Lebensdaten
1888 – 1946
Geburtsort
Röllinghausen bei Recklinghausen
Sterbeort
Münster
Beruf/Funktion
katholischer Priester ; Sozial- und Caritaswissenschaflter
Konfession
katholisch
Namensvarianten
  • Weber, Heinrich Wilhelm
  • Weber, Heinrich
  • Weber, Heinrich Wilhelm

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Zitierweise

Weber, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139341.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Lehrerfam.;
    V Johann Heinrich (1857–1931), Hauptlehrer in Röllinghausen, S d. Joseph (1808–84), Lehrer, u. d. Gertrud Vimpler (1822–1901);
    M Elisabeth (1854–1926), T d. Stephan Rüping (* 1816), Müller in Datteln, u. d. Catharina Hamecke;
    Ur-Gvv Theodor Flögel, gen. W. (1767–1843), 1797 Lehrer in Röllinghausen (s. Schulchronik im StadtA Recklinghausen).

  • Biographie

    W. besuchte die Schule seines Vaters in Röllinghausen, anschließend das humanistische Gymnasium Petrinum in Recklinghausen, wo er lat., griech., hebr. und franz. Sprachkenntnisse erwarb. Nach dem Abitur 1908 studierte er bis 1911 kath. Theologie in Münster, besuchte dann das dortige Priesterseminar und wurde 1912 zum Priester geweiht. Während seiner Kaplanstätigkeit in Münster war er in den ersten Kriegsjahren in der Vermißtennachforschung, in Gefangenenlagern und als Lazarettgeistlicher tätig. 1916 berief Bf. Johannes Poggenburg (1862–1933) W., der in Tagespresse und Fachzeitschriften zu Themen der Caritas veröffentlicht hatte, zum Diözesansekretär des kurz zuvor gegründeten Diözesan-Caritasverbandes Münster. Neben seiner Verbandsarbeit studierte W. 1916–19 Rechts- und Staatswissenschaften in Münster und wurde 1919 bei Josef Schmöle (1865–1922) und Johann Plenge (1874–1963) mit der Dissertation „Das Lebensrecht der Wohlfahrtspflege“ zum Dr. rer. pol. promoviert. W. wurde Geschäftsführer des Ausschusses für Jugend- und Wohlfahrtspflege des Staatswissenschaftlichen Instituts und war beteiligt an Sonderkursen für Jugendamtsleiter. 1921 habilitierte er sich in Münster für soziales Fürsorgewesen mit dem Thema „Akademiker und Wohlfahrtspflege im deutschen Volksstaat“; 1922 erwarb er bei dem Moral- und Pastoraltheologen Otto Schilling (1874–1956) an der Univ. Tübingen den Grad eines Dr. theol. mit der Arbeit „Die religiös-ethischen Grundlagen der Fürsorgearbeit in Judentum und Christentum“, in der er die Bedeutung der religiösen Quellen für die jüd. Fürsorgearbeit hervorhob.

    Noch 1922 wurde W. als Nachfolger von Franz Hitze (1851–1921) zum o. Professor in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Münster ernannt mit der Verpflichtung zu einem Lehrauftrag für Christliche Gesellschaftslehre in der Kath.-Theol. Fakultät. Zudem war er an der Leitung des Staatswissenschaftlichen Instituts beteiligt. 1924 wurde seine Professur für Gesellschaftslehre und Fürsorgewesen auf wirtschaftliche Staatswissenschaften erweitert (Dekan 1929 / 30). Gemeinsam mit Werner Friedrich Bruck (1880–1945) wurde W. Direktor des neugegründeten „Instituts für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“, von dessen zwölf Seminaren W. die für Arbeitsvermittlung und Berufsberatung, Sozialpolitik, Fürsorgewesen, Wirtschafts- und Sozialpädagogik sowie Gewerkschaftswesen leitete. Im Rahmen seiner Forschungsarbeit erschienen 1925–32 die von ihm mitbegründeten und mitherausgegebenen Schriftenreihen „Beiträge zur sozialen Fürsorge“, „Münsterer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Abhandlungen“, „Fragen des Arbeitsmarktes“ und „Arbeit und Sozialpolitik“. W. schrieb die für die Sozialarbeit wegweisenden Werke „Jugendfürsorge im Deutschen Reich, Einführung in Wesen und Aufgaben der Jugendfürsorge und das neue Reichsjugendwohlfahrtsgesetz“ (1923) und „Das kommunale Jugendamt“ (1924, ²1927) und die soziologisch wie sozialphilosophisch grundlegende „Einführung in die Sozialwissenschaften“ (1930). Zusammen mit Peter Tischleder (1891–1947) veröffentlichte er als 1. Band des „Handbuchs der Sozialethik“ die sozialphilosophisch orientierte „Wirtschaftsethik“ (1931), die auf dem Solidarismus von Heinrich Pesch (1854–1926) aufbaut.

    Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte sich W. im Dt. Caritasverband, seit 1920 als Direktor und 1923–36 als Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes Münster. Außerdem übernahm er vielfältige Aufgaben im Zentralvorstand des Caritasverbandes in Freiburg (Br.), u. a. als Vorsitzender des Fachausschusses Caritaswissenschaft und seit 1929 der Finanzkommission. Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit dem Präsidenten Benedikt Kreutz (1879–1949).

    Aufgrund seiner Distanz zum NS-Regime wurde W. 1933 in die Theol. Fakultät versetzt und von seinem Amt als Direktor des sozialwissenschaftlichen Instituts entbunden. Im Okt. 1935 folgte die Zwangsversetzung an die Univ. Breslau, wo ihm der Lehrstuhl für Caritaswissenschaft und 1937 zudem der für Pastoraltheologie zugewiesen wurden. Im Erzbistum Breslau gründete er auf Veranlassung von Kard. Adolf Bertram (1859–1945) das „Institut für kirchliche Verwaltung und Finanzwirtschaft“, in dem 1936–40 Verwaltungsbeamte der Generalvikariate und Ökonomen der Klöster ausgebildet wurden. Ferner veröffentlichte das Institut Stellungnahmen zu aktuellen Themen des öffentlichen und bürgerlichen Rechts sowie zur kirchlichen Verwaltung. W. plante in dieser Zeit ein vierbändiges caritaswissenschaftliches Lehrbuch, von dem 1938 der erste Band „Wesen der Caritas“ erschien. Danach erhielt er Veröffentlichungsverbot. Nach seiner Rückkehr 1945 nach Münster wurde er in seine Ämter wieder voll eingesetzt. Er war aktiv an der Neubelebung des Caritasverbandes in der brit. Zone und an der Neugründung der renommierten Sozialforschungsstelle Dortmund beteiligt, deren erster Direktor er 1946 wurde.

    W. setzte in der Umbruchszeit der Weimarer Republik und, soweit es der politische Rahmen der NS-Diktatur zuließ, über diese Zeit hinaus, wegweisende Akzente für Sozial- und Wirtschaftsethik sowie für Theorie und Praxis der Caritasarbeit. Er griff in seinen Publikationen, öffentlichen Vorträgen, Vorlesungen und Seminaren eine Fülle von Themen in Sozial- und Wirtschaftsethik, Finanzwissenschaft, Fürsorge und Caritaswissenschaft auf, die er vertiefte und ausbaute. Als einer der ersten Theologen fügte er empirisch soziologisches Wissen in theologische und philosophische Theorie und die praktische Gestaltung von Kirche und Caritas ein. Zu seinen Schülern zählen der poln. Bf. Herbert Bednorz (1908–84), der christliche Gewerkschaftler Franz Deus (1901–70), der Sozial- und Wirtschaftsethiker Oswald v. Nell-Breuning (1890–1991), der Soziologe Otto Neuloh (1902–93) und der Wirtschaftswissenschaftler Eduard Willeke (1899–1974).

  • Auszeichnungen

    |Verdienstkreuz f. Kriegshilfe (1916);
    päpstl. Hausprälat (1938);
    – H. W.-Forsch.kr., Hamburg (seit 1998).

  • Werke

    Weitere W u. a. Wegweiser durch d. Wohlfahrtseinrichtungen d. Stadt Münster i. W. f. Katholiken, [1917];
    Ausbildungsgelegenheiten f. soz. Berufsarbeiterinnen, 1918;
    Sozial-caritative Frauenberufe, 1918, ²1919;
    Die volkswirtschaftl. Bedeutung d. kath. Ordensschwestern, 1919;
    Die Wohlfahrtspflegerin, 1922;
    Jugendfürsorge im Dt. Reich, Einf. in Wesen u. Aufgaben d. Jugendfürsorge u. d. neue Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, 1923;
    Das kommunale Jugendamt, 1924, ²1927;
    Die Zus.arb. d. öff. u. privaten Wohlfahrtspflege, in: Gegenwartsfragen d. Wohlfahrtspflege, 1925, S. 109–22;
    Abbau d. Wohlfahrtspflege, 1926;
    Die Bedeutung d. freien Wohlfahrtspflege f. d. Volkswohlfahrt, in: Freie Wohlfahrtspflege 1, 1926 / 27, S. 8–18 u. 49–55;
    Die kath. Anstaltsfürsorge im Bm. Münster, 1928;
    Die Organisation d. kath. Unterstützungsfürsorge, in: Caritas 33, 1928, S. 207–20;
    Caritas u. Wirtsch., 1930;
    Einf. in d. Soz.wiss., 1930;
    Hdb. d. Soz.ethik, Bd. 1: Wirtsch.ethik, 1931 (mit P. Tischleder);
    Streit u. Wahrheit um d. dt. Soz.vers., 1931;
    Joseph Mausbachs gestaltende Mitarb. an d. neuen Dt. RV, in: M. Meinerts u. A. Donders (Hg.), Aus Ethik u. Leben, FS Joseph Mausbach, 1931, S. 232–50;
    Führende Soz.reformer in Rheinland u. Westfalen, in: O. Most, B. Kuske u. H. W. (Hg.), Wirtsch.kde. f. Rheinland u. Westfalen, 1931, S. 134–52;
    Quadragesimo anno, in: L. Heyde (Hg.), Internat. Hdwb. d. Gewerkschaftswesens, Bd. 2, 1932, S. 1283–86, Nachdr. 1992;
    Betriebsführung in caritativen Anstalten, 1933;
    Caritas im Bm. Münster, Ein Btr. z. Caritas- u. Bistumsgesch., in: F. Emmerich (Hg.), Das Bm. Münster, 1934, S. 106–20;
    Bibliogr. in d. Internetpräsenz d. H. W.-Forsch.kr., Hamburg(P);
    Qu Archiv d. Dt. Caritasverbandes Freiburg (Br.);
    Univ.archiv Münster u. Breslau;
    Bm.archiv Münster.

  • Literatur

    |J. Gröger, Die Zwangsversetzung v. Prof. H. W. n. Breslau, Ein Btr. z. nat.sozialist. Hochschulpol., in: Archiv f. schles. KGesch. 49, 1991, S. 165–76;
    J. Stanzel, Das Inst. f. kirchl. Verw. u. Finanzwirtsch. in Breslau 1936–1945, in: B. Stasiewski (Hg.), Adolf Kard. Bertram, Sein Leben u. Wirken auf d. Hintergrund d. Gesch. seiner Zeit, 1992, S. 135–97;
    M. Hermanns, Die Verknüpfung v. Soz.ethik u. Caritaswiss. b. H. W., in: F. Furger (Hg.), Jb. f. Christl. Soz.wiss. 38, 1997, S. 92–114;
    ders., in: H. Maier (Hg.), Who is who d. Soz. Arb., 1998;
    ders., H. W., Soz.- u. Caritaswissenschaftler in e. Zeit d. Umbruchs, Leben u. Werk, 1998 (Bibliogr. S. 200–10, P);
    ders., in: BBKL 18 (W, L);
    ders., Soz.ethik im Wandel d. Zeit, Persönlichkeiten, Forsch., Wirkungen d. Lehrstuhls f. Christl. Ges.lehre u. d. Inst. f. Christl. Soz.wiss. d. Univ. Münster 1893–1997, 2006 (Bibliogr. S. 465–72, P);
    E. Reichert, Wohlfahrt, Wirtsch., Caritas, d. Fürsorgewissenschaftler H. W., 2008 (P);
    Schles. Kirche in Lb. VII, 2006, S. 356–61 (P);
    Zeitgesch. in Lb. X, 2001, S. 91–112.

  • Autor/in

    Manfred Hermanns
  • Zitierweise

    Hermanns, Manfred, "Weber, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 492-494 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139341.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA