Lebensdaten
1874 – 1941
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Morlaàs (Pyrenäen, Frankreich)
Beruf/Funktion
Nationalökonom ; Finanzwissenschaftler
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118779931 | OGND | VIAF: 69725470
Namensvarianten
  • Liefmann, Robert
  • Liefmann

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Zitierweise

Liefmann, Robert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118779931.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Semmy (1838–95), aus Wittenburg (Meckl.). Kaufm. in H. 1874–85, dann Privatier in Freiburg (Breisgau);
    M Auguste Cassel (* 1851, isr.), aus rheinländ. Ärztefam.;
    Antonie, T d. Kreisdir. Hans Koch.

  • Biographie

    L. besuchte das Gymnasium bis 1885 in Hamburg und dann in Freiburg, wohin seine Eltern verzogen waren. Nach dem Abitur im Sommer 1893 studierte er Nationalökonomie in Freiburg, Berlin, München und Brüssel. 1895 wurde er in Freiburg von Max Weber zur Beschäftigung mit dem Thema „Kartelle“ angeregt. Hier lag der Beginn von L.s lebenslangem Interesse für die Zusammenschlüsse der industriellen Unternehmer in Deutschland und in der Welt. Nach der Promotion 1897 auf Grund der Dissertation „Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle), ihr Wesen und ihre Bedeutung“ und im Anschluß an weitere gleichartige Studien habilitierte sich L. 1900 in Gießen bei Magnus Biermer mit dem Thema „Die Allianzen, gemeinsame monopolistische Vereinigungen der Unternehmer und Arbeiter in England“. Nach Freiburg zurückgekehrt, wurde er im April 1904 zum ao. Professor und im Juli 1914 zum o. Honorarprofessor ernannt. Obwohl seit Herbst 1921 infolge einer schweren Krankheit zeitweise an den Rollstuhl gefesselt, vermochte er durch schriftstellerische Arbeiten weiterhin wissenschaftlich tätig zu sein. L. war der führende deutsche Kartelltheoretiker der damaligen Zeit. Seine Autorität auf diesem Gebiet sowie sein Ansehen als Verfasser volkswirtschaftlicher Lehrbücher verschafften ihm Weltruf. Nachdem 1933 die Lehrkräfte jüd. Abstammung an den deutschen Universitäten zum Ausscheiden gezwungen worden waren, hoffte L. in Freiburg bleiben zu können, doch am 21.10.1940, mitten in der Nacht bei einer Stunde Frist zum Packen, zwangen ihn die Behörden zur Auswanderung. Mit einem Transport südbad. Juden wurde er in das Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen gebracht, wo er – gesundheitlich geschwächt – wenige Tage nach seiner Freilassung starb.

    Im Unterschied zu den meisten Nationalökonomen verfocht L. die These, daß die Kartelle ihrem Wesen nach monopolistische Vereinigungen (Kollektivmonopole) seien. Als Hauptursache des modernen Kartellwesens sah er die Entwicklung der Großunternehmung, der Massenproduktion und des massenhaften Absatzes von Industriegütern und die hieraus resultierende Verschärfung der Konkurrenz an. Viele von L.s Publikationen zum Thema „Kartelle“ – er prägte 1905 den Begriff „Generalkartell“, welcher gemeinhin Rudolf Hilferding zugeschrieben wird – wie auch spätere Veröffentlichungen zur sozialen Frage entstanden aus Referaten, die L. vor kaufmännisch gebildeten Zuhörern in Freiburg hielt. Von jeher äußerte sich L. zu einer Vielzahl von aktuellen Problemen des Wirtschaftslebens. So wandte er sich bereits 1916 gegen das weitere Festhalten an der Notendeckung durch Gold und sprach sich gegenüber der starken sozialistischen Strömung nach Kriegsende für die Erhaltung des Privateigentums an den Wirtschaftsunternehmungen aus.

    In der nationalökonomischen Dogmengeschichte ging L. bewußt eigene Wege. Die von den Klassikern überkommene Theorie, daß der Wert der Güter durch die Kosten ihrer Herstellung oder Beschaffung bestimmt sei, lehnte er ebenso ab wie die Behauptung neuerer Autoren, daß es einen durch den|Grenznutzen bestimmten Güterwert gebe. Nach L. beruhen die Erscheinungen des Wirtschaftslebens – z. B. die Preise – zum einen auf den subjektiven Bedarfsempfindungen der Menschen und dem daraus resultierenden Handeln, zum andern auf den als „Kosten“ verstandenen Unlustgefühlen der Arbeitsmühe und müssen aus diesen psychischen Gegebenheiten erklärt werden. Hiervon ausgehend, schuf L. ein eigenes Lehrsystem als Verbindung von Ökonomie und Psychologie, welches er als „psychische Theorie“ bezeichnete. Ausgangspunkt seiner Überlegungen, die er erstmals 1907 in der Schrift „Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer rein subjektiven Wertlehre“ vorgetragen hatte, ist die Tatsache, daß die Menschen in der ganzen Welt durch den Tauschverkehr miteinander verbunden sind. L. stellte sich die Aufgabe, den Motivationsmechanismus dieses Tauschverkehrs zu erklären, wobei er mit seiner Analyse allerdings nur diejenigen Menschen erfassen kann, die etwas zu vertauschen haben. Sich an H. H. Gossen anlehnend und ihn als Vorläufer anerkennend, formulierte L. auf der Grundlage der „psychischen Theorie“ sein für die Erwerbs- wie die Konsumwirtschaft Gültigkeit beanspruchendes „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge“.|

  • Auszeichnungen

    Dr. iur. h. c. (Freiburg 1924).

  • Werke

    Weitere W u. a. Kartelle u. Trusts, 1905, ²1910 u. d. T. Kartelle u. Trusts u. d. Weiterbildung d. volkswirtsch. Organisation, ⁷1927 u. d. T. Kartelle, Konzerne, Trusts, ⁸1930/34;
    Beteiligungs- u. Finanzierungsgesellschaften, 1909, ⁵1931;
    Hermann Heinrich Gossen u. s. Lehre, in: Jb. f. Nat.-ök. u. Statistik, 3. Folge, 40. Bd., 1910;
    Geld u. Gold, Ökonom. Theorie d. Geldes, 1916;
    Grundsätze d. Volkswirtsch.lehre, I: Grundlagen d. Wirtsch., 1917, ³1923, II: Grundlagen d. Tauschverkehrs, 1919, ²1922 (Hauptwerk, in dessen Vorwort L. d. Werdegang s. ökonom. Theorie schildert u. sich - in d. späteren Aufll. - mit s. Kritikern auseinandersetzt);
    Gesch. u. Kritik d. Sozialismus, 1922;
    Kartelle, in: Hdwb. d. Staatswiss. V, 1923;
    Autobiogr. in: Die Volkswirtsch.lehre d. Gegenwart in Selbstdarst. I, 1924, S. 155-90 (W-Verz., P).

  • Literatur

    A. Amonn, R. L. als nat.ök. Schriftsteller, in: Archiv f. Soz.wiss. u. Soz.pol. 47, 1920/21, S. 523-41;
    O. Klug, R. L.s Gesetz d. Ausgleichs d. Grenzerträge, Kritik u. Beweisführung, 1929;
    A. Limberger, Das wirtsch.-theoret. Lehrgebäude R. L.s unter bes. Berücksichtigung s. Gesetzes d. Ausgleichs d. Grenzerträge, Darst. u. krit. Würdigung, Diss. Freiburg i. B. 1959 (L, Biogr.);
    A. Kruse, in: Hdwb. d. Soz.wiss. VI, 1959 (W, L);
    F. Biesenbach, Die Entwicklung d. Nat.ök. an d. Univ. Freiburg i. B. 1768-1896, 1969.

  • Autor/in

    Walter Braeuer
  • Zitierweise

    Braeuer, Walter, "Liefmann, Robert" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 525-526 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118779931.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA