Dates of Life
1884 – 1951
Place of birth
Hannover
Place of death
Philadelphia
Occupation
Biochemiker ; Physiologe ; Nobelpreisträger für Medizin (1922, verliehen 1923)
Religious Denomination
jüdisch?
Authority Data
GND: 118733559 | OGND | VIAF: 47557159
Alternate Names
  • Meyerhof, Otto Fritz
  • Meyerhof, Otto
  • Meyerhof, Otto Fritz
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Objekt/Werk(nachweise)

Porträt(nachweise)

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Citation

Meyerhof, Otto, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733559.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Felix (1849–1920), Kaufm. in H., seit 1888 in Berlin, S d. Kaufm. Israel (1815–85) aus Hildesheim, seit 1854 in H., wo er d. Bürgerrecht erwarb, u. d. Therese Gumpel (1817–78);
    M Bettina May (1862–1915), aus jüd. Kaufm.fam. in Hamburg; Vt 2. Grades Max (s. 1);
    Kiel 1914 Hedwig Schallenberg (1891–1954) aus Köln;
    2 S, 1 T, u. a. George Geoffrey (Gottfried) (* 1916), Prof. d. Ing.wiss. in Halifax (Nova Scotia, Kanada), Walter Ernst (* 1922), Prof. d. Physik in Stanford (Kalifornien, USA) (beide s. BHdE II).

  • Biographical Presentation

    M. ging in Berlin zur Schule und legte 1903 das Abitur ab. Im Alter von 16 Jahren erlitt er eine schwere Nierenerkrankung und verbrachte zur Erholung mit seinem Vetter Max mehrere Monate in Ägypten. Aus dieser Zeit rührte sein lebenslanges Interesse für die Archäologie her. In Berlin lernte M. Leonard Nelson kennen, der ihn an die Philosophie (Kant, J. F. Fries) heranführte und dessen Denken ihn stark beeinflußte. Geprägt wurde M. überdies von der Mitgliedschaft und dem Vorsitz in der von der Freien Studentenschaft ins Leben gerufenen „Kommission für Arbeiter-Unterrichtskurse“, die das Gefühl sozialer Verpflichtung in ihm weckte.

    M. studierte in Berlin, Freiburg (Breisgau), Straßburg und Heidelberg Medizin. 1909|wurde er in Heidelberg mit der Dissertation „Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen“ promoviert. Sie erschien, wie auch der Aufsatz „Über Goethes Methode der Naturforschung“ in den „Abhandlungen der Fries’schen Schule“, deren Mitherausgeber er bis 1937 war. M.s ausgeprägte Neigung zur Philosophie fand bis in seine späten Jahre in mehreren Beiträgen zur Naturphilosophie der Physiologie ihren Ausdruck. Er trat 1910 als Assistent in die Heidelberger Medizinische Klinik bei Ludolf v. Krehl ein, wo sich die entscheidende Wendung seines Lebens vollzog und er sich unter dem Einfluß von Otto Warburg der Zellphysiologie und Biochemie zuwandte. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Zoologischen Station in Neapel ging er 1912 an das Physiologische Institut der Univ. Kiel, wo er sich 1913 habilitierte. Dort setzte er in den ersten Jahren die Arbeiten über den Mechanismus der Zellatmung fort und fand weitere Beziehungen zwischen Atmung und Gärung. Diese führten ihn seit 1918 zu den wegweisenden Untersuchungen über die chemische und energetische Kopplung der einzelnen Reaktionen innerhalb einer biologischen Reaktionskette. Als Objekt verwendete er vor allem isolierte Muskeln des Frosches, die ein bequem zugängliches Gewebe bilden und sowohl unter aeroben wie anaeroben Bedingungen arbeiten. Kalorimetrische Messungen der Umwandlung von Kohlenhydraten in Milchsäure führten zur Einführung des „Meyerhof-Quotienten“ (Äquivalente aerob verschwundener Milchsäure dividiert durch Äquivalente oxidierter Milchsäure), wonach bei der Muskelkontraktion vier Fünftel der aus Glucose gebildeten Milchsäure wieder zu Glucose umgewandelt werden und ein Fünftel energieliefernd verbrannt wird. Weitere Untersuchungen ergaben einen für alle Lebewesen annähernd gleichen Wert und bildeten damit einen wichtigen Hinweis auf prinzipiell gleichartige Lebensvorgänge. Darauf aufbauend ließ sich die Energetik der Muskelkontraktion mit dem Milchsäureumsatz koppeln.

    Während die Arbeiten M.s in Deutschland weitgehend unbeachtet blieben, stießen sie insbesondere bei den Arbeitsgruppen von F. G. Hopkins und A. V. Hill in England auf großes Interesse. Hill untersuchte vor allem den Mechanismus der Muskelkontraktion von der thermischen Seite her. 1922 erhielten M. und Hill den Nobelpreis für Medizin. M. war damit der erste deutsche Medizinnobelpreisträger nach dem 1. Weltkrieg. Vier Jahre intensiver Tätigkeit als Privatdozent in der Position eines Assistenten, ohne Mitarbeiter und unter beengten Verhältnissen, reichten zwar aus, um Weltgeltung zu erlangen, genügten aber nicht für die Berufung auf den 1922 neugegründeten Lehrstuhl für Physiologische Chemie in Kiel, wo ihn die Fakultät aus Antisemitismus ablehnte. Vermutlich auf Anraten Otto Warburgs berief ihn die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1924 zum Abteilungsleiter an das Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Biologie, an dem außer Warburg C. E. Correns, R. Goldschmidt und M. Hartmann arbeiteten. Allein durch die beiden jeweils relativ kleinen Abteilungen von M. und Warburg am KWI für Biologie, in denen an den molekularen Abläufen entscheidender Zellvorgänge gearbeitet wurde, und dem von C. Neuberg geleiteten KWI für Biochemie entstand in Berlin-Dahlem ein international bedeutsames Zentrum der molekularen Biochemie, das auf junge Wissenschaftler große Anziehung ausübte. Neben anderen traten die späteren Nobelpreisträger F. Lipmann und S. Ochoa, sowie H. Blaschko und D. Nachmansohn in M.s Dahlemer Arbeitskreis ein. 1929 erhielt M. die Leitung des Instituts für Physiologie am neugegründeten KWI für medizinische Forschung in Heidelberg, wohin ihm die meisten der Dahlemer Mitarbeiter folgten.

    In seiner Dahlemer Periode wandte sich M. mehr und mehr den enzymatischen Vorgängen der Energiespeicherung und -umwandlung beim Kohlenhydratstoffwechsel zu. Dabei konnte die allgemeine Kopplung der anaeroben Kohlenhydratspaltung mit dem aeroben (sauerstoffverbrauchenden) Endstoffwechsel bewiesen werden („Pasteur-Meyerhof-Reaktion“). Zahlreiche intermediäre Phosphorylierungsprodukte wurden isoliert, charakterisiert und in das Reaktionsschema der Kohlenhydratspaltung eingeordnet. Die Herstellung und Verwendung kohlenhydratfreier Muskelpreßsäfte mit uneingeschränkter Enzymaktivität konnte immer mehr verfeinert werden. K. Lohmann, 1924-37 Mitarbeiter M.s, entdeckte dabei als energietransportierende Substanz das Adenosintriphosphat (ATP). Daneben ließ sich zeigen, daß weitere phosphorylierte Intermediärprodukte wie die Kreatinphosphorsäure gewebe- bzw. organspezifisch auftreten. In den Jahren 1924-38 wurden in M.s Laboratorium in enger Wechselwirkung vor allem mit den Arbeitsgruppen von Gustav Embden (Frankfurt/Main), Jakub Parnas (Lwow) und Otto Warburg (Berlin) die sechs Reaktionsschritte der Glykolyse aufgeklärt, die den energieliefernden Teil der Gärungskette bilden Embden-Meyerhof-Parnas-Glucose-Abbau Mit den von M., Lohmann und E. Lundsgaard erzielten Ergebnissen bahnte sich die Erkenntnis an, daß sämtliche Gärungsarten immer und ausschließlich der Bildung von ATP dienen. Bei der Untersuchung der Reversibilität der einzelnen Stufen der Glykolyse setzte M. auch radioaktiv markierte Verbindungen ein (mit H. Maier-Leibniz). Nachdem die Muskelchemie in den Jahren 1919-30 den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Muskelarbeit, Milchsäurebildung und Initialwärme qualitativ und quantitativ ermittelt hatte („Hill-Meyerhof-Theorie“), gelangte sie danach, wesentlich durch M. und Lundsgaard eingeleitet, in einen Bereich allgemein ablaufender biochemischer Prozesse, die durch die oxidative Phosphorylierung bestimmt werden.

    1938 flüchtete M. mit Hilfe seines ehemaligen Schülers A. v. Muralt in die Schweiz und ging von dort aus als „Directeur de Recherches“ an das „Institut de Biologie Physico-Chimique“ nach Paris. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris gelang es ihm 1940, über Spanien und Portugal in die USA zu emigrieren. Durch die Rockefeller Foundation erhielt er eine Forschungsprofessur an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia. Dort gingen aus M.s Laboratorium weiterhin grundlegende Beiträge hervor, auch wenn sie nicht an jene heranreichten, die in Kiel, Berlin und Heidelberg entstanden waren. U. a. zeigte er, daß Phosphotransferasen in Anwesenheit von ATP Transphosphorylierungon katalysieren können. Weiterhin befaßte sich M. mit der Thermodynamik der chemischen Vorgänge im Muskel.

    M. war mit O. Warburg und C. Neuberg ein Begründer der dynamischen Biochemie, dessen Einfluß vor allem auf die Biochemie und Bioenergetik der chemischen Vorgänge im Muskel bahnbrechend war. Seine Beiträge zur Glykolyse waren entscheidend für die Aufstellung eines Reaktionsschemas für den Abbau der Glucose im Organismus, wodurch der Reaktionsablauf bei Gärungs- und Atmungsvorgängen weitgehend geklärt werden konnte. Mit der Entdeckung des ATP in M.s Laboratorium durch Karl Lohmann wurde der physiologisch wichtigste Energieträger charakterisiert. M. versuchte die kausalen Mechanismen der vitalen Funktionen zu finden und aufzuklären sowie auch philosophisch zu interpretieren.|

  • Awards

    Dr. h. c. (Edinburgh).

  • Works

    Erkenntniskritik u. Vernunftkritik, Das Kant-Fries’sche Problem, 1910;
    Btrr. z. psycholog. Theorie d. Geistesstörungen, in: Abhh. d. Fries’schen Schule 3, 1910, S. 99-332;
    Über Goethe's Methode d. Naturforschung, ebd., S. 383-437;
    Über d. Energiewechsel v. Bakterien, in: SB d. Heidelberger Ak. d. Wiss., math.-naturwiss. Kl., Abt. B, Biolog. Abhh., 1912;
    Zur Energetik d. Zellvorgänge, 1913;
    Über d. Vorgänge bei d. Muskelkontraktion, in: Ergebnisse d. Physiol. 22, 1923, S. 299-344 (mit A. V. Hill);
    Über d. Intermediärvorgänge d. enzymat. Kohlehydratspaltung, ebd. 39, 1937, S. 10-75;
    Chemical Dynamics of Life Phenomena, 1926;
    Atmung u. Anaerobiose d. Muskels/Thermodynamik d. Muskels/Theorie d. Muskelarbeit, in: Hdb. d. normalen u. patholog. Physiol. VIII/1, 1925, S. 476-539;
    Thermodynamik d. Lebensprozesses, in: Hdb. d. Physik XI, 1926, S. 238-271;
    Die chem. Vorgänge im Muskel u. ihr Zusammenhang mit Arbeitsleistung u. Wärmebildung, 1930 (frz. 1932);
    Energy Relationships in Glycolysis and Phosphorylation, in: Annals of the New York Academy of Sciences 45, 1944, S. 377-93.

  • Literature

    A. V. Hill, A Challenge to Biochemistry, in: Metabolism and Function, A Collection of Papers Dedicated to O. M. on the Occasion ot his 65th Birthday, ed. by D. Nachmansohn, 1950, S. 4-11 (P);
    ders., O. M., in: The Lancet 1951, S. 790 f. (auch in: Biochemica et Biophysica Acta, 1950, S. 4-11);
    ders., The Ethical Dilemma of Science and Other Writings, 1960, S. 192-94;
    D. Nachmansohn, O. M., A Tribute on his 65th Birthday, in: Metabolism and Function … (s. o.), S. 1-3 (P);
    ders., O. M., in: Proceedings of the Rudolf Virchow Medical Society 10, 1951, S. 86-91;
    ders., S. Ochoa u. F. Lipmann, O. M. 1884-1951, in: Science 115, 1952, S. 365-68;
    dieselben, O. M. 1884-1951, in: National Academy of Sciences of the United States of America, Biographical Memoirs 34, 1960, S. 153-82 (W, P);
    D. Nachmansohn, German-Jewish Pioneers in Science 1900-1933, 1979, S. 268-311;
    ders., M. and Biochemistry, in: Trends in Biochemical Science 5, 1980, S. 170-72;
    ders. u. R. Schmid, Die große Ära d. Wiss. in Dtld. 1900 bis 1933, 1988, S. 264-88;
    D. Needham, Prof. O. M., Foreign Member R. S., in: Nature (London) 168, 1951, S. 895 f.;
    A. v. Muralt, O. M., in: Ergebnisse d. Physiol. 47, 1952, S. I-XX (W);
    H. H. Weber, Nachruf auf O. M., in: Dt. Med. Wschr. 77, 1952, S. 281;
    ders., Zum Tode O. M.s, in: Die Naturwissenschaft 39, 1952, S. 217 f.;
    ders., O. M., Die Umsetzung d. Energie d. Nahrungsstoffe in d. Leistungen d. Lebewesen, in: Forscher u. Wissenschaftler im heutigen Europa, Erforscher d. Lebens: Mediziner, Biologen, Anthropologen, hrsg. v. H. Schwerte u. W. Spengler, 1955, S. 246-55;
    ders., O. M. – Werk u. Persönlichkeit, in: Molecular Bioenergetics and Macromolecular Biochemistry, Meyerhof-Symposium Heidelberg, 5.– 8.7.1970, hrsg. v. H. H. Weber, 1972, S. 3-13 (P);
    R. A. Peters, O. M., in: Obituary Notices of Fellows of the Royal Society 9, 1954, S. 175-200 (W);
    E. Hieronimus, Theodor Lessing – O. M.Leonard Nelson, Bedeutende Juden in Niedersachsen, 1964 (P);
    H. A. Krebs, O. M.s Ancestry, in: Molecular Bioenergetics … (s. o.), S. 14 f.;
    M. Engel, Zum 100. Geb.tag v. O. M., in: Univ.bibl. d. Freien Univ. Berlin, Bibliotheksinformationen Nr. 10, 1984, S. 9-11;
    M. Liefländer, O. M. u. d. Bioenergetik, in: Der dt. Apotheker 37, 1985, S. 415-27;
    W. Bechtel, Building Interlevel Theories: The Discovery of the Embden-Meyerhof Pathway and the Phosphate Cycle, in: Foundations of Biology, A Selection of Papers Contributed to the Biology Section of the 7th International Congress of Logic, Methodology, and Philosophy of Science, hrsg. v. P. Weingartner u. G. Dorn, 1986, S. 65-97;
    H.-G. Schweiger, O. M., in: Semper Apertus, 600 J. Ruprecht-Karls-Univ. Heidelberg 1386-1986, 1986, III, S. 359-75 (W);
    Drüll, Heidelberger Gel.lex.;
    Enc. Jud. 1971 (P);
    Pogg. VI, VII a;
    DSB IX.

  • Author

    Michael Engel
  • Citation

    Engel, Michael, "Meyerhof, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 393-396 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733559.html#ndbcontent

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