Wüster, Eugen
- Lebensdaten
- 1898 – 1977
- Geburtsort
- Wieselburg (Niederösterreich)
- Sterbeort
- Wien
- Beruf/Funktion
- Industrieller ; Interlinguist ; Normungs- und Terminologiefachmann
- Konfession
- katholisch
- Namensvarianten
-
- Wüster, Eugen Bernhard Caspar
- Wüster, Eugen
- Wüster, Eugen Bernhard Caspar
- Wüsther, Eugen
- Wüster, Eugen Bernhard Kaspar
- wüsther, eugen bernhard caspar
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Wüster, Eugen Bernhard Caspar
| Industrieller, Interlinguist, Normungs- und Terminologiefachmann, * 3.10.1898 Wieselburg (Niederösterreich), † 29.3.1977 Wien, ⚰Wieselburg. (katholisch)
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Genealogie
Aus rhein., weit verzweigter Industr.fam.;
V →Eugen Bernhard (1864–1951), Industr. in Wieselburg, S d. →Heinrich (1833–1915), Industr., u. d. Juliane Deitermann (* 1833);
Ur-Gvv →Johann Heinrich (Hinderich) (1788–1863), Gründer e. Sägenschmiede u. 1817 d. Fa. „I. H. Wüster“, Industr. in Remscheid;
M →Juliana (Julie) (1876–1973), Vfn. v. autobiogr. Aufz. (s. L), T d. →Caspar Bartenstein (1846–1912), aus Alberschwende (Vorarlberg), Brauereibes. in Wieselburg, stiftete hier 1892 d. Bartensteinkapelle, die W. 1967 kaufte u. sein S 1984 an d. Österr. Brau AG verkaufte, heute im Bes. d. Stadtgde. Wieselburg (s. L), u. d. Juliana N. N., aus Yspertal;
GrOv →Bernhard (1840–99), →Albert (1843–1905), beide Industr. in Wieselburg, ließ hier d. „Villa Albert“ bauen;
– ⚭ 1940 →Ingeborg Huber (1918–1979), aus Linz, Künstlerin;
1 S →Thiele (* 1943), Industr., 1 T →Tryn (* 1947). -
Biographie
W. verbrachte seine Schulzeit in Hirschberg (Niederschlesien), wo er 1918 die Reifeprüfung am Humanistischen Gymnasium ablegte. Danach studierte er an der TH Berlin-Charlottenburg Elektrotechnik. Nach dem Erhalt des Ingenieurdiploms 1927 setzte er sein Studium an der TH Stuttgart fort und wurde hier 1931 bei →Rudolf Mehmke (1857–1944) und →Immanuel Hermann (1870–1945) im Bereich Elektrotechnik zum Dr.-Ing. promoviert. Noch im selben Jahr übernahm er als Geschäftsführer die 1897 in Wieselburg gegründete Firma „Wüster & Co.“ (zuletzt in Erlauf, Eröffnung d. Insolvenzverfahrens 2003).
Sie war Teil des erfolgreichen Firmenimperiums, das W.s →Großvater und Großonkel 1866 an mehreren Standorten in Österreich gegründet hatten und in dessen Mittelpunkt die Produktion von Sägen, anderen Werkzeugen und Metallwaren stand.
Bereits in seiner Jugend entwickelte sich W.s Interesse an Sprache und an den Sprachen der Welt, wobei sein besonderes Augenmerk auf der von →Ludwik Zamenhof (1859–1917) 1887 entwickelten Welthilfssprache Esperanto lag. Als Schüler übersetzte er (u. a. A. v. Chamisso, Peter Schlemihl‘ s wundersame Gesch., 1922) und publizierte eigene Gedichte und Prosa in Esperanto. Zudem begann er, Wortmaterial für sein bis heute gültiges Wörterbuch Esperanto-Deutsch zu sammeln, dessen erster Teil 1923 erschien (Enciklopedia Vortaro Esperanta-Germana, Bd. 2–4, 1925–29). Im Rahmen dieser lexikographischen Arbeit interessierte sich W. zunehmend für die Logik und Systematik des Esperanto wie in der Folge auch anderer „Plansprachen“ – ein Begriff, den W. in seiner Dissertation geprägt hatte – sowie natürlicher „Nationalsprachen“.
Ausgehend von deren Vergleich, entwickelte er in den nächsten Jahrzehnten seine logischsystematische Sichtweise, die er von Anfang an auf die Grundideen der Sprachplanung und -normung anwendete. Aufgrund dieser Forschungsarbeiten gilt W. als Mitbegründer der Esperantologie und Interlinguistik.
Mit seiner Dissertation „Internationale Sprachnormung in der Technik, besonders in der|Elektrotechnik, Die nationale Sprachnormung und ihre Verallgemeinerung“ (1931, ³1970) legte W. den Grundstein für die Terminologiewissenschaft, wie sie heute weltweit betrieben wird, und gab der internationalen Normung und Vereinheitlichung von Fachterminologien wichtige Impulse. Die Schlußfolgerungen aus seinen über Jahrzehnte betriebenen interlinguistischen und terminologiewissenschaftlichen Untersuchungen publizierte W. in seinem Aufsatz „Die Allgemeine Terminologielehre, Ein Grenzgebiet zwischen Sprachwissenschaft, Logik, Ontologie, Informatik und den Sachwissenschaften (in: Linguistics 119, 1974, S. 61–106) sowie der „Einführung in die Allgemeine Terminologielehre und Terminologische Lexikographie“ (2 T., 1979, ³1991, zahlr. Überss.) und formulierte damit Grundsätze und Methoden für die internationale Terminologiearbeit.
Die Übersetzung von W.s Dissertation in das Russische 1935 nahm man im Normungsinstitut der Sowjetunion zum Anlaß, 1936 die Einrichtung eines Internationalen Fachnormenausschusses für Terminologie bei der International Standards Association (ISA) zu beantragen, was im selben Jahr zur Gründung des „Technischen Komitees ISA 37 Terminologie“ führte. 1946 wurde die ISA als International Standards Organization (ISO) wiedergegründet, bei der 1952 auf W.s Betreiben das ursprüngliche Komitee als ISO/TC 37 wiedereingerichtet wurde. Seither werden dort in mehreren Subkomitees und zahlreichen Arbeitsgruppen internationale terminologische Grundsatznormen auf den von W. geschaffenen Grundlagen erstellt.
Neben seiner Bedeutung als Pionier der Fachlexikographie, Terminologiearbeit und Interlinguistik war W., der sich 1955 an der Universität für Bodenkultur in Wien mit der Schrift „Die Herstellung der Sägeblätter für Holz“ (1952, Nachdr. 2013) habilitierte, hier 1955–72 als ao. Professor für „Holzbearbeitungs-Maschinen und -Werkzeuge“ und 1972–74 als Honorarprofessor am Institut für Sprachwissenschaft der Univ. Wien lehrte, lange Jahre ein international vielbeachteter Experte für die Weiterentwicklung der Internationalen Dezimalklassifikation (UDC), der Methoden des Dokumentationswesens und in der Rechtschreibreform für die dt. Sprache. Dabei war er stets auf die Schaffung dauerhafter Infrastrukturen und internationaler Netzwerke bedacht: 1971 wurde auf W.s Betreiben unter dem Dach der UNESCO das Internationale Informationszentrum für Terminologie (INFOTERM) unter der Leitung von →Helmut Felber (1925–2005) gegründet, das noch heute die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Terminologie erfolgreich unterstützt. Schon zu Lebzeiten W.s bildete sich die „Wiener Schule der Terminologie“, zu der neben Felber u. a. →Heribert Picht (* 1940), →Christian Galinski (* 1944), →Klaus-Dirk Schmitz (* 1951), →Erhard Oeser (* 1938), →Hildegund Bühler (1936–2009) und →Gerhard Budin (* 1961) zählen.
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Auszeichnungen
|Ehrenmitgl. d. Esperanto-Weltbundes, Genf (1933), d. Wiener Sprachges. (1969), d. Ver. Muttersprache, Wien (1970), d. Österr. Normungsinst. (1970, Ehrenvors. d. Fachnormenausschusses „Terminol.“ 1975), d. Österr. Ges. f. Dokumentation u. Information (ÖGDI) (1971) u. d. Dt. Normungsinst. (DIN) (1974);
Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Rep. Österr. (1960);
Goldene Ehrenmünze d. Österr. Ing.- u. Architektenver. (1963);
Kommerzialrat (1966);
Gr. Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Bundesland Niederösterr. (1968);
Silberne Ehrenmedaille d. Handelskammer Niederösterr. (1968);
Österr. Ehrenkreuz f. Wiss. u. Kunst I. Kl. (1969);
Ehrenring d. Marktgde. Wieselburg (1971);
Goldene Ehrennadel d. Bundesverbandes d. Dolmetscher u. Überss. (BDÜ) d. Bundesrep. Dtld. (1973);
Diamond Jubilee Medal of the Inst. of Linguists (London, 1974);
Ehrenbürger d. Stadtgde. Wieselburg (1976);
– E. W. Prize d. Internat. Informationszentrums f. Terminol. (INFOTERM) f. bes. Leistungen in d. Terminol. forsch. u. -wiss. (seit 1997);
E.-W.-Sonderpreis (einmalig 2005);
Dr.-E.-W.-Weg, Wieselburg (seit 1998). -
Werke
Weitere W Esperanto u. der Techniker, Die Bedeutung d. Welthilfssprache Esperanto f. den Techniker, ihr Wesen u. ihre Ausbreitung seit d. Weltkriege, 1+2 1924;
Sprachnormung in d. Technik, in: DIN-Mitt. 18, 1935, H. 11/12, S. 345 f.;
Sprachtechnik u. Nachrr.technik, in: ÖTF, Österr. Zs. f. Telegraphen-, Telephon-, Funk- u. Fernsehtechnik 2, 1948, H. 5/6, S. 102–07;
The Coming Concentration of Internat. Terminology Work, in: Review of Documentation 19, 1952, Nr. 1–7;
Das Worten der Welt, schaubildl. u. terminol. dargest., in: Sprachforum 3, 1959/60, Nr. 3/4, S. 183–204;
The Machine Tool, An Interlingual Dict. of Basic Concepts, English-French Master Vol., Under the Auspices of the UN ECE under the Direction of E. W., 1968, dazu d. dt. Erg.bd. „Grundbegriffe b. Werkzeugmaschinen“, 1967;
Die Ausbildung in Terminol. u. terminol. Lexikogr., in: Lebende Sprachen 20, 1975, Nr. 2, S. 33–38;
Terminol. u. Wissensordnung, Ausgew. Schrr. aus d. Gesamtwerk v. E. W., hg. v. H. Picht u. K.-D. Schmitz, 2001;
– Bibliogr.: A. Lang u. a., Bibliogr. d. Arbb. W.s auf d. Gebieten d. Terminol., Dok., Klassifikation, Normung u. Sprachwiss., in: H. Felber u. a. (Hg.), Terminol. als angewandte Sprachwiss., Gedenkschr. f. Univ.-Prof. Dr. E. W., 1979, S. 29–59 (P);
H. Felber, Eine erw. W.-Bibliogr. 1931–1977, in: E. Oeser u. Ch. Galinski, 1998 (s. L), S. 235–323;
– Nachlaß: Slg. f. Plansprachen u. Esperantomus. d. Österr. Nat.bibl., Wien (esperantobezogener Teilnachlaß 1920–1938);
E.-W.-Archiv u. Zentrum f. Translationswiss. d. Univ. Wien (Materialien zu Terminol., Normung, Dok., Orthogr. etc.). -
Literatur
|H. Felber, in: Lebende Sprachen 22, 1977, S. 141 f. (P);
E. Oeser u. Ch. Galinski (Hg.), E. W. (1898 –|1977), Leben u. Werk, Ein österr. Pionier d. Informationsges., 1998 (P), darin: F. Lang, E. W., His Life and Work until 1963, S. 13–26, H. Felber, Weltweite terminol. Tätigkeit zw. 1965 u. 1985 (W.s Lebenswerk), S. 69–104, Thiele Wüster, 100 J. Wüster &
Co. Wieselburg 1889–1989 (Auszüge), S. 207–34, u. D. Blanke, Terminology Science and Planned Languages, S. 133–68;
ders., Zur Rolle v. Plansprachen im terminol.wiss. Werk v. E. W., in: Language Problems and Language Planning 22, 1998, Nr. 3, S. 267–79;
F. Lang, E. W., Zum 100. Geb.tag, Ein Elektrotechniker als Terminologe, in: Elektrotechnik u. Informationstechnik 115, 1998, H. 11, S. 625–27;
G. Budin, W., Schmitz u. d. Folgen, Entwicklungslinien d. Terminol.lehre u. ihrer Anwendungsbereiche, in: B. Ahrens u. a. (Hg.), Verschmitzt! Von Terminol. u. Terminologen, FS K.-D. Schmitz, 2018, S. 89–105;
– zu Julie: I. M. Weiß, Julie, Der gr. Dame d. Hauses W. z. 130. Geb.tag gewidmet, 2006 (P); zu Caspar Bartenstein: I. M. Weiß, Julies Vater, Zum 160. Geb.tag gewidmet, 2006 (P). -
Porträts
|Photogrr. (Univ. Wien, Bildarchiv).
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Autor/in
Gerhard Budin -
Zitierweise
Budin, Gerhard, "Wüster, Eugen Bernhard Caspar" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 532-534 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142981.html#ndbcontent