Lebensdaten
1906 – 1971
Geburtsort
Rechetsberg Kreis Weilheim
Sterbeort
Höhenried am Starnberger See
Beruf/Funktion
Politiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118563793 | OGND | VIAF: 77107957
Namensvarianten
  • Knoeringen, Waldemar von
  • Der Rote Baron
  • Knoeringen, Waldemar Karl Ludwig von
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Zitierweise

Knoeringen, Waldemar von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118563793.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Clemens (1882–1926), Gutsbes., dann Gutsverwalter in R., später Bez.sekr. in Rosenheim, S d. Kaufm. Anton in Bamberg u. d. Wilhelmine Reidelbach;
    M Magdalena (1883–1963), T d. Apothekers Karl Schuster in Saal u. d. Anna Schmitt;
    Klattau 1935 Juliana (1906–75), T d. August Astner u. d. Johanna Armelini; kinderlos.

  • Biographie

    Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen den Vater, das Gut Rechetsberg zu verkaufen und ein kleines bäuerliches Anwesen in Rosenheim zu erwerben, wo K. zur Schule ging. Da er den Anforderungen auf dem Gymnasium nicht gewachsen war, besuchte er die Handelsschule und war dann im Volksbüchereiwesen tätig. Wenn mangelndes Selbstbewußtsein zu K.s Charaktereigenschaften gehörte, sind die Wurzeln hierfür wohl im Erlebnis des sozialen Abstiegs der Familie und im Versagen in der Schule zu suchen. 1926 trat K. in die SPD ein und avancierte, durch Erhard Auer gefördert, rasch zu einem führenden Funktionär der Sozialistischen Arbeiterjugend Münchens. Im März 1933 floh er nach Österreich, nach dem Dollfuß-Putsch 1934 ging er in die Tschechoslowakei. Von hier aus unterstützte er durch Einschleusen von Informations- und Propagandamaterial die illegale Parteiarbeit in Südbayern, die jedoch schon 1935 von der Polizei fast völlig unterbunden werden konnte. Er schloß sich nun der linksrevolutionären Gruppierung „Neu Beginnen“ an. Bis zu seiner erneuten Flucht – 1938 in die Schweiz, 1939 weiter nach England – baute er in Süddeutschland und Österreich eine Kaderorganisation mit 13 Stützpunkten auf. In England errichtete er die unabhängige sozialistische Sendestation „Europäische Revolution“; zu seinen Mitarbeitern gehörte der „Neubeginner“ Paul Sering (das ist Richard Löwenthal). Seit 1942 bemühte sich K. um den Zusammenschluß antifaschistischer deutscher Kriegsgefangener in England, Nordafrika und Italien. Den Sinn seiner Lehrtätigkeit an der Kriegsgefangenenschule Wilton Park sah er darin, zur Demokratie zu erziehen und Führungskräfte für die künftigen Aufgaben in Deutschland auszubilden.

    1946 kehrte K. nach Bayern zurück und wurde in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Bis 1970 blieb er Mitglied des Bayerischen Landtags (davon 8 Jahre lang als SPD-Fraktionsvorsitzender), 1949-53 war er gleichzeitig Mitglied des Bundestags. 1947-63 war er Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes der SPD, der – nach Hoegners gescheiterten Bemühungen um mehr Eigenständigkeit – wieder voll in die Gesamtpartei integriert wurde. K. betrieb das Ausscheiden der SPD 1947 aus der Koalitionsregierung in München, führte die Partei jedoch 1950 wieder in die Regierungsverantwortung zurück, um die Nachkriegsentwicklung in Bayern besser mitgestalten zu können. Das Zustandekommen der Viererkoalition (SPD, BP, BHE, FDP) 1954 war vornehmlich K.s Verdienst. 1958-61 war er stellvertretender Vorsitzender der Gesamtpartei. 1963 gab er den Vorsitz der bayerischen SPD an Volkmar Gabert ab, um sich als Leiter der 1948 gegründeten Georg von Vollmar-Akademie in Kochel ganz der Bildungspolitik widmen zu können. Der Rückzug aus der praktischen Politik fiel ihm nicht schwer. Denn trotz seiner imposanten äußeren Erscheinung und seiner rhetorischen Begabung war er im Grunde menschenscheu und besaß ein nur unterentwickeltes Verhältnis zur Macht. Er war anregend und konnte sich und andere rasch begeistern; angesichts von Schwierigkeiten resignierte er jedoch ebenso rasch.

    K.s Augenmerk galt in erster Linie der Bildungspolitik. Die Initiativen auf diesem Gebiet wurden vor allem in einem Freundeskreis um K. entwickelt, dem Johannes Pfefferkorn, Thomas Ellwein, Gerhard Szczesny, Wilhelm Ebert, Karl Gotthart Hasemann, Rudolf Schlichtinger, Hildegard Hamm-Brücher und Hans Jochen Vogel angehörten. Hier wurde auch der Gedanke einer Politischen Akademie geboren, die später in Tutzing gegründet wurde. Als die SPD Mitte der 50er Jahre ihren theoretischen Standort neu zu überdenken begann, hatte K. großen Anteil an dieser Entwicklung. Der Parteitag in München 1956 übernahm K.s Thesen zur „Zweiten industriellen Revolution“, eine Konferenz in Düsseldorf 1958 über „Die Mobilisierung des Geistes“ knüpfte an ihnen an. K.s Rede auf dem Parteitag 1958 in Stuttgart über „Sozialismus als gelebter Humanismus“ fand ebenso große Beachtung wie seine Eröffnungsrede zum Godesberger Parteitag 1959. Da K. die Gefahren einer technisch verwalteten Welt erkannte, bemühte er sich um eine „anthropologische Orientierung der Politik“, um eine Verbesserung der Mitbestimmungsmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft und um eine Reform der Sozialordnung, die eine erhöhte Machtkontrolle und Chancengleichheit ermöglichen solle. Diese Leitlinie seines politischen Handelns sah er in engem Zusammenhang mit dem Ziel seiner politischen Bildungsarbeit: Eine demokratische Ordnung könne nur mit Leben erfüllt werden, wenn es gelinge, das demokratische, kritische Bewußtsein der Menschen zu vertiefen und das Potential der gesellschaftlich aktiven Bürger zu vermehren. Diesem Ziel sollten seine Initiativen in Bayern 1961/62 unter dem Motto „Mehr Gerechtigkeit“ und „Gespräch mit jedermann“ gelten, die Diskussion 1965/66 innerhalb der bayerischen Sozialdemokratie um die „Mobilisierung der Demokratie“ und das von ihm entwickelte Modell einer „Kritischen Akademie“, dessen Verwirklichung in Inzell er nicht mehr erlebt hat.

  • Auszeichnungen

    Bayerischer Verdienstorden (1959).

  • Werke

    u. a. Kulturpol. als Staatspol., in: Christentum u. demokrat. Sozialismus, Stud. u. Ber. d. Kath. Ak. in Bayern, hrsg. v. K. Forster, H. 3, 1958;
    Mobilisierung d. Demokratie, Ein Btr. z. Demokratiereform, 1966 (mit P. Glotz, H. Rothemund u. a.);
    Die Krit. Ak. -
    Ein Modell, 1970;
    Zweckschulung od. Menschenbildung? in: der kochel-brief, 22. Jg., Nr. 2, 1971, S. 17 ff.

  • Literatur

    K. Kliem, Der Sozialist. Widerstand gegen d. Dritte Reich, dargest. an d. Gruppe „Neu Beginnen“, Diss. Marburg 1957;
    W. Hoegner, Der schwierige Außenseiter, 1959;
    L. J. Edinger, Sozialdemokratie u. Nat.sozialismus, Der Parteivorstand d. SPD im Exil v. 1933–45, 1960;
    H. J. Reichhardt, Neu Beginnen, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdtld. 12, 1963;
    M. Hereth (Hrsg.), Junge Republik, Btrr. z. Mobilisierung d. Demokratie, 1966;
    W. Röder, Die dt. sozialist. Exilgruppen in Großbritannien 1940–45, 1969;
    ders., Dtld.pläne d. soz.demokrat. Emigration in Großbritannien 1942–45, in: Vj.hh. f. Zeitgesch. 17, 1969, S. 72-86;
    W. Behr, Sozialdemokratie u. Konservativismus, Ein empir. u. theoret. Btr. z. regionalen Parteianalyse am Beispiel d. Gesch. u. Nachkriegsentwicklung Bayerns, 1969;
    W. Brandt, V. Gabert, W. Eichler, J. Felder, J. Maruhn, H.-J. Vogel u. H. Kilian, in: der kochelbrief, 22. Jg., Nr. 2, 1971 (P);
    Vom Untertan zum Staatsbürger, 130 J. bayer. Arbeiterbewegung, Ausstellungskat. München, 1977 (P).

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Knoeringen, Waldemar von" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 204-205 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118563793.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA