Lebensdaten
1900 – 1982
Geburtsort
Graz
Sterbeort
Newport Beach (Kalifornien, USA)
Beruf/Funktion
Luftfahrtingenieur ; Flugtechniker
Konfession
keine Angabe
Namensvarianten
  • Wagner, Herbert Alois
  • Wagner, Herbert
  • Wagner, Herbert Alois

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Zitierweise

Wagner, Herbert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138242.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann (* 1868), aus Steine b. Mähr. Schönberg (Kamenná b. Šumperk, Böhmen), Kaufm. in Graz;
    M Hermine Schuha (* 1871), aus Graslitz (Kraslice, Böhmen);
    1) 1924 1938 Hilde (* 1901), T d. Paul Krainer (1869–1935), aus Fiume (Rijeka), 1892 Konstrukteur d. Fa. Schichau in Elbing, 1906 Prof. f. Schiffsmaschinenbau an d. TH Berlin, Mitgründer d. Schiffbautechn. Ges., Ehrensenator (s. Wi. 1935; ÖBL; Biogrr. Schiffbau), 2) 1939 Helene Paula (Hely) (1905–47), Filmschausp., T d. Victor Raschka (1877–1947), aus Wien, u. d. Helene Swatek (1878–1940), beide aus Wien, 3) 1949 Frieda Quint (1926–77), aus Los Angeles, 4) 1979 Brigitte Raschka;
    2 T aus 2) u. 3), 1 S aus 3);
    Gvv d. 1. Ehefrau Franz Krainer, k. k. Oberst, Maschinenbau-Ing. d. k. u. k. Kriegsmarine.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Realschule in Graz trat W. 1914 in die k. u. k. Marine-Akademie in Fiume ein und erwarb 1917 das Reifezeugnis an der dt. Oberschule in Triest. Als Seekadett nahm er am 1. Weltkrieg teil. 1919 / 20 studierte W. Maschinenbau an der TH Graz und 1920–22 Schiffsmaschinenbau an der TH Berlin, wo er im Dez. 1922 die Diplomprüfung für die Fachrichtung Schiffs- und Maschinenbau ablegte. Neben seinem Studium arbeitete er 1920–22 als Ingenieur bei der Firma „AMI Auto Motoren Industrie“ in Berlin. Seit 1923 Assistent bei dem Professor für Schiffsdampfmaschinenbau Paul Krainer (1869–1935) wurde W. 1924 mit einer Dissertation über die Entstehung des dynamischen Auftriebs von Tragflügeln (W.-Funktion) bei dem Luftfahrtingenieur Wilhelm Hoff (1883–1945) und dem Mathematiker Georg Hamel (1877–1954) an der TH Berlin zum Dr.-Ing. promoviert.

    1924 trat W. als Konstrukteur in die Berliner Firma „Rohrbach Metallflugzeugbau GmbH|ein und übernahm bald die Leitung der Abteilung Rumpf- und Schwimmwerkbau. Hier schuf er u. a. mit der Zugfeldbauweise (engl.

    W. web) die Grundlage für eine der epochemachenden Tragstrukturentwicklungen und untermauerte sie theoretisch. 1927 erhielt W. einen Lehrauftrag für den neugeschaffenen Lehrstuhl für Luftfahrzeugbau an der TH Danzig (ao. Prof. 1928, o. Prof. 1929). Er baute die Akademische Fliegergruppe der TH Danzig auf und ließ sich zum Flugzeugführer ausbilden. Als Lehrstuhlinhaber für Luftfahrtwesen der TH Berlin mit einem Lehrauftrag für Bauelemente sowie Konstruktion und Festigkeit des Flugzeugbaus leitete er seit 1930 das Flugtechnische Institut. In seiner Zeit als Professor in Danzig und Berlin trat W. mit wegweisenden Forschungsarbeiten zu Blechkonstruktionen, zur Festigkeitslehre (insbesondere zur Schalenbauweise), zu Schwingungen von Flugzeugtragflächen und zu hydrodynamischen Fragen von Seeflugzeugen (Bewegung an Flüssigkeitsoberflächen) hervor.

    W. war seit 1934 zugleich Mitglied der neugegründeten Fakultät für Allgemeine Technologie der TH Berlin (seit Sept. 1935 Wehrtechn. Fak.). Er spielte in der Folge eine herausragende Rolle im militärisch-industriell-wiss. Komplex des NS-Staates. Seit 1933 als Berater für die Henschel-Flugzeugwerke in Berlin-Schönefeld tätig, arbeitete W. seit 1934 an der Entwicklung einer Propeller-Gasturbine und wurde im Sept. 1935 teilweise von seiner Lehrtätigkeit beurlaubt, um die Forschung und Sonderentwicklung bei der „Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG“ in Dessau zu übernehmen. Im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums entwarf W. dort das nur in zwei Prototypen gebaute militärische Höhenflugzeug EF 61 und war an der Umkonstruktion der Ju 88 zum schweren Sturzkampfbomber beteiligt. Mit dem von ihm in dieser Zeit vorangetriebenen Projekt eines reinen Strahltriebwerks mit Axialverdichter wurde W. zu einem Wegbereiter der Turbojet-Revolution. Nachdem er im Febr. 1938 Leiter der Flugzeugentwicklung geworden war, beendete er im April 1938 seine Tätigkeit als Hochschullehrer und wurde im Juli 1938 zudem stellv. Vorstandsmitglied bei Junkers, schied aber schon 1939 im Zuge von Auseinandersetzungen im Präsidium über die weiter zu entwickelnden Flugzeugtypen aus der Firma aus.

    W. befaßte sich dann mit der Entwicklung einer Gleitbombe und wechselte im April 1940 auf Betreiben des Reichsluftfahrtministeriums zu den Henschel-Flugzeugwerken in Berlin-Schönefeld, wo er bis zum Kriegsende als Leiter die geheime Abteilung F aufbaute (Dir. 1943). Mit über 1000 Mitarbeitern entwickelte W. ferngesteuerte Flugkörper, darunter Gleitbomben (Seeziel-Flugkörper) Hs 293 und Hs 294, die Jägerrakete (Luft-Luft-Rakete) Hs 298 und die Boden-Luft-Flugabwehrrakete Hs 117 Schmetterling. Im Febr. 1945 wurde W. mit Teilen seiner Abteilung F nach Woffleben bei Nordhausen im Bereich des KZ-Lagerkomplexes Mittelbau-Dora verlegt, um in einem unterirdischen Stollen die Serienfertigung der Hs 117 aufzunehmen. W. steht prototypisch für eine im dt. Wissenschaftssystem des frühen 20. Jh. ausgebildete Ingenieurelite, die ihre Fähigkeiten ohne Zögern in den Dienst des NS-Staats stellte.

    1945 von einer alliierten Naval Technical Mission gegen seinen Willen mit einigen Mitarbeitern nach Sands Point bei New York (USA) verbracht, war W. hier offiziell bis 1947 als Mitarbeiter des Institute of Aeronautical Sciences mit Untersuchungen über theoretische Steuerungsprobleme befaßt; gleichwohl sollten seine Kenntnisse über die Gleitbombe Hs 293 für den Seekrieg gegen Japan genutzt werden. Anschließend arbeitete W. am Naval Air Missile Test Center in Point Mugu (Kalifornien) und entwickelte Lenksysteme für Flugkörper und automatische Abwurfsysteme. Damit entging der politisch nicht unbelastete W. – ähnlich wie viele mit der Aktion „Paperclip“ in die USA gebrachten dt. Wissenschaftler und Ingenieure – der Entnazifizierung; er arbeitete im Kalten Krieg für die USA. Seit 1950 war W. unabhängiger Berater bei „Raytheon Company“ für Probleme der Flugkörper-Lenkung sowie bei „Collins Radio“ für automatische Landesysteme auf Flugzeugträgern. 1952 gründete er die „H. A. Wagner Company“ in Van Nuys (Kalifornien) und war bis 1957 Vorstandsvorsitzender, Präsident und Chef-Ingenieur. Die Firma entwickelte v. a. elektro-mechanischoptische Systeme, wie das halbautomatische Lenksystem für den Panzerabwehr-Flugkörper „Dart“. 1957 wurde die Firma, die inzwischen über 200 Mitarbeiter beschäftigte, an „Curtiss-Wright Corporation“ verkauft, und W. nahm einen Ruf an die RWTH Aachen auf den Lehrstuhl für Technische Mechanik an. 1959–65 arbeitete er zugleich bei verschiedenen US-amerik. Militärfirmen und entwickelte z. B. Steuersysteme für automatische Aufklärungsfluggeräte für die „Fairchild Engine and Airplane Cooperation“. Nach seiner Emeritierung 1965 ging W. in die USA zurück und wirkte dort weiterhin als freier Ingenieurberater.

  • Auszeichnungen

    A österr. Tapferkeitsmedaille;
    Karl-Truppenkreuz;
    o. Mitgl. d. dt. Ak. f. Luftfahrtforsch. (1937–45);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Berlin 1960);
    Ehrenmitgl. d. Dt. Ges. f. Luft- u.-Raumfahrt (1973);
    Ludwig-Prandtl-Ring (1980).

  • Werke

    |Über d. Entstehung d. dynam. Auftriebes v. Tragflügeln, in: Zs. f. angew. Math. u. Mechanik 5, 1925, S. 17–35 (Diss.);
    Über Stoß- u. Gleitvorgänge an d. Oberfläche v. Flüssigkeiten, ebd. 12, 1932, S. 193–215;
    Ebene Blechwandträger mit sehr dünnen Stegblechen, in: Zs. f. Flugtechnik u. Motorluftschifffahrt 20, 1929, S. 306–15;
    Verdrehung u. Knickung v. offenen Profilen, in: Fünfundzwanzig J. TH Danzig 1904–1929, 1929, S. 329–43;
    Bauelemente d. Flugzeuges, 1940 (mit G. Kimm);
    Ferngelenkte Gleitbomben, in: Sonderprobleme d. Fernlenkung. Vortrr., gehalten auf d. Arb.tagung am 5. Nov. 1942, Sitzungsperiode 1942 / 43, S. 83–101;
    Guidance and Control of the Henschel Missiles, in: T. Benecke (Hg.), Hist. of the German Guided Missile Development, 1957, S. 8–23;
    Nachlaß: Dt. Mus., München.

  • Literatur

    |N. N. in: Jb. d. Dt. Ak. d. Luftfahrtforsch. 1, 1938, S. 97 f.;
    E. W. Constant, The Origins of the Turbojet Revolution, 1980;
    W. Heinzerling, G. Knausenberger u. M. Osietzki (Hg.), H. W., Dok. z. Leben u. Werk, 1984 (W, P);
    T. Benecke, K.-H. Hedwig u. J. Hermann, Flugkörper u. Lenkraketen, Die Entwicklungsgesch. d. dt. gelenkten Flugkörper v. Beginn dieses Jh. bis heute, 1987;
    W. Wagner, Hugo Junkers, Pionier d. Luftfahrt, seine Flugzeuge, 1996;
    E. H. Hirschel, H. Prem u. G. Madelung (Hg.), Luftfahrtforsch. in Dtld., 2001;
    J.-C. Wagner, Produktion d. Todes, das KZ Mittelbau-Dora, 2004;
    M. J. Bollinger, Warriors and Wizards, the Development and Defeat of Radio-Controlled Glide Bombs of the Third Reich, 2010;
    K.-E. Kurrer, Gesch. d. Baustatik, auf d. Suche n. d. Gleichgewicht, 2016;
    Pogg. VI–VIII;
    Qu BA Berlin;
    Geh. StA Preuß. Kulturbes.;
    StadtA Graz;
    Archive d. RWTH Aachen u. d. TU Berlin.

  • Porträts

    |Photogrr. (Archive d. TU Berlin u. d. Dt. Mus., München).

  • Autor/in

    Ulf Hashagen
  • Zitierweise

    Hashagen, Ulf, "Wagner, Herbert" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 237-239 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138242.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA