Wolf, Joseph Georg
- Lebensdaten
- 1930 – 2017
- Geburtsort
- Düsseldorf
- Sterbeort
- Freiburg (Breisgau)
- Beruf/Funktion
- Jurist
- Konfession
- katholisch
- Namensvarianten
-
- Wolf, Joseph Georg
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Wolf, Joseph Georg
| Jurist, * 6.7.1930 Düsseldorf, † 31.5.2017 Freiburg (Breisgau), ⚰ Düsseldorf, Nordfriedhof. (katholisch)
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Genealogie
V →Emil (1899–1967), aus hess. Fam., Schlosser, Ing. in D., dann im Vers.wesen, S d. →Johann Georg (1869–1925), Kunstschmied in Calw, u. d. Christiane Henriette Friederike Dalcolmo (1871–1907);
M Margarethe Petronella (1904–1976), aus tridentin. Fam., T d. →Josef Mathias Beyll (1861–1939), Kaufm. in D., u. d. Helene Friederike Geiger (1870–1947);
Ur-Gvm Josef Dalcolmo (1838–1907), aus Madrano (Trentino), Taglöhner in Calw;
B →Walter (* 1947), Untern. in San Pedro de Alcántara b. Marbella (Spanien);
– ⚭ Gertrud Johanna (1930–2014), aus Wuppertal, T d. →Alfred Heiderhoff (1899–1963), Bankdir. in Hagen (Westf.), u. d. Gertrud Hoffmann (1896–1972);
1 S →Georg Sebastian (* 1958), Dr.-Ing. Dr. med,, Ophthalmol., Prof. f. Augenheilkde. u. Chefarzt am Univ.spital Bern, 1 T →Christiane W. Steiner (* 1959), Dr. phil., Psychoanalytikerin in Zürich. -
Biographie
Nach dem Abitur 1950 am Leibniz-Gymnasium in Düsseldorf studierte W. Rechtswissenschaft in Freiburg (Br.) und Göttingen. Im Anschluß an das 1. jur. Staatsexamen und wenige Monate Referendardienst forschte er 1956/57 in Neapel, wo Mario Lauria ein wichtiger Lehrer war. W.s Promotion zum Dr. iur. 1959 und seine Habilitation 1964 erfolgte in Göttingen bei →Franz Wieacker (1908–1994). 1964 wurde er als Nachfolger von →Fritz Pringsheim (1882–1967) o. Professor für Röm. Recht und Bürgerliches Recht in Freiburg (Br.) (em. 1998); Rufe nach Wien, Bern, Heidelberg und Göttingen lehnte er ab.
W. hielt sich längere Zeit im Ausland auf: 1971/72 in Italien, wo er etrusk. Altertümer erforschte und 1979 die Grundlagen für die Edition der neuen pompejan. Urkunden legte, ferner in Cambridge (England), wo er v. a. mit →John Anthony Crook am St John’s College zusammenarbeitete. Er erforschte das archaische röm. Recht: die rituelle Haussuchung beim Diebstahlsverdächtigen, die Volksversammlung zum Erlaß sakraler Gesetze (comitia calata), die Überlieferung über die Publikation der Klagformeln durch →Gnaeus Flavius um 300 v. Chr., v. a. aber die Frühgeschichte des Eigentumsprozesses (legis actio sacra|mento in rem) und der rituellen Übereignung von Menschen, Großvieh und Grundstücken (mancipatio). Er zeigte, daß die mancipatio ursprünglich ein zum Schein durchgeführter Eigentumsprozeß war, der die eigentlich unmögliche Übereignung des bäuerlichen Kernvermögens ermöglichte.
In den 1970er Jahren erkannte W. die schwerwiegenden Mängel der Erstedition der 1959 in Murécine bei Pompeji aufgefundenen Fragmente von etwa 100 röm. Bankurkunden auf Wachstafeln, entzifferte die lat. Kursivschrift auf den Tafeln neu und veröffentlichte eine kritische lat.-dt. Ausgabe sowie einen Sammelband mit neuen Erkenntnissen zur röm. Geschäftspraxis (Neue Rechtsurkk. aus Pompeji, Tabulae Pompeianae Novae, lat. u. dt., 2010; Aus d. neuen pompejan. Urkk.fund, Ges. Aufss., 2010). W. begründete aus den Urkunden, daß das Versprechen eines Schuldners, zu einem späteren Gerichtstermin zu erscheinen (vadimonium), die förmliche Ladung, die zum sofortigen Erscheinen verpflichtete (in ius vocatio), nicht ersetzte (wie man angenommen hatte), sondern nur auf den neuen Termin verschob – eine bedeutsame Erkenntnis zum röm. Prozeßrecht. Seit 2000 untersuchte W. die Lex Irnitana, das Stadtrecht der antiken Stadt Irni in Südspanien, und publizierte eine lat.-dt. Edition sowie einen Sammelband mit Aufsätzen, die ein differenziertes Bild der Rechtssituation in einer antiken Stadt mit mehreren tausend Einwohnern bieten (Die Lex Irnitana, Ein röm. Stadtrecht aus Spanien, lat. u. dt., 2011; Lex Irnitana, Ges. Aufss., 2012).
W. arbeitete darüber hinaus zur teleologischen Auslegung des § 823 Abs. 2 des dt. Bürgerlichen Gesetzbuchs, zur Rechtshängigkeit im röm. Recht und legte dogmatische Untersuchungen zu röm. Rechtsquellen vor, ferner Monographien über die Rechtspolitik röm. Kaiser und Analysen der Schriften röm. Juristen. 1978 begründete er mit →Karl Kroeschell (* 1927), →Detlev Liebs (* 1936) und →Elmar Bund (1930–2008) die Freiburger Rechtshistorischen Abhandlungen neu. Viele seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse gingen in die 22 Dissertationen seiner Schüler ein; von →Christoph Krampe (* 1943) (Proculi Epistolae, 1970) bis zuletzt →Christian Emunds (Solvendo quisque pro alio liberat eum, 2007). W. wurde daher auch als Begründer und Haupt der „Freiburger Schule“ der röm. Rechtsgeschichte bezeichnet.
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Auszeichnungen
|korr. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. zu Göttingen (1981);
o. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1982). -
Werke
Weitere W Error im röm. Vertragsrecht, Diss. iur. Göttingen 1961;
Causa stipulationis, 1970 (Habil. schr.);
–Hg.: Hans Julius Wolff, Opuscula dispersa, 1974 (mit F. Wieacker);
FS f. Franz Wieacker z. 70. Geb.tag, 1978 (mit O. Behrends u. a.);
Hans Julius Wolff, Vorlesungen über Jur. Papyruskde., 1998;
Franz Wieacker, Röm. Rechtsgesch. II, 2006;
– Kleinere Schrr.: Der Normzweck im Deliktsrecht, 1962;
Die litis contestatio im röm. Zivilprozeß, 1968;
Barkauf u. Haftung, D. 19,1,23, Iul. 13 dig., in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 45, 1977, S. 1–25;
Pol. u. Gerechtigkeit b. Traian, 1978;
Das Senatusconsultum Silanianum u. d. Senatsrede d. C. Cassius Longinus aus d. J. 61 n. Chr., 1988;
Claudius Iudex, in: Die Reg.zeit d. Ks. Claudius (41–54 n. Chr.), in: Internat. interdisziplinäres Symposium (…) d. Archäol. Inst. d. Univ. Freiburg i. Br., hg. v. V. M. Strocka, 1991, S. 145–58;
Die Doppelüberlfgg. in Scaevolas Responsenwerken, in: Studia et Documenta Historiae et Iuris 73, 2007, S. 3–70;
Tryphonins Noten in Scaevolas libri digestorum, ebd. 76, 2010, S. 51–92;
Interpolationen in d. Digesten, ebd. 79, 2013, S. 3–80;
Die Scaevola-Responsen in Paulus’ Libri ad Vitellium, in: Studi per Giovanni Nicosia VIII, 2007, S. 435–77;
Drei Klienten d. Cervidius Scaevola, Eine Spurensuche, in: Fides Humanitas Ius, Studii in onore di Luigi Labruna VIII, 2007, S. 5935–58;
Das Stigma ignominia, in: ZSRGR 126, 2009, S. 55–113;
Rechtsurkk. in Vulgärlat. aus d. J. 37–39 n. Chr., 1989 (mit J. A. Crook);
Recht im frühen Rom, Ges. Aufss., 2015;
– vollst. W-Verz.: U. Manthe, 2018 (s. L), S. 616–24;
– Nachlaß: Univ. Jena (wiss. Bibl.). -
Literatur
|Quaestiones Iuris, FS f. J. G. W. z. 70. Geb.tag, hg. v. U. Manthe u. Ch. Krampe, 2000 (P);
J. G. W., in: Heidelberger Ak. d. Wiss. Antrittsreden, S. 545–47;
U. Manthe, IVRA, Rivista internazionale di diritto romano e antico 66, 2018, S. 608–24 (W-Verz.);
J. G. W., in: Heidelberger Ak. d. Wiss. Antrittsreden, S. 545–47;
W. Kaiser, in: Jb. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. 2017, 2018, S. 370–73 (P);
J. D. Harke, in: ZSRGR 137, 2020, S. 618–23. -
Autor/in
Ulrich Manthe -
Zitierweise
Manthe, Ulrich, "Wolf, Joseph Georg" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 413-414 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142284.html#ndbcontent