1938, S. 63-65;
    E. Schremmer, J. M. – Sudetendt. Kulturpreisträger 1968, in: Sudetenland 10, 1968, S. 122-26;
    F. Lennartz, Dt. Schriftst. d. Gegenwart, 1978, S. 540-42;
    M. Brod, Der Prager Kreis, 1979, S. 213-15;
    ders., Streitbares Leben, Autobiogr. 1884-1968, 1979, S. 143;
    D. Pierron, La domination nazie dans l'oeuvre de J. M., Diss. Nancy, 1979;
    J. Serke, Böhm. Dörfer, Wanderungen durch e. verlassene literar. Landschaft, 1987, S. 415-21 (P);
    P. Becher (Hrsg.), J. M., Btrr. d. Münchner Kolloquiums, 1989 (P);
    M. Berger, J. M., Sein Leben u. Prosaschaffen bis 1939, Ein Btr. z. Gesch. d. dt.böhm. Lit. in d. 20er u. 30er J. d. 20. Jh., Diss. Berlin (Ost) 1989;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy.

  • Autor/in

    Peter Becher
  • Zitierweise

    Becher, Peter, "Mühlberger, Josef" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 272-273 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117161853.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA