Lebensdaten
1897 – 1981
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Sydney
Beruf/Funktion
Pianist ; Schlagzeuger ; Bandleader
Konfession
-
Namensvarianten
  • Weintraub, Steps (genannt)
  • Weintraub, Stefan
  • Weintraub, Steps (genannt)
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Zitierweise

Weintraub, Stefan, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140008.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leopold (1853–1927, f Jüd. Friedhof Berlin-Weißensee), Kaufm. in B., S d. (Zevi) Hirsch (Alter) (1817?–81), aus Dubno, 1838 Oberkantor an d. Gr. Synagoge in Königsberg (Pr.), 1873 preuß. Musikdir., Komp., Vf. v. „Schire Beth Adonai“ u. a. mit liturg. Komp. seines Vaters, 1862 Kl. goldene Medaille f. Kunst (s. L);
    M Hulda Bandmann (1860–1941, Jüd. Friedhof Berlin-Weißensee);
    Urur-Gvv Shimshon, Kantor in Konstantinovka (Kostjantyniwka, Ukraine);
    Ur-Gvv Salomo Kas(c)htan (Chasan) (1781–1829), Kantor in Zomsc, Tykocin, Lvov, Brisk u. v. a. in Dubno, Komp. v. „Schire Shelomo“;
    1 B Max (* 1885), Plakatmaler, Schw Elfriede (* 1891?);
    1) Sydney 1939 Gertrud (Gertie) Irene Bergman(n) (* 1914), aus Göteborg, Fotomodell, 2) Bonnie N. N.;
    kinderlos.

  • Biographie

    Obwohl Hirsch Weintraub, der angesehene Oberkantor an der Großen Synagoge Königsberg, sein Großvater war, zeigte W. wenig Interesse am Judentum. Stärker faszinierte den Kaufmannssohn die Musik, weshalb er schon siebenjährig Klavierunterricht erhielt. Nach dem Schulabschluß begann er 1913 eine Lehre als Pharmazeut, bis er 1916 / 17 (?)–18 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Anschließend arbeitete er in Breslau und Berlin zunächst als Handelsvertreter; daneben erlernte er das Spielen weiterer Musikinstrumente. 1924 gründete W. in Berlin mit dem Wirtschaftsstudenten und Hobby-Saxophonisten Horst Graff (1905–94) die „Tanzkapelle Stefan Weintraub“, die bei einem Juristenball erfolgreich debütierte. W. war ihr Pianist und Geschäftsführer. Als „Weintraubs Syncopators“ erhielt die Kapelle 1927 einen Vertrag mit den Max Reinhardt-Bühnen, wodurch die oft noch studentischen Musiker ihr Hobby zum Beruf machen konnten. Friedrich Hollaender (1896–1976) wurde Pianist der Band, worauf W. ans Schlagzeug wechselte. Die „Weintraubs“ wirkten mit an den Reinhardt-Revuen und vielen weiteren Theaterproduktionen, so 1929 an der Aufführung von Walter Mehrings Stück „Der Kaufmann von Berlin“ in der Inszenierung von Erwin Piscator (1893–1966).

    Die „Weintraubs Syncopators“ faszinierten durch ihre Vielseitigkeit zwischen Klassik-Parodie, lateinamerik. Tänzen, Wiener Walzer, Schlager und Jazz. Jeder der sieben Musiker beherrschte mehrere Instrumente und verband mit dem Musizieren theatralische, häufig clowneske Elemente. Bald galten die „Weintraubs“ in Berlin als das begehrteste Bühnenschauorchester, das beispielsweise Josephine Baker bei ihren Auftritten begleitete. Unter dem Management von Heinz Barger (eigtl. Heinz Baruch, * 1899), zuvor Manager der „Comedian Harmonists“, avancierte es zu einer der bestbezahlten Tanz- und Jazzbands Deutschlands. Nach ersten Schallplatten-Aufnahmen ab 1928 kamen die „Weintraubs“ 1930 über die Vermittlung Hollaenders zum Film. Dem Welterfolg der Sternberg-Produktion „Der blaue Engel“, bei der sie an der Seite von Emil Jannings (1884–1950) und Marlene Dietrich (1901–92) spielten, folgten weitere Filmengagements bis zur Ufa-Produktion „Heute kommt’s drauf an“ (1933). Danach waren die „Weintraubs“ wegen der jüd. Herkunft fast aller Mitglieder vom Auftrittsverbot des NS-Regimes betroffen.

    Zusammen mit seinen Bandkollegen verließ W. Berlin und ging auf ausgedehnte Auslandstourneen. Bei einem Gastspiel in Stockholm lernte er 1935 die als Fotomodell tätige Schwedin Gertrud Irene Bergman(n) kennen, die ihn begleitete und später heiratete. Nach einer 10monatigen Tournee durch die UdSSR|kamen die „Weintraubs“ 1936 nach Japan. 1937 traten sie ein Engagement in Australien an, wo sie vom Publikum umjubelt wurden. Als sie jedoch Bleibeabsichten erkennen ließen, leistete die einheimische Musikergewerkschaft erbitterten Widerstand. Nach Beginn des 2. Weltkriegs endeten die Engagements der Band, Mitglieder mit dt. Paß galten nun als „feindliche Ausländer“. Zusammen mit Graff kam W. im Juni 1940 in die Internierungslager Orange und Tatura, während seine Ehefrau nur mühsam ihren Lebensunterhalt sichern konnte. Die verbliebenen Band-Mitglieder traten inzwischen in anderen Formationen auf.

    Erst im Sept. 1941 wurde W. aus der Haft entlassen. Wegen des fortdauernden Widerstands der Gewerkschaft gab er 1942 den Musikerberuf auf und nahm in Sydney eine Stelle als Mechaniker an. 1945 erhielt er die austral. Staatsbürgerschaft. Gelegentlich wirkte W. noch als Pianist und Schlagzeuger in einem dt.sprachigen Emigrantenensemble, dem Kleinen Wiener Theater in Sydney, mit. 1963 traf er in Zürich den früheren Manager Barger und 1976 in Sydney ehemalige Bandmitglieder. Nur zögerlich erinnerte man sich in Europa an die von W. gegründete, einst so berühmte Band: mit der CD-Kompilation „Ich kauf mir ’ne Rakete“ (1999), dem Film „Weintraubs Syncopators, Bis ans andere Ende der Welt“ (Arte/ WDR 2000) von Jörg Süßenbach und Klaus Sander sowie der Revue „Weintraubs Jazz Odyssee“ von Eva Blum und Matthias Witting (UA 2007 an d. Neuköllner Oper Berlin).

  • Auszeichnungen

    |E. K. (1918).

  • Werke

    |Up And At ’em, 1928;
    Jackass Blues, 1928;
    Marion Tango, 1928;
    Mit e. Herzen darf man nicht spielen, 1929;
    Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn, 1929;
    Sonny Boy, 1929;
    Liebesbriefe, 1929;
    Sag mir nur einmal, ich liebe dich, 1929;
    If I had You, 1930;
    Jericho, 1930;
    Nimm dich in Acht vor blonden Frauen, 1930;
    Ich bin v. Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, 1930;
    Wenn wieder Frühling ist, 1933;
    Ich kauf mir ’ne Rakete, 1933;
    Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo, 1933;
    Die kl. Mädchen mit d. treuen Blick, 1933;
    Gruss u. Kuss, Veronika, 1933;
    Nostalgico Slow, 1934;
    Ninon, 1934;
    My Melancholy Baby, 1936;
    Honolulu Baby, 1936;
    – Die Goldene Aera dt. Tanzorchester: Weintraubs Syncopators, 1961 (LP);
    Bei uns um die Gedächtniskirche rum… Berlin Cabaret, 1996 (CD-Box);
    W-Verz: R. E. Lotz, Diskogr. d. dt. Tanzmusik 3, 1994, S. 769–820;
    Nachlaß: Ak. d. Künste, Berlin.

  • Literatur

    |H. H. Lange, Weintraub Syncopators, in: Jazz-Podium, 10 / 4, Apr. 1961, S. 110 u. ebd., 11 / 3, März 1962, S. 71–73;
    ders., Jazz in Dtld., Die dt. Jazzchronik 1900 bis 1960, 1966;
    E. T. Vogel, Wiedersehen mit S. W., in: Jazz-Podium, 19 / 9 Sept. 1970, S. 312;
    J. P. Bergmeier, The Weintraub Story Incorporating the Ady Rosner Story, 1982 (Diskogr.);
    W. Baer, Winding Up the Weintraubs, in: 24 hours, Sept. 1982, S. 18 f. (P);
    M. H. Kater, Gewagtes Spiel, Jazz im NS, 1995;
    V. Kühn, Friedrich Hollaender u. d. Kabarett d. zwanziger Jahre, 1996;
    A. Dümling, Die Weintraubs Syncopators, Zum 25. Todestag v. S. W., in: Jazz-Ztg., 2006 / 09, S. 22 f. (P);
    ders., Die verschwundenen Musiker, Jüd. Flüchtlinge in Australien, 2011, engl. 2017 (P);
    K. Dreyfus, Silences and Secrets, The Australian experience of the Weintraubs Syncopators, 2013 (P);
    Art. „Weintraub Syncopators“, in: The New Grove Dict. of Jazz, 1980, Bd. 2, S. 608;
    Art. „Weintraubs Syncopators, Weintraub Syncopators“, in: MGG² Suppl.bd., Sp. 1070 f.;
    K. Dreyfus, Weintraub Syncopators, in: D. Diner (Hg.), Enz. jüd. Gesch. u. Kultur 6, 2015, S. 334–36;
    zu Hirsch: S. Adelman, H. W. From east to west, Diss. Hebrew Union College, o. J.;
    Wininger;
    Enc. Jud. 1971;
    Heuer, Lex. dt.-jüd. Autoren.

  • Autor/in

    Albrecht Dümling
  • Zitierweise

    Dümling, Albrecht, "Weintraub, Stefan" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 653-654 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140008.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA