Kuhn, Hugo
- Lebensdaten
- 1909 – 1978
- Geburtsort
- Thaleischweiler bei Pirmasens (Pfalz)
- Sterbeort
- Prien am Chiemsee
- Beruf/Funktion
- Germanist ; Literaturwissenschaftler ; Hochschullehrer
- Konfession
- mehrkonfessionell
- Normdaten
- GND: 118725254 | OGND | VIAF: 24615058
- Namensvarianten
-
- Kuhn, Hugo
- Cuhn, Hugo
Biografische Lexika/Biogramme
Quellen(nachweise)
- * Kalliope-Verbund
- Archivportal-D
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Personendaten-Repositorium der BBAW [2007-2014]
- Briefwechsel zwischen Eduard Spranger und Käthe Hadlich
- * Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW)
- * Nachlassdatenbank beim Bundesarchiv
- * Autoren der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Katalog des Deutschen Kunstarchivs (DKA) im Germanischen Nationalmuseum
Literatur(nachweise)
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Literaturnachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Werknachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- * Regesta Imperii
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Objekt/Werk(nachweise)
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Genealogie
V →Georg (1880–1941), pietist. Prediger, seit 1924 Gen.sekr. d. schles. Christl. Ver. Junger Männer, S d. Georg u. d. Katherina Roeder;
M Magdalena (1875–1939), T d. Jakob Theisohn u. d. Louisa Stucky;
B →Karl Georg (1906–76), D. theol., Dr. phil., Prof. d. Theol. (1934 Tübingen, 1942 Göttingen, 1954 Heidelberg), Leiter d. Qumran-Forschungsstelle seit 1957, Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1964), Arbeitsgebiete: Umwelt d. NT, vor allem Jüd. Umwelt (s. W, L);
- ⚭ 1) 1941 Gisela (1907–61), T d. Pastors Kurt Kluge (1875–1924) u. d. Amelie Pueschel, 2) 1962 Margherita (* 1935), T d. Dr. med. Joseph Schnorrenberg u. d. Margherita Bulle;
1 S, 1 T aus 2). -
Biographie
K. verbrachte Kindheit und Jugend in der Pfalz sowie in Breslau, wo der Vater als pietistischer Prediger wirkte und zeitweilig auch dem schles. Christlichen Verein Junger Männer vorstand. Sein Studium begann er in Breslau, vor allem bei dem Kunsthistoriker Dagobert Frey, dem Philosophen Hönigswald und dem Theologen Gogarten. Waren die ersten Studiensemester noch stark von philosophischen und theologischen Interessen geprägt, so wandte sich K. mit dem Wechsel nach Tübingen 1932 als Schüler →Hermann Schneiders und Paul Kluckhohns auch dem Fach der Germanistik zu. Die Zeit zwischen der Promotion (1935) und der Habilitation (1939) wurde mit einem Stipendium für eine Rilke-Bibliographie und einer Hauslehrerstelle überbrückt. 1940 zum Kriegsdienst eingezogen, kehrte er 1943 verwundet von der Ostfront zurück, war seit 1944 Privatdozent in Tübingen (1947 apl. Professor) und wurde 1954 als Nachfolger von →Carl v. Kraus nach München berufen, wo er über seine Emeritierung 1977 hinaus bis zum Sommersemester 1978 lehrte.
K.s wissenschaftliches Arbeitsfeld war, sowohl was die behandelten Texte und Literaturepochen als auch die methodischen Fragestellungen betrifft, weit gespannt: Stofflich erstrecken sich seine Forschungen von der althochdeutschen und der mittellat. Literatur über die frühmittelhochdeutsche Dichtung (1953 und 1958) und die höfische Klassik bis ins Spätmittelalter; auch der Literatur des 19. und 20. Jh. sind einige Aufsätze gewidmet (u. a. zu Goethe, zu Novalis und zu Rilke). Die Mehrzahl seiner Einzelstudien konzentriert sich jedoch auf den Zeitraum 1000-1300, wobei sein besonderes Interesse dem Phänomen der „höfischen Liebe“ im Minnesang wie im höfischen Roman galt. Hatte sich K. in seiner Dissertation (Walthers Kreuzzugslied [14,38] und Preislied [56,14], 1935 [Teildr.]) mit →Walther von der Vogelweide beschäftigt, so eröffnete seine Habilitationsschrift (Minnesangs Wende, 1952, ²1967) einen neuen Zugang zur Liedkunst nach Walther, deren Schematismus er, musikwissenschaftliche Liedforschung einbeziehend, als bewußtes Experimentieren mit formalen Versatzstücken deutete, in dem Form und Inhalt identisch werden („objektive Form“). Die hier gezeigte Dialektik bleibt eine Konstante in K.s Mittelaltersicht. Ihre Besonderheit besteht in der Betonung der spezifisch geschichtlichen Dimension: Gebrauchssituation und -funktion bestimmen die Formstrukturen der Dichtung, Form ist zugleich Bedingung für die Inszenierungsinstanz von Literatur (u. a.: Minnesang als Aufführungsform, 1966, Kl. Schrr. II). – Auch in den Bereichen datensichernder Philologie, der Textkritik, der Edition und der Überlieferungsgeschichte hat K. nicht nur die Minnesangforschung wesentlich beeinflußt. Probleme der Textüberlieferung und die Herausgabe bisher unedierter mittelalterlicher Texte sind auch das Arbeitsziel der 1959 von K. begründeten Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayer. Akademie der Wissenschaften, der er bis zu seinem Tode vorstand. – Die Überlieferungsgeschichte, die er nicht als bloße Geschichte der Texte, sondern auch ihrer historischen „Gegebenheit“ und ihres gesellschaftlichen Gebrauchs verstand, ist der Ausgangspunkt von K.s Text-Phänomenologie. Konsequent bezog er damit, lange bevor die Germanistik sich soziologischen Fragestellungen zuwandte, die soziologische Dimension von Literatur mit ein: Der gesellschaftliche Gebrauch macht die soziale Realität der Werke aus, wie umgekehrt symbolisches Handeln als nicht reduzierbarer Teil dieser Realität gilt. Dies ist im Begriff der „Situation“ gefaßt (u. a.: Soziale Realität und dichterische Fiktion am Beispiel der höfischen Ritterdichtung Deutschlands, 1952, Kl. Schrr. I).
Auch K.s eher von der strukturalen Ethnologie als von sprachwissenschaftlich-strukturalistischen Modellen beeinflußte Untersuchungen zur Struktur von Texten verbinden den Strukturbegriff mit den historischen und sozialen Bedingungen von Literatur: Im Strukturmodell des „doppelten Cursus“ des Artusromans wird die Problematik der Balance zwischen individueller Selbstverwirklichung und gesellschaftlichem Normanspruch diskutiert, die die höfische Laienkultur und die sie tragende Schicht bestimmte (Erec, 1948, Kl. Schrr. I). Unterschiedlichen literarischen Gattungen gemeinsame Strukturgerüste konnte K. mit Hilfe seiner überlieferungsgeschichtliche und strukturalistische Deutungsansätze verbindenden Methode spezifischen historischen Situationen zuordnen (Tristan, Nibelungenlied, Artusstruktur, 1973, Kl. Schrr. III), den formelhaften „Verbrauch“ von Erzähl- und Formmotiven als konstitutiv für die späthöfische Epik nachweisen (Kudrun, 1956, Kl. Schrr. II). Die an seinen Textanalysen gewonnenen Erfahrungen verband er mit literaturtypologischen und -systematischen Überlegungen in drei ais Bausteine eines literaturgeschichtlichen Grundrisses zu verstehenden Querschnitten durch die Literatur des 13., 14. und 15. Jh. (1967, 1969, 1978). Unter dem Aspekt eines erweiterten Literaturbegriffs, der von Uberlieferungstypen ausgehend „fiktionale“ und „Gebrauchs“-Texte miteinander verbindet, diskutiert K. dabei Fragen der Epochengliederung und des Epochenbewußtseins und entwirft ein von der „Gebrauchssituation“ der Texte bestimmtes Bild der spätmittelalterlichen deutschen Literatur.
K.s Einzelinterpretationen und Epochenquerschnitte sind untrennbar mit seinen Arbeiten über literaturtheoretische Probleme verbunden: Er arbeitete über den Gegenstandsbereich der Germanistik im ganzen (Germanistik als Wissenschaft, 1954, Kl. Schrr. I), über Fragen der Methodologie und der literarischen Wertung (Versuch über schlechte Gedichte, 1958, Kl. Schrr. II) und über die literarischen Gattungen (Gattungsprobleme der mittelhochdeutschen Literatur, 1956, Kl. Schrr. I). Die Einsicht in die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit bestimmte zeitlebens seine wissenschaftliche Arbeit wie auch sein Wirken als akademischer Lehrer.
Sein wissenschaftliches Selbstverständnis, dem der Gegenstand der Germanistik stets|als Experimentierfeld philosophischer Denkoperationen galt, äußerte sich auch im Profil der Deutschen Vierteljahrsschrift während der Jahre seiner Tätigkeit als Herausgeber.|
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Auszeichnungen
Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1955).
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Werke
Weitere W u. a. Mittelalterl. Kunst u. ihre „Gegebenheit“, 1936, wieder in: Kl. Schrr. II;
Rilke u. Rilke-Lit., in: DVjS 17, 1939, S. 90-136;
„Warum gabst du uns die tiefen Blicke … “, 1941, wieder in: Kl. Schrr. II;
Stoffgesch., Tragik u. formaler Aufbau im Hildebrandslied, 1946, wieder ebd.;
Zur Deutung d. künstler. Form d. MA, 1949, wieder ebd. I;
Virginal, 1949, wieder ebd.;
Minne oder reht, 1950, wieder ebd.;
Dichtungswiss. u. Soziol., in: Studium Generale 3, 1950, S. 622-26;
Poet. Synthesis, 1950, wieder in: Kl. Schrr. II;
Hrotsviths v. Gandersheim dichter. Progr., 1950, wieder ebd. I;
Über nord. u. dt. Szenenregie in d. Nibelungendichtung, 1952, wieder ebd.;
Die Klassik d. Rittertums in d. Stauferzeit, 1170–1230, in: Ann. d. dt. Lit., hrsg. v. H. O. Burger, 1952, ²1962, S. 99-177;
Gestalten u. Lebenskräfte d. frühmhdt. Dichtung, 1953, wieder in: Kl. Schrr. I;
Zur modernen Dichtersprache, 1954, wieder ebd. II;
Struktur- u. Formensprache in Dichtung u. Kunst, 1955, wieder ebd. I;
Walther v. d. Vogelweide 51, 13: „Muget ir schouwen“, 1956, wieder ebd II;
Stil als Epochen-, Gattungs- u. Wertproblem in d. dt. Lit. d. MA, 1957, wieder ebd. I;
Frühmhdt. Lit., 1958, wieder ebd. II;
Hildebrand, Dietrich v. Bern u. d. Nibelungen, 1969, wieder ebd.;
Determinanten d. Minne, 1977, wieder ebd. III;
Allegorie u. Erzählstruktur, 1978, wieder ebd.;
„Herzeliebez frowelîn“ (Walther v. d. Vogelweide 49, 25), 1979, wieder ebd. (Muster e. krit. Textkommentierung);
Die Voraussetzungen f. d. Entstehung d. Manesseschen Hs. u. ihre überlieferungsgeschichtl. Bedeutung, ebd.;
Entwürfe z. e. Lit.-systematik d. SpätMA, 1980. -
Kleine Schriften, I: Dichtung u. Welt im MA, 1959, ²1969, II: Text u. Theorie, 1969, III: Liebe u. Gesellschaft, 1980 (W, P). - Hrsg.: Betreuung d. Lachmann-Krausschen (131965) u. d. Paulschen (101965) Walther-Ausgg. sowie d. v. C. v. Kraus übernommenen Dt. Liederdichter d. 13. Jh., I (Text), 1952, II (Kommentar), 1958, ²1978 durchgesehen v. G. Kornrumpf;
Altdt. Textbibl., seit 1951. -
Mit-hrsg.: DVjS 23-52, 1949-78;
Münthener Texte u. Unterss. z. dt. Lit. d. MA, seit 1960;
Germanistik, seit 1960;
Stud. z. Poetik u. Gesch. d. Lit., 1966-76;
Lex. d. MA, seit 1977. -
Zu B Karl Georg: Die älteste Textgestalt d. Psalmen Salomos, 1937;
Achtzehngebet u. Vaterunser u. d. Reim, 1950;
Der tannait. Midrasch Sifre zu Numeri, übers. u. erkl., 1959;
Hrsg.: Rückläufiges Hebr. Wb., 1958;
Konkordanz z. d. Qumrantexten, 1960;
Stud. z. Umwelt d. NT, 1962 ff.;
Mitarb.: Kittels Theol. Wb. z. NT I-VI, 1933-58;
RGG. | -
Nachlass
Nachlaß: Marbach, Dt. Lit.archiv.
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Literatur
W. Haug, in: DVjS 52, 1978, n. S. 526 (P);
C. Cormeau, in: Bull. Bibliographique de la Société Internat. Arthurienne 31, 1979, S. 326-29;
H. Fromm, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1979, S. 240-47 (P);
B. Wachinger, in: H. K., Entwürfe z. e. Lit.systematik d. SpätMA, 1980, S. VII-XI. - Zu B Karl Georg:
Kürschner, Gel.-Kal. -
Autor/in
Norbert H. Ott -
Zitierweise
Ott, Norbert H., "Kuhn, Hugo" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 261-263 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118725254.html#ndbcontent