Lebensdaten
1503 – 1554
Geburtsort
Torgau
Sterbeort
Weimar
Beruf/Funktion
Kurfürst von Sachsen ; Herzog von Sachsen
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118712373 | OGND | VIAF: 4279523
Namensvarianten
  • Johann Friedrich der Großmütige
  • Johann Friedrich I.
  • Johann Friedrich I. der Großmütige
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Zitierweise

Johann Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712373.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Kf. Johann v. S. ( 1532, s. NDB X);
    M Sophie v. Mecklenburg;
    1526 Sibylle (1512–54), T d. Hzg. Johann III. v. Jülich-Kleve-Berg ( 1539, s. NDB X);
    4 S, u. a. Hzg. Johann Friedrich d Mittlere v. S. ( 1595, s. NDB X), Hzg. Johann Wilhelm v. S. ( 1573, s. NDB X), Hzg. Johann Friedrich d. J. v. S. (1538–65, s. ADB 14).

  • Biographie

    J. war der letzte Kurfürst von Sachsen aus dem ernestinischen Hause. Er erhielt eine sorgfältige Ausbildung an den Höfen zu Torgau und Weimar, von deren humanistisch-gelehrten Inhalten er freilich weniger profitierte als von den ritterlich-höfischen. Denn während sich seine lat. und franz. Sprachkenntnisse stets in relativ bescheidenen Grenzen hielten, war der groß gewachsene und kräftige J. in den ritterlichen Künsten, im Rennen, Stechen, Turnieren geschickt, dazu ein großer Freund des Spiels wie ein Beispiel an Trinkfestigkeit. Seine Ehe mit Sybille von Jülich war ausgesprochen glücklich. Im Alter war J. korpulent, schwerfällig und von Krankheiten geplagt.

    Früh erwachten seine theologischen Interessen, er war seit etwa 1520 ein entschiedener Anhänger Luthers, der sich in seinen Auseinandersetzungen mit radikaleren Kräften (Strauß, Karlstadt, Müntzer, zeitweilig Stein) immer wieder auf J. verlassen konnte. Nach dem Regierungsantritt seines Vaters trat er auch politisch stark hervor. J. hatte einen bedeutenden Anteil an den Bündnisverhandlungen mit Hessen und anderen Ständen (1525–26), wie an der inneren Kirchenpolitik und vor allem den Visitationen (1527–29), stand 1528 während der Packschen Händel auf der Seite der Aktionspartei und verteidigte 1530 auf dem Augsburger Reichstag die Interessen seines Hauses und seiner Konfession, ebenso 1531 bei der Wahl Ferdinands zum Rom. König und 1532 bei den Vorverhandlungen für den Nürnberger Anstand.

    Nach der Regierungsübernahme im gleichen Jahr blieb J. zunächst sowohl innen- wie außenpolitisch auf der von seinem Vater vorgezeichneten Bahn. Er vollendete die noch von diesem geplante 2. Visitation von 1533 wie die Klostersequestrationen der folgenden Jahre, setzte zugleich die um Bewahrung des Friedens und Ausgleich bemühte Reichspolitik fort, indem er im Schmalkaldischen wie Saalfelder Bunde auf Mäßigung drang, der Gewaltanwendung und der Zurückweisung des Reichskammergerichts in weltlichen Fragen abweisend gegenüberstand, der gewaltsamen Rückführung Hzg. Ulrichs von Württemberg gegenüber strikte Neutralität bewies (1534) und beim Friedensschluß von Kaaden (Kadan) seine guten Dienste einsetzte. Die erstrebte definitive Aussöhnung mit Habsburg mißlang, wie die Reise nach Wien und der dort ausgehandelte Vertrag dann doch erkennen ließen. Sie leiteten zu den Jahren der Sorge und erzwungenen defensiven Aktivitäten 1536-41 über, die noch zu Ende 1535 zum Abschluß der von Kursachsen bislang verschleppten Schmalkaldischen Bundesverfassung führten, weiterhin zur definitiven Ablehnung des vom Papst berufenen Konzils (Sommer 1536), zu der von J. angeregten Abfassung der Schmalkaldischen Artikel durch Luther (Ende 1536), schließlich zu umfänglichen Rüstungen im Innern des Landes (1537/38), verbunden mit Präventivkriegsplänen und Bündnisvorbereitungen.

    Wenn der Frankfurter Anstand vom April 1539 dann noch einmal die Kriegsgefahr beseitigte, so komplizierte sich die Lage durch das Bekanntwerden der Doppelehe des hess. Landgrafen, auf welche J. mit Entsetzen über die Sache selbst und Mitleid mit den Personen reagierte. Nur äußerst widerstrebend und ohne Illusionen ließ er sich auf die Religionsgespräche zu Speyer-Hagenau und Regensburg (Sommer 1540, Frühjahr 1541) ein. Die folgenden „Jahre der Ungewißheit“ (Mentz) sind durch wiederholte Schwankungen und politische Richtungswechsel charakterisiert. Territorialpolitische Unternehmungen von zweifelhafter rechtlicher Vertretbarkeit, wie die Einsetzung Amsdorfs zum Bischof von Naumburg-Zeitz, die Okkupation des Wurzener Stiftslandes, die Expedition gegen Hzg. Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel sowie die Unterstützung des Herzogs von Jülich gegen Einfälle niederländ. Truppen kennzeichnen J.s Politik 1542, Ungewißheit und wachsendes Mißtrauen die von 1543. Eine letzte Chance des Ausgleichs mit dem Kaiser schienen die Speyerer Verträge vom Mai 1544 zu gewähren, und diese führten im folgenden noch einmal die kursächs. Politik auf die Linie der äußersten Mäßigung zurück, bis der Regensburger Reichstag vom Juni 1546 Klarheit über die Rüstungen des Kaisers brachte.

    Den Zug der Schmalkaldischen Bundesgenossen nach Süddeutschland leitete J. persönlich, er kehrte indessen nach Besetzung großer Teile seines Staats durch böhm. und sächs.-albertinische Truppen zurück, wurde schließlich aber am 24.4.1547 bei Mühlberg von kaiserl. Truppen gefangen genommen, zum Tode verurteilt (wahrscheinlich nur zum Schein), unter Verzicht auf die Kurfürsten- und die Reichserzmarschallswürde sowie weite Teile seines Staates und bedeutende Rechtsansprüche (Wittenberger Vertrag vom 19.5.1547) begnadigt, in die Gefangenschaft abgeführt und erst 1552 (nach der Wendung Kf. Moritz' von Sachsen gegen den Kaiser) freigelassen. Eine Woche nach dem im Naumburger Vertrag mit den Albertinern erreichten Ausgleich starb der „geborene“ Kurfürst, dessen Bekenntnistreue, Gewissenhaftigkeit, Gleichmut in schwersten Lagen, Hartnäckigkeit und Sittenstrenge Zeitgenossen und Nachwelt bewunderten, während seine politischen Fähigkeiten umstritten blieben.

  • Literatur

    ADB 14;
    G. Mentz, J. F. d. G. 1503–54, 3 Bde., 1903-08 (L);
    A. Hasenclever, J. F. d. G. u. d. Katastrophe v. Mühlberg, in: Neue Mitt. a. d. Gebiet hist.-antiquar. Forschung 24, 1910;
    P. Heidrich, Karl V. u. d. dt. Protestanten am Vorabend d. Schmalkald. Krieges, T. 1-2, 1911;
    A. Keller, Die Wiedereinsetzung d. Hzg. Ulrich v. Württemberg …, Diss. Marburg 1912;
    F. Prüser, England u. d. Schmalkaldener 1535–40, 1929;
    P. Fuchtel, Der Frankfurter Anstand v. J. 1539, in: Archiv f. Ref.gesch. 28, 1931;
    W. Maurer, Confessio Augustana Variata, ebd. 53, 1962;
    G. Wilhelm, Die Konzilspol. d. Schmalkald. Bundes … 1533-39, Diss. Jena 1941 (ungedr.);
    I. Höß, Georg Spalatin, 1956;
    H. Volz, Luthers Schmalkald. Artikel, in: Zs. f. KG 68, 1957;
    Die Schmalkald. Bundesabschiede 1530–32, bearb. u. hrsg. v. E. Fabian, 1958;
    Dass. 1533–36, 1958; s. a. L zu Johann Friedrich d. Mittlere v. Sachsen.

  • Porträts

    Gem. v. Tizian, 1548 (Wien, Kunsthist. Mus.), Abb. in: Die Gr. Deutschen im Bild, 1937;
    Gem. v. L. Cranach d. Ä. (Detail e. Flügels d. Schneeberger Altars, Dresden, Gem.gal.), Abb. b. A. Graefe, Sächs. Köpfe im zeitgenöss. Bild, o. J.;
    Gem. aus d. Cranach-Werkstatt, um 1535 (Hamburg, Kunsthalle), Abb. in: Lucas Cranachd. Ä. , hrsg. v. H. Lüdecke, 1953.

  • Autor/in

    Thomas Klein
  • Zitierweise

    Klein, Thomas, "Johann Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 524-525 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712373.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Johann Friedrich der Großmüthige, Kurfürst von Sachsen, des vorigen Sohn, geb. am 30. Juni 1503 zu Torgau, war schon als Kurprinz im Auftrage seines Vaters vielfach bei den Verhandlungen der Evangelischen thätig und bewies auch als Kurfürst, seit 16. August 1532, den gleichen Eifer für die Reformation, wie jener. Von der göttlichen Wahrheit der lutherischen Lehre in tiefster Seele durchdrungen, widmete er der Consolidirung der von seinem Vater begründeten Landeskirche seine besondere Sorgfalt. Der Universität Wittenberg ist er ein zweiter Gründer geworden; da er in der Heranbildung wahrhaft lutherischer Geistlicher und in deren sorgenfreier Existenz eine Hauptbedingung für die thatkräftige Durchführung der Reformation erblickte, verlieh er ihr eine neue Stipendiatenordnung, stattete sie mit Einkünften aus den Renten mehrerer Klöster und Stifter aus, sorgte auch für „bequemen Unterhalt“ der Pfarrer, errichtete seit 1539 Consistorien, besonders um die Verwaltung der Kirchengüter zu regeln, und erneuerte die Kirchenvisitation. Auch Luther'n, vor dem er die größte Ehrfurcht hatte, das Leben sorgenfreier zu machen, erschien ihm als Pflicht. Weit weniger war er für die Aufgaben der großen Politik geschaffen, denen er sich doch als Haupt des Schmalkaldischen Bundes und damit der ganzen evangelischen Partei zu unterziehen hatte. Machte ihn schon sein starker Leibesumfang schwerfällig, so lag auch in seinem Charakter eine gewisse Hartnäckigkeit und ein Eigensinn, die sich mit seiner Glaubenszuversicht verschmolzen, aber auch die Unbefangenheit seines Urtheils trübten; die Weite des staatsmännischen Blickes war ihm versagt; die Leidenschaft für Jagd und wüstes Zechen und die Meisterschaft in letzterem theilte er mit vielen fürstlichen Zeitgenossen. Für eine kühne, aggressive Politik an der Spitze der Evangelischen, wie sie Philipp von Hessen vertrat, war daher J. Fr. nicht gemacht; wie er dem Landgrafen dringend die Zurückführung Ulrichs von Würtemberg widerrathen hatte, so half er die daraus drohende Störung des Friedens durch den Vertrag zu Kadan 1534 beseitigen und ebenso wirkte er 1539 zu dem sogen. Frankfurter friedlichen Anstand mit, der die durch den Heiligen Bund geweckten Befürchtungen der Evangelischen zerstreuen sollte. Lieber suchte er seinen Vortheil in der Nähe, aber gerade dadurch half er die Verwickelungen vorbereiten, die seinen Sturz herbeiführten. Sein Verfahren gegen das unter seinem Erbschutz stehende Bisthum Naumburg, wo er den nach dem Tode des Administrators Philipp von der Pfalz von dem Kapitel rechtmäßig zum Bischof gewählten Julius v. Pflugk verdrängte, aus eigener Machtvollkommenheit statt desselben einen evangelischen Bischof in der Person Nie. v. Amsdorf's ernannte und die weltliche Regierung des Stifts einem von ihm eingesetzten Schutzhauptmann übergab, ein Verfahren also, welches der Säcularisirung und Reformirung des Bisthums gleichkam und das erste derartige Beispiel im Reiche war, hat wesentlich dazu beigetragen, in Karls V. Geiste den Gedanken an die gewaltsame Zurückdrängung der Reformation zur Reife zu bringen. Und durch die zu einem nicht geringen Theil von ihm verschuldete Entfremdung von seinem jungen Vetter, dem Albertiner Moritz, hat er selbst dem Kaiser die Waffe schmieden helfen, durch die er nachher geschlagen wurde. Wenn nämlich der schwache Herzog Heinrich der Fromme sich ganz unter die Leitung des Kurfürsten gestellt, noch bei Lebzeiten seines Bruders Georg sich durch ihn für den Schmalkaldischen Bund hatte gewinnen lassen, und wenn nach Georgs Tode die Einführung der Reformation förmlich unter Aufsicht Johann Friedrichs und seiner Theologen vor sich gegangen war, so besaß doch Heinrichs Nachfolger, Moritz, viel zu viel Selbständigkeit und Ehrgeiz um sich ebenfalls eine solche Unterordnung gefallen zu lassen, die andererseits der Kurfürst für um so selbstverständlicher ansah, als Moritz eine Zeit lang an seinem Hofe aufgewachsen war und er selbst dazu beigetragen hatte, daß demselben das Herzogthum, gegen seines Oheims Georg letzte Pläne, erhalten blieb. Moritz' Anschuß an Philipp von Hessen gab dieser Entfremdung neue Nahrung. Zum offenen Conflict steigerte sich dieselbe, als J. F. Anstalt machte, das in Naumburg Begonnene nun auch in dem unter dem gemeinschaftlichen Schutze beider Linien stehenden Collegiatstift Wurzen unter dem Vorwande der verweigerten Türkensteuer fortzusetzen. So nachdrücklich widersetzte sich Moritz diesem Eingriff in seine Rechte, daß es zum Kampfe gekommen sein würde, wenn nicht der herbeieilende Landgraf den Hader ausgeglichen hätte, aber der Groll blieb in den Herzen der Vettern zurück. Es beweist zugleich diese Wurzener Stiftsfehde, wie mancher andere Vorfall, wie wenig J. F. es verstand, die evangelische Partei als eine einheitliche, geschlossene zusammenzuhalten. Dem äußeren Schein nach ließen sich allerdings in den nächsten Jahren die Dinge friedlich an; auf dem Reichstage zu Speyer 1544 gab der Kaiser beruhigende Zusicherungen; auch J. F. war diesmal in Person erschienen, obschon erst das Jahr vorher der Kaiser seinem Schwager Wilhelm von Cleve Geldern mit Gewalt entrissen und ihn auf jede Veränderung in der Religion zu verzichten gezwungen hatte, er erkannte nunmehr, 11. Mai 1545, ohne Vorbehalt Ferdinand als römischen König an und erhielt dafür die früher verweigerte kaiserliche Bestätigung seines Ehevertrags mit Sibylle von Jülich-Cleve, der die sächsische Erbfolge nach dem Abgange des dortigen Mannsstammes festsetzte. Heimgekehrt, überließ sich J. Fr. den Geschäften des Friedens und dem behaglichen Genuß der Ruhe, hatte auch zu Torgau, Schweidnitz, Schellenberg bei Jagd und Gelage Begegnungen mit Moritz. Er hielt sich überzeugt, daß es dem Kaiser mit dem Frieden Ernst sei, während dieser, seitdem der Schmalkaldische Bund den Herzog Heinrich von Braunschweig seines Landes Vertrieben und die Protestanten 1545 zu Worms die Beschickung des Concils verweigert hatten, fester denn je entschlossen war, den Gehorsam im Reiche und die Einheit der Kirche mit Gewalt wieder herzustellen. Auf die Länge freilich konnte auch J. Fr. nicht die Augen vor den Anzeichen des drohenden Ungewitters verschließen; er ließ von allen Kanzeln das Volk zur Buße und Besserung ermahnen, um das Unglück abzuwenden, aber rechtzeitige und energische Gegenmaßregeln zu treffen, dazu waren sein geistiges Phlegma, sein Mangel an Weltklugheit, sein einfältiges Gottvertrauen, endlich auch sein tiefes Gefühl der reichsständischen Pflicht gegen den Kaiser nicht fähig. Den von Landgraf Philipp vorgeschlagenen Bund zwischen ihnen und Moritz lehnte er, aus Mißtrauen gegen letzteren, ebenso ab, wie er, zumeist aus confessioneller Engherzigkeit, jeder Hilfsleistung für den Erzbischof Hermann von Köln widersprach, selbst mit dem im Januar 1546 zu Regensburg eröffneten Religionsgespräch war er aus Furcht vor der Nachgiebigkeit der Theologen nicht einverstanden und blieb dem ebendahin ausgeschriebenen Reichstage fern. Erst als der Kaiser offenbare Anstalten zum Kriege traf und Theologen und Rechtsgelehrte den zur Vertheidigung geführten Krieg für rechtmäßig erklärt hatten, kehrte ihm die Entschlossenheit zurück. Seiner schweren Leibesbürde ungeachtet führte er seine Truppen, größtentheils aus Landsassen bestehend, die er nicht fremdem Befehl untergeben mochte, in Person ins Feld, aber die Mißhelligkeiten zwischen ihm und dem Landgrafen, sein rechthaberisches Selbstgefühl und seine|Gewissensbedenken wegen einer Offensive gegen den Kaiser verscherzten die Vortheile, welche die schnellere Rüstung den Schmalkaldenern gab, und ließen dem. Kaiser Zeit, seinerseits die Offensive zu ergreifen und durch seinen Verbündeten, den Herzog Moritz, dem er die Vollstreckung der am 20. September über den Kurfürsten verhängten Acht übertragen hatte, einen entscheidenden Schlag gegen den Rücken desselben führen zu lassen. Moritz brach in das ernestinische Sachsen ein, indem er dem Kurfürsten erklärte, er thue dies nothgedrungen, um nicht das Land in fremde Hände kommen zu lassen und bemächtigte sich des ganzen Landes mit Ausnahme der festen Plätze Eisenach, Gotha und Wittenberg so leicht und schnell, daß allgemein die Beschuldigung des Verraths laut wurde. Befand sich ohnehin schon das Bundesheer an der Donau in Folge von Mangel und Krankheit in einem der Auflösung nahen Zustande, so bestimmte den Kurfürsten diese Schreckensbotschaft zu schleunigster Heimkehr. Mit einer an ihm nie gekannten Energie und Rührigkeit führte er seine 20 000 Mann von Mengen aus, absichtlich sich den Anschein regelloser Flucht gebend, in getrennten Schaaren über Aschaffenburg und Fulda nach Thüringen, dort von den Bewohnern als Befreier empfangen. Ein offenes Ausschreiben an Moritz' Stände vom 22. December bezeichnete seine Ankunft. Schon am Neujahrstag hielt er seinen feierlichen Einzug in Halle, er hatte seinen Gegner vollständig überrascht. Die Begeisterung des protestantischen Klerus und Volkes begleitete seinen Siegeszug. Zu seinem Unglück verlor er aber drei kostbare Wochen mit der vergeblichen Belagerung von Leipzig, dessen Reichthum ihm zur Bezahlung seines Heeres dienen sollte und weitere Zeit durch das ebenso vergebliche Warten auf eine Erhebung der Böhmen zu seinen Gunsten, und dieser Zeitverlust wurde weder durch den gelungenen Ueberfall und die Gefangennahme des Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach in Rochlitz am 2. März, noch auch durch die Besitznahme fast des ganzen albertinischen Sachsens bis auf Pirna, Dresden und Freiberg, welche Moritz zum Abzug nach Böhmen nöthigte, aufgewogen. Denn dadurch eben erhielt der Kaiser Zeit, nachdem auch alle von Philipp von Hessen und Wilhelm von Cleve unternommenen Sühneversuche vergeblich geblieben waren, zum Beistand seines bedrängten Verbündeten heranzukommen. Dies bewog den Kurfürsten, sich bei Meißen über die Elbe zurückzuziehen und die dortige Brücke abzubrennen, um gedeckt durch den Strom mit seinem durch Entsendungen geschwächten Heere das feste Wittenberg zu erreichen. Als er aber bis Mühlberg gekommen war, dort, am Sonntag Misericordia, 24. April, in Völliger Sorglosigkeit der Predigt beiwohnte und dann seine Mahlzeit einnahm, gewannen der Kaiser und Moritz mit Benutzung einer Furth und gedeckt durch den Nebel, den Uebergang über den Fluß und zwangen den Kurfürsten, der sich nun zu eiligem Abzug anschickte, um unter dem Schutze des Gehölzes und der Nacht noch davonzukommen, Stand zu halten. Ein Versuch Moritz', vor dem entscheidenden Angriff, ihn durch das Versprechen seiner Vermittelung zur Ergebung zu vermögen, wurde von J. Fr. kurz abgewiesen. Mannhaft fechtend, am Backen verwundet, mußte sich der Kurfürst auf der Lochauer Haide und zwar auf der die Schweinhard genannten Stelle derselben, nachdem seine Reiterei gesprengt worden war, einem meißnischen Edelmann, Thilo von Trotha auf Krosigk, ergeben. Diesem entrissen Spanier seinen Gefangenen, Alba führte ihn vor den Kaiser, der ihn hart anließ, und übergab ihn dann dem Gewahrsam des Alonso Vives. Da trotz dieser entscheidenden Niederlage das von der Kurfürstin Sibylle vertheidigte Wittenberg sich weigerte, die Thore zu öffnen, so suchte der Kaiser, der sich nicht mit einer langwierigen Belagerung aufhalten mochte, den Widerstand dadurch zu brechen, daß er den gefangenen Kurfürsten durch ein Kriegsgericht unter Alba's Vorsitz als Aechter und Rebellen am|10. Mai zum Tode verurtheilen ließ. Eben mit seinem Schicksalsgefährten, Herzog Ernst von Grubenhagen, beim Schachspiel sitzend, hörte J. Fr., wie erzählt wird (Müller. Annalen des Hauses Sachsen, S. 106), das Urtheil mit großem Gleichmuth an; „Pergamus“, wandte er sich zu seinem erschrockenen Mitspieler. Daß Karl V. an eine Vollstreckung des Urtheils gedacht habe, läßt sich nicht annehmen. Auf Fürbitten des Kurfürsten von Brandenburg, Moritzens und Herzogs Wilhelm von Cleve wurde dasselbe gemildert. In der Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai verzichtete J. Fr. für sich und seine Nachkommen zu Gunsten des Herzogs Moritz, der dafür Johann Friedrichs drei Söhnen verschiedene Aemter in Thüringen mit einem Jahreseinkommen von 50 000 Gulden überließ, auf das Kurfürstenthum, desgleichen auf alle Rechte an Magdeburg, Halberstadt und Halle und versprach, des Kaisers Gefangener nach dessen Belieben, entweder am Hofe oder in Spanien zu bleiben. Nur zur Anerkennung des Tridentiner Concils war er unter keiner Bedingung zu bewegen.

    Mit diesem jähen Sturze war Johann Friedrichs politische Rolle zu Ende, nicht aber seine Bedeutung für das evangelische Deutschland. Die heitere Ruhe, mit der er sein Unglück hinnahm, die Unerschütterlichkeit seiner religiösen Ueberzeugung, der gegenüber jede irdische Rücksicht klein und werthlos erschien, machten ihn zum leuchtenden Vorbilde seiner Glaubensgenossen in dieser Zeit tiefer Entmuthigung und nöthigten selbst seinen Gegnern Bewunderung ab. „Er ist edel“, berichtet der Engländer Roger Ascham, „tapfer, standhaft, in allen Wechselfällen des Lebens stets derselbe, ersehnt von seinen Freunden, geachtet von seinen Feinden, beim Kaiser nicht ohne Gunst, von allen geliebt“. Wieviel auch dem Kaiser daran lag, ihn zur Annahme des Augsburger Interims zu bewegen, weil er sich von seinem Beispiele den größten Eindruck auf die übrigen protestantischen Stünde versprach, so wies er doch diese Zumuthung mit einer alle Schwankenden und Abgefallenen beschämenden Standhaftigkeit zurück. „Alles“, erklärte er. „habe er bisher hintangesetzt, um das Wort Gottes lauter und rein zu erhalten; obwohl er bereits Alles verloren und ein armer Gefangener geworden, solle ihn doch Gott davor behüten, daß er nun zuletzt noch davon abweichen, die erkannte Wahrheit verleugnen und das Papstthum wieder annehmen solle; möge der Kaiser mit ihm schaffen, was ihm beliebe, nimmer werde er in das Interim willigen“. Dabei blieb er trotz Drohungen, trotz der Verschärfung seiner Haft durch Beschränkung des Tisches, Absonderung und Entziehung aller Bücher, selbst der Bibel. Ebenso warnte er seine Söhne, sich mit Moritz in keinen Beihandel einzulassen. Erst des letzteren Erhebung brachte ihm die Befreiung. Am 19. Mai 1552, dem Tage von Karls V. Flucht aus Innsbruck, wurde er im Schloßgarten daselbst seines Gefängnisses ledig gezählt, nur solle er dem Kaiser vorerst bis auf weiteres folgen; derselbe hegte wol den Gedanken, sich Johann Friedrichs gegen Moritz zu bedienen, aber dieser hatte keinerlei Neigung, sich dazu brauchen zu lassen. Seine vollständige Freiheit erhielt er, trotz König Ferdinands Gegenvorstellungen, zu Augsburg am 1. September, nachdem er am 27. August einen die Wittenberger Kapitulation bestätigenden Revers unterschrieben hatte und durch einen Restitutionsbrief von demselben Tage der Reichsacht entledigt und in die ihm durch die Wittenberger Kapitulation zuerkannten Würden, Gerechtigkeiten und Länder wieder eingesetzt, ihm auch die Erlaubniß, Gotha von neuem zu befestigen, ertheilt worden war. Die Heimkehr des fürstlichen Märtyrers über Nürnberg und Bamberg glich einem Triumphzuge; wohin er kam, strömte das Volk ihm entgegen. In Koburg begrüßten ihn sein Bruder, seine treffliche Gemahlin Sibylle, die jetzt zum ersten Male seit seiner Gefangenschaft die Trauerkleider abgelegt hatte, und sein ältester|Sohn mit unaussprechlicher Rührung, zu Jena empfingen ihn Professoren und Studenten der neugegründeten Universität. „Sieh da, das ist Bruder Studium“, sagte er hocherfreut zu seinem treuen Leidensgefährten Lucas Cranach. Dann nahm er seinen Sitz zu Weimar. Das kleine ihm verbliebene Gebiet vergrößerte sich noch bei seinen Lebzeiten durch den Anfall von Koburg nach dem Tode seines Bruders Johann Ernst. Mit Kurfürst Moritz erhoben sich bald neue Mißhelligkeiten, da J. Fr. fortfuhr, sich des kurfürstlichen Titels und Wappens zu bedienen, auch sich beschwerte, daß die seinen Söhnen 1547 ausgesetzten Gebiete bei weitem nicht die ihnen zugesicherte Summe von 50000 Gulden trügen; Moritz' Tod bei Sievershausen erfüllte ihn sogar mit Hoffnungen auf Wiedererlangung des Verlorenen, die jedoch sofort an der Moritzens Bruder im August 1548 ertheilten Mitbelehnung scheiterten. Der Naumburger Vertrag vom 24. Februar 1554 legte endlich die noch zwischen beiden Linien streitigen Punkte bei; J. Fr. erhielt durch denselben zur Erfüllung der jährlichen 50000 Gulden Altenburg und noch einige andere Aemter, sowie das Recht, auf Lebenszeit den Titel „geborener Kurfürst“ zu führen. Nur wenige Wochen genoß er desselben; am 3. März starb J. Fr. zu Weimar, nachdem seine Gemahlin ihm am 21. Februar vorangegangen und er noch Tags vorher unter den herzlichsten väterlichen Ermahnungen von seinen Söhnen Abschied genommen hatte. „Die Bekenntniß und Beständigkeit Herzog Johann Friedrichs“, bezeugt Melanchthon von ihm, „hat unserer Kirche mehr gefrommt, als vielleicht die Victoria hätte dienen mögen, da ohne Zweifel die Bundesgen offen unter einander selbst uneins geworden wären“. Sein Standbild, von Drake entworfen, steht auf dem Markt von Jena, dessen Universität auf seinen Rath gestiftet worden war. Der Ehe Johann Friedrichs mit Sibylle von Cleve, vermählt am 9. März 1527, entstammten drei Söhne: Johann Friedrich der Mittlere von Gotha, Johann Wilhelm und Johann Friedrich der Jüngere.

    • Literatur

      Matth. Ratzenberger's, kurf. Leibarztes, Historia arcana oder geheime Verzeichnisse von M. Luthero, Ph. Melanchthone, item von denen drey Churfürsten zu Sachsen Johann Friedrich, Moritz und August, mit erläuternden und widerlegenden Anmerkungen herausgegeben von G. T. Strobel, 1774, neuerdings 1850 von Neudecker,
      J. M. Weichselfelder, Leben Johann Friedrichs des Großmüthigen, Frankfurt 1754,
      J. G. Müller, Jugendliche Geschichte des Churfürsten Johann Friedrichs des Großm. Jena 1765.
      Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, IV.
      R. Aschams Charakteristik des Kurfürsten bei Katterfeld, Roger Ascham (1879). S. 263 ff. — Zahlreich ist die monographische Litteratur zu seiner Geschichte; dahin gehören u. a.
      Schwarz, Johann Friedrichs des Großm. Correspondenz mit Brück und Amsdorf vor dem Reichstag von 1545, in Zeitschr. des Vereins für thüring. Geschichte und Alterthum,
      J. Burkhardt, Briefe der Herzogin Sibylle an ihren Gemahl Johann Friedrich, 1869.
      Derselbe, Die Gefangenschaft Johann Friedrichs des Großm. 1863.
      v. Reitzenstein, Briefwechsel Johann Friedrichs des Großm. mit seinem Sohne Johann Wilhelm im Decbr. 1546. 1858.

  • Autor/in

    Flathe.
  • Zitierweise

    Flathe, Heinrich Theodor, "Johann Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881), S. 326-330 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712373.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA