Lebensdaten
1822 – 1902
Geburtsort
Graben bei Karlsruhe
Sterbeort
Heidelberg
Beruf/Funktion
Mediziner ; Chirurg ; Arzt ; Internist ; Gastroenterologe ; Schriftsteller
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 118723073 | OGND | VIAF: 41938095
Namensvarianten
  • Kußmaul, Adolf
  • Kussmaul, Adolf
  • Dr. Oribasius
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Zitierweise

Kußmaul, Adolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118723073.html [09.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Philipp Jakob (1790–1850), Physikus (Bez.arzt), zuletzt in Wiesloch, S d. Chirurgen Joh. Georg in Söllingen b. Durlach u. d. Sabine Barbara Heiduck;
    M Luise Katharina (1798–1846), T d. Glasfabr. Joh. Georg Boehringer in Buhlbach b. Freudenstadt u. d. Caroline Wilhelmine Klumpp;
    Kandern 1850 Luise Amanda (1828–98), T d. Theodor Wolf, Rentamtmann d. Frhrn. v. Gemmingen in Treschklingen u. d. Regina Baunach;
    1 S, 4 T, u. a. Luise ( Vinzenz Czerny, 1916, Chirurg, s. NDB III).

  • Biographie

    K. studierte in Heidelberg Medizin und begnügte sich, um seinem Vater die Kosten der Promotion zu ersparen, mit dem Staatsexamen als Abschluß. In seiner 1844 mit der goldenen Karl-Friedrich-Medaille ausgezeichneten Untersuchung über „Die Farbenerscheinungen im Grunde des menschlichen Auges“ (1845) erörterte er u. a. die physiologischen Voraussetzungen für die Sichtbarmachung des Augenhintergrundes, jedoch fehlten ihm die physikalischen Kenntnisse, um die von ihm bereits in Angriff genommene Konstruktion eines Augenspiegels zu vollenden. 1847/48 bereiste er Wien und Prag und lernte bei Rokitansky, Skoda, Semmelweis und Oppolzer. Nach Tätigkeit als Militärarzt (Feldzüge in Baden und in Schleswig-Holstein) und 1850-53 als praktischer Landarzt zwang ihn eine Krankheit, die körperlich anstrengende Tätigkeit aufzugeben. Während der Praxiszeit wirtschaftlich unabhängig geworden, entschloß er sich mit 33 Jahren, die Promotion nachzuholen, denn er wollte den vor fast zehn Jahren aufgegebenen Wunsch, akademischer Lehrer zu werden, doch noch in die Tat umsetzen. Zunächst wählte er als Fach die pathologische Anatomie. 1855 wurde er in Würzburg promoviert und bald darauf in Heidelberg habilitiert. R. Virchow riet K. zum klinischen Lehrfach und hat ihn mehrmals zu fördern gesucht. 1859 wurde K. als Internist nach Erlangen berufen, 1863 nach Freiburg im Breisgau und 1876 nach Straßburg. 1866 beschrieb er gemeinsam mit dem Pathologen Rudolf Maier ein neues Krankheitsbild, das den damals gewählten Namen bis heute behalten hat: Periarteriitis nodosa. 1867 und in den darauffolgenden Jahren führte er die Methode des Magen-Auspumpens ein, zunächst bei Unwegsamkeit des Magenausganges. Damit gelang es ihm, nicht nur sofort beim Patienten die schwersten Allgemeinerscheinungen zu beheben, sondern auch eine Wiederherstellung der geschädigten Schleimhaut zu erzielen. Im Rahmen dieser Arbeiten wies K. auch auf die Möglichkeit der diagnostischen Ösophago- und Gastroskopie hin und eröffnete der chemischen Untersuchung des Magensaftes ein später außerordentlich fruchtbar gewordenes Arbeitsfeld. 1874 beobachtete er die Einheitlichkeit des terminalen Stadiums der Zuckerkrankheit, das er als eine innere Vergiftung deutete. Die dabei am meisten auffallende „große Atmung“ trägt heute noch den Namen: „Kußmaulsche Atmung“. 1888 zog er sich vom Lehramt zurück und lebte seither ale Emeritus in Heidelberg.

    Zwei Eigenschaften charakterisierten den Arzt K. Erstens seine heute kaum mehr vorstellbare Vielseitigkeit: Er publizierte u. a. über das Wesen der Epilepsie, über anatomische Anomalien der Gebärmutter, über das Seelenleben der Neugeborenen, über die Technik der Thorakozentese, über die Pockenimpfung, über Tetanie, über Störungen der Sprache und hinterließ neben seinen „Jugenderinnerungen“ eine Reihe feuilletonistischer und lyrischer Versuche. Die zweite ihn wesentlich charakterisierende Eigenschaft war, daß er sich der humanen Seite seines Berufes ebenso energisch annahm wie der Forschung. Für ihn war nach seinen eigenen Worten die Sorge darum, „wie die Kissen für den Patienten gelegt werden“ ebenso wichtig wie die Lösung eines Problems der Pathologie.

    K., der mit J. V. v. Scheffel befreundet war, erfand die parodistische Figur des „Biedermaier“, indem er den damaligen Modebegriff „Biederkeit“ mit dem ironischen Allerweltswort „-maier“ verband. Er teilte seinen Einfall seinem Freund, dem Schriftsteller Ludwig Eichrodt, mit. Dieser faßte den Plan, Gedichte des Dorfschullehrers Samuel Friedrich Sauter aus Flehingen im Kraichgau, die K. während seiner Landpraxis kennengelernt hatte, unter Hinzufügung eigener Gedichte als Sammlung teils unabsichtlich (Sauter), teils absichtlich (Eichrodt u. K.) komischer Verse herauszugeben: „Die Gedichte des schwäb. Schulmeisters Gottlieb Biedermaier und seines Freundes Horatius Treuherz.“ Sie erschienen seit 1855 in den „Fliegenden Blättern“ (s. W), 1911 als gesonderte Publikation: „Das Buch Biedermaier, Gedichte von Ludwig Eichrodt und A. K. sowie von ihrem Vorbild, dem alten Dorfschulmeister Samuel Friedrich Sauter, Ges. u. hrsg. v. L. Eichrodt.“ Nach der Gestalt des „Biedermaier“ wurde, allerdings in veredelter Form, seit der Jahrhundertwende der Stilabschnitt zwischen 1815 und 1848 „Biedermeier“ benannt (s. L).

  • Werke

    Weitere W u. a. Über e. bisher nicht beschriebene eigenthüml. Arterienerkrankung (Periarteriitis nodosa), die mit Morbus Brightii u. rapid fortschreitender allg. Muskellähmung einhergeht (mit R. Maier), in: Archiv f. klin. Med. 1, 1866, S. 484-518;
    Über d. Behandlung d. Magenausweiterung durch e. neue Methode mittelst d. Magenpumpe, 1869;
    Zur Lehre vom Diabetes mellitus, in: Dt. Archiv f. klin. Med. 14, 1874, S. 1-46;
    Jugenderinnerungen e. alten Arztes, 1899, ⁶1903 (P), Forts. Aus meiner Dozentenzeit, hrsg. v. V. Czerny, 1903 (W-Verz.).

  • Literatur

    W. Fleiner, Ein Rückblick üb. d. literar. Arbb. A. K.s, in: Dt. Archiv f. klin. Med. 73, 1902, S. 1-89 (W);
    L. Edinger, in: Münchener med. Wschr. 49, 1902, S. 281-86;
    W. Fleiner, ebd. 69, 1922, S. 276-78, 313-15, 356-58;
    K. Doll, in: Bad. Biogr. VI, 1935, S. 306-15;
    H. Buess, A. K. u. d. Gewerbemed., in: Sudhoffs Archiv 37, 1953, S. 214-18;
    H. M. Koelbing, A. K., e. forschender Kliniker, in: Schweiz. Rdsch., Med. Praxis 62, 1973, S. 265-71;
    BJ VIII (W, u. VII, Tl., L);
    Pagel (P);
    BLÄ (P). - Zu „Biedermaier“: Ch. A. Williams, Notes on the Origin and Hist. of the Earlier „Biedermaier“, in: Journal of Engl. and Germanic Philol. 57, 1958, S. 403-15;
    F. Sengle, Biedermeierzeit, Dt. Lit. im Spannungsfeld zw. Restauration u. Rev., 1815–48, 3 Bde., 1971 ff.

  • Porträts

    Denkmal v. H. Volz (Freiburg, Vorgarten d. Med. Klinik);
    Gem. v. F. Lenbach, Abb. in K.s Jugenderinnerungen, s. W;
    Phot. in: Geistiges Dtld., Gal. v. Zeitgenossen Dtld.s, 1901.

  • Autor/in

    Helmut Wyklicky
  • Zitierweise

    Wyklicky, Helmut, "Kußmaul, Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 344-345 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118723073.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA