Wollasch, Joachim
- Lebensdaten
- 1931 – 2015
- Geburtsort
- Freiburg (Breisgau)
- Sterbeort
- Illingen bei Maulbronn (Enzkreis)
- Beruf/Funktion
- Historiker
- Konfession
- katholisch
- Namensvarianten
-
- Wollasch, Joachim
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Wollasch, Joachim
| Historiker, * 1.2.1931 Freiburg (Breisgau), † 8.8.2015 Illingen bei Maulbronn (Enzkreis), ⚰ Freiburg (Breisgau), Hauptfriedhof. (katholisch)
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Genealogie
V →Hans (1903–75), aus Breslau, Soz.päd., 1945–70 Dir. d. Seminars f. Wohlfahrtspfleger d. Dt. Caritasverbandes, 1968 Prof., 1970 Hon.prof. d. Univ. Konstanz, 1954 BVK, 1965 Komtur d. päpstl. Silvesterordens (s. Who is who d. Soz. Arbeit; Bad. Biogrr. NF II). S d. →Josef, Volksschullehrer in Breslau, u. d. Margareta Hoenke;
M Katharina (Käthe) Winkler (1908–2009), aus Breslau;
1 B →Hans-Josef (* 1936), Dr. phil., Hist., Leiter d. Archivs d. Dt. Caritas-Verbands in F., 4 Schw;
– ⚭ Freiburg (Br.) 1956 Rita Matziol (1920–1998);
1 S →Andreas (* 1957, ⚭ →Ursula Bettray,* 1963, Dr. theol., Soz.ethikerin), Dr. phil., Hist. -
Biographie
Aufgewachsen in Freiburg (Br.), besuchte W. das dortige Friedrich-Gymnasium (nach 1945 zeitweise „Bertholdgymnasium“). Nach dem Abitur 1949 studierte er Geschichte, Germanistik und Romanistik an der Univ. Freiburg u. a. bei →Gerd Tellenbach (1903–1999) und →Clemens Bauer (1899–1984). Entscheidend geprägt wurde er durch Tellenbach und dessen „Freiburger Arbeitskreis“ zur mittelalterlichen Personenforschung. 1955 wurde W. bei Tellenbach mit einer Arbeit über „Ebbo I., Herr von Déols“ zum Dr. phil. promoviert (gedr. 1959 u. d. T. Königtum, Adel u. Klöster im Berry während d. 10. Jh.).
Für seine weiteren Forschungen wertete W. die zu dieser Zeit noch kaum edierten klösterlichen Totenbücher aus. Diese waren zwar bereits 1950 von →Kassius Hallinger (1911–1991) in seiner Studie „Gorze-Kluny“ zur Interpretation verschiedener Reformansätze im benediktinischen Mönchtum herangezogen worden, doch setzte W. dem vorrangig hierarchisch auf die Äbte ausgerichteten Forschungsansatz Hallingers eine Untersuchung der Gesamtheit der Mönche aus den Necrologien entgegen. Diese Arbeit wurde 1963 in Freiburg als Habilitation angenommen und 1973 u. d. T. „Mönchtum des Mittelalters zwischen Kirche und Welt“ veröffentlicht.
Nach einem Forschungsaufenthalt 1969/70 am Dt. Historischen Institut (DHI) in Rom und verschiedenen Lehrstuhlvertretungen in Freiburg und Münster erhielt W. 1974 den Ruf auf den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Univ. Münster. Hier traf er 1974 auf eine interdisziplinär ausgerichtete Forschergruppe, die in den folgenden Jahrzehnten mit mehreren Sonderforschungsbereichen auf der Basis des 1964 von →Karl Hauck (1916–2007) gegründeten Instituts für Frühmittelalterforschung wichtige neue Sichtweisen auf das Mittelalter entwickelte. Als Direktor des Historischen Seminars und des Instituts für Frühmittelalterforschung war W. 1983 auch Dekan des Fachbereichs 10 Geschichte und 1988–92 Mitglied des Senats der Univ. (em. 1996).
In mehr als 40jähriger Zusammenarbeit verwirklichte W. mit seinem Freund und Vorgänger →Karl Schmid (1923–1993) viele Projekte.
Wichtigste Basis dieser Forschungen war das kommentierte Quellenwerk zur Erforschung der Personen und Personengruppen des Mittelalters „Societas et Fraternitas“, das, 1975 in einem grundlegenden Aufsatz gemeinsam vorgestellt, inzwischen mehr als 30 Bände umfaßt. Die zu dieser Zeit völlig neuartige interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fächern, u. a. der Namenphilologie und v. a. der Informatik, die erstmals versuchsweise für die automatische Textverarbeitung solcher Quellen herangezogen wurde, wurde als eine „Pioniertat sondergleichen“ (M. Borgolte) gewertet. Die in Gedenkbüchern und Necrologien zu Zehntausenden in unterschiedlichsten, durch Regionen und Jahrhunderte sehr variabel aufgezeichneten Graphien überlieferten Namen wurden in sachgerecht versammelten Gruppierungen für die Forschung erschlossen. 1979 wurde im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica (MGH) die Publikationsreihe „Libri memoriales et Necrologia, Nova series“ begründet. Geschichte als Sozialgeschichte konnte nach Auffassung von Karl Schmid und W. nur auf der Grundlage|der mittelalterlichen Gedenküberlieferung angemessen geschrieben werden.
W. untersuchte im Rahmen des Münsteraner Sonderforschungsbereichs 7 „Mittelalterforschung (Bild, Bedeutung, Sachen, Wörter und Personen)“ (1968–85, 1. Sprecher bis 1980) das Gebetsgedenken der Klöster des Verbands von Cluny („Cluniacensis ecclesia“). Das in fachübergreifender Zusammenarbeit verwirklichte Unternehmen mündete in die „Synopse der cluniacensischen Necrologien“ (2 Bde., 1982) mit rund 96 000 Namen von Mönchen und Laien aus dem Umkreis von acht cluniacensischen Klöstern (in neun Necrologien).
In weiteren Arbeiten untersuchte W. einzelne Aspekte, bei denen die Mönchsgemeinschaft und deren Wirken in der monastischen Welt, die Beziehungen der Abtei Cluny zu Päpsten und Kaisern, und insbesondere die umfassenden karitativen Leistungen der Klöster sichtbar wurden.
Im Sonderforschungsbereich 231 „Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter“ (1986–99) war W. als Leiter des Teilprojekts „Das Schriftlichwerden klösterlicher Lebensgewohnheiten im Mittelalter“ an der Untersuchung der cluniacensischen Consuetudines beteiligt (1992–95). Eine Summe seiner Arbeiten zum Kloster Cluny zog er 1996 in dem Buch „Cluny ‚Licht der Welt‘“.
W., war – auch in seinem Forschungsinteresse – zeitlebens stark von einem ernsthaften kath. Glauben geprägt, dessen Grundlage im Freiburger Elternhaus gelegt worden war.
Sein Blick auf die mittelalterliche Kirche war vom Ideal einer Gemeinschaft mit engen sozialen Bindungen bestimmt. Seine Arbeiten umschreiben deshalb nach eigener Aussage die Klöster als „Kristallisationskerne sozialen Lebens“ im weitesten Sinne.
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Auszeichnungen
|o. Mitgl. d. Hist. Komm. f. Westfalen (1975);
Mitgl. d. Soc. nationale des Antiquaires (1985);
ao. Mitgl. d. Bayer. Benediktinerak. (1990);
10. Träger d. Fürstabt-Gerbert-Preises d. Stadt St. Blasien (2009). -
Werke
|u. a. Kgt., Adel u. Klöster im Berry während d. 10. Jh., in: Neue Forsch. über Cluny u. d. Cluniacenser, hg. v. G. Tellenbach, 1959, S. 17–165 (Diss.);
Die Gemeinschaft d. Lebenden u. Verstorbenen in Zeugnissen d. MA, in: Frühma. Studien 1, 1967, S. 365–405 (mit K. Schmid);
Ein cluniacens. Totenbuch aus d. Zeit Abt Hugos v. Cluny, ebd., S. 406–43;
Mönchtum d. MA zw. Kirche u. Welt, 1973 (Habil.schr.);
Societas et Fraternitas, Begründung e. kommentierten Qu.werkes z. Erforsch. d. Personen u. Personengruppen d. MA, in: Frühma. Studien 9, 1975, S. 1–48 (mit K. Schmid);
Gemeinschaftsbewußtsein u. soz. Leistung im MA, ebd., S. 268–86;
Neue Methoden d. Erforsch. d. Mönchtums im MA, in: HZ 225, 1977, S. 529–71;
Synopse d. cluniacens. Necrologien, 2 Bde., 1982 (mit W.-D. Heim, J. Mehne, F. Neiske u. D. Poeck);
Das Martyrolog-Necrolog v. St. Emmeram zu Regensburg, hg. v. E. Freise, D. Geuenich u. J. W., 1986;
Cluny ‚Licht der Welt‘, Aufstieg u. Niedergang d. klösterl. Gemeinschaft, 1996, Nachdr. 2001, ⁴2007;
etwa 100 Aufss.;
–Hg.: Münstersche MA-Schrr. 1976–2015;
Frühma. Studien 1988–96;
Mithg.: Frühma. Studien, 1975–87 u. 1997–2010;
Arbb. z. Frühma.forsch., 1976–97;
– W-Verz. in: J. W., Wege z. Erforsch. d. Erinnerungskultur, Ausgew. Aufss., hg. v. M. Sandmann, A. A. Häußling u. M. Black-Veldtrup, 2011, S. 663–73;
– Nachlaß: Univ. Münster (Univ.archiv). -
Literatur
|Vinculum societatis, J. W. z. 60. Geb.tag, hg. v. F. Neiske, D. Poeck u. M. Sandmann, 1991 (W-Verz. );
G. Althoff, Datenbankier v. Cluny, Zum Siebzigsten d. Mediävisten J. W., in: FAZ v. 2.2.2001, Nr. 28, S. 44;
M. Sandmann, A. A. Häußling u. M. Black-Veldtrup, Vorw., in: Erinnerungskultur (s. W), S. XI-XV (P);
Verz. d. v. J. W. betreuten Dissertationen, ebd., S. 674 f.;
Verz. d. v. J. W. betreuten Habilitationen, ebd. S. 676;
Wege d. Erinnerung im u. an d. MA, FS f. J. W. z. 80. Geb.tag, hg. v. A. Sohn, 2011, mit e. Würdigung v. dems., S. XI–XVI (P);
ders., Un grand historien, J. W., regard sur l’homme et son œ uvre scientifique, à l’occasion de son 80e anniversaire, in: Revue Mabillon Ser. NS, 23, 2012, S. 257–62;
M. Borgolte, Stiftung u. Memoria, 2012, S. 68;
– Nachrufe: A. Sohn, Sein Cluny, Zum Tod d. Hist. J. W., in: FAZ v. 18.8.2015, S. 12;
R. Schieffer, Prof. Dr. J. W., in: StMBO 126, 2015, S. 546–49;
G. Althoff, Nachruf J. W., in: Frühma. Studien 50, 2016, S. 15–19;
F. Neiske, J. W., in: Francia, Forsch. z. Westeurop. Gesch. 43, 2016, S. 457–59. -
Autor/in
Franz Neiske -
Zitierweise
Neiske, Franz, "Wollasch, Joachim" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 481-482 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142962.html#ndbcontent