Lebensdaten
1831 – 1892
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Tokio
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Technologe
Konfession
keine Angabe
Namensvarianten
  • Wagener, Gottfried

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Zitierweise

Wagener, Gottfried, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138105.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., Beamter in H.;
    M N. N. ( 1860);
    1 B, 2 Schw; Schwager N. N., Fabr. v. Schmelzöfen in Ipswich (Suffolk).

  • Biographie

    W. besuchte die 1835 von Adolf Tellkampf (1798–1869) gegründete Höhere Bürgerschule (Realschule) in Hannover und nach deren Abschluß (1846) die Höhere Gewerbeschule (seit 1847 Polytechnische Schule, heute Univ. Hannover). Auf den Rat des Mathematikers und zweiten Direktors Georg Wilhelm Glünder (1799–1848) entschloß er sich zu einem Lehramtsstudium. Nach bestandenem Nachexamen in den humanistischen Fächern des Gymnasialunterrichts studierte W. 1849–51 in Göttingen bei Carl Friedrich Gauß, dem Physiker Wilhelm Eduard Weber und dem Geologen Wolfgang Sartorius v. Waltershausen. 1851 bestand W. das Oberlehrer-Examen für den Gymnasialunterricht in Mathematik und Naturwissenschaften. Danach hörte er in Berlin Mathematik bei Peter Gustav Lejeune Dirichlet, Physik bei Johann Christian Poggendorff, Geographie bei Karl Ritter, Kristallographie bei Christian Samuel Weiss und Mechanik bei Georg Adolf Erman. 1852 wurde W. in Göttingen mit einer von Gauß wohlwollend beurteilten Arbeit zum Dr. phil. promoviert.

    Seit 1852 lebte W. in Paris, wo er seinen Lebensunterhalt zunächst mit Privatunterricht sicherte, bis seine Sprachbegabung ihm eine Stelle als Übersetzer am Haupttelegraphenamt verschaffte. Es folgte die Mitarbeit an der von Frigyes (Friedrich) Szarvady (bis 1843 Friedrich Hirsch[l], 1822–82) herausgegebenen „Correspondenz“, einer Art Nachrichtendienst. Anläßlich des Todes seiner Mutter kehrte W. 1860 kurz nach Hannover zurück, bevor er eine Stelle an der technischen Lehranstalt in der Uhrenstadt La Chaux-de-Fonds (Kt. Neuenburg) antrat. In diese Schweizer Jahre fallen die ersten Anzeichen einer sich entwickelnden „Kopfgicht“ (Cephalagra), die ihm bis zu seinem Tode immer wieder schwer zusetzte. 1864 legte er nach einer radikalen Änderung des Schulwesens sein Lehramt nieder. Aus einem Unternehmen seines in Ipswich (Suffolk) als Ingenieur tätigen Schwagers zur Verbesserung von Schmelzöfen (Cupolöfen) zog er sich 1865 aus Gesundheitsgründen zurück.

    Im Frühjahr 1868, kurz nach dem Zusammenbruch der Herrschaft der Tokugawa Shogune, zog W. durch Vermittlung von Thomas Walsh (1827–1901), Direktor des amerik. Handelshauses Russel & Co. in Shanghai, nach Nakasaki, um mit dessen Bruder John G. Walsh (1829–97) eine Seifenfabrik zu gründen. Das verlustreiche Unternehmen wurde bald aufgegeben. 1870 baute W. in Arita, dem Produktionszentrum der weltweit berühmten Imari-Porzellane, im Auftrag des Gouverneurs der Provinz Hizen den ersten mit Steinkohle statt Holz befeuerten Brennofen. Bemühungen, W. länger in Hizen zu halten, scheiterten an finanziellen Schwierigkeiten. Er zog daher nach Yokohama, einer florierenden Hafenstadt in der Nähe Tokios.

    1870 wurde W. von der „Hochschule Süd“ (Daigaku Nankō), dem Vorläufer der Univ. Tokio, als Lehrer für Deutsch eingestellt. Seit 1872 unterrichtete er Physik und Chemie an der „Hochschule Ost“ (Daigaku Tōkō), der späteren Fakultät für Medizin der Univ. Tokio. Zur selben Zeit wurde er Berater von Tsunetami Sano (1822–1902), der als Direktor einer Ausstellungskommission mit den Vorbereitungen für die Weltausstellung in Wien (1873) befaßt war. Im März veranstaltete das japan. Kulturministerium eine Ausstellung, die zur Gründung des Nationalen Tokio Museums (Tōkyō Kokuritsu Hakubutsukan) führte. Im Juli inspizierte W. die kunstgewerbliche Produktion in Kioto, um geeignete Objekte für die Weltausstellung auszuwählen. 1873 begleitete er Sano nach Wien, wo er beim Aufbau des japan. Pavillons half und|den Katalog redigierte. Auf der folgenden Rundreise durch Europa kaufte er kunstgewerbliche Objekte für das neue Tokio-Museum an. In dem von Sano der Regierung überreichten Abschlußbericht zur Weltausstellung (1875) propagierte W. in zwei Sektionen die Notwendigkeit, moderne Kunstgewerbe-Museen zu gründen. W. nahm auch an den Vorbereitungen für die Weltausstellung in Philadelphia (1876) teil und war mit der Abfassung eines Teils des offiziellen Katalogs betraut (Descriptive Notes on the Industries and Agriculture of Japan).

    Nach der Rückkehr aus Europa unterrichtete W. 1874–77 Naturwissenschaften an der „Kaisei-Schule“ (Kaisei Gakkō, vormals Kaiseijo) für westliche Wissenschaften in Tokio und erteilte technische Instruktionen an der auf demselben Gelände eingerichteten Manufakturlehrstätte (Seisakugaku kyōjō). 1875–77 war er zugleich Berater des Amts für Industrieförderung im Innenministerium (Naimushō Kangyōryō). 1878–81 unterrichtete er in Kioto Physik und Chemie an der Schule für Medizin (Igakkō) sowie am „Chemieamt“ (Seimikyoku), einer Ausbildungs- und Forschungsstätte für Naturwissenschaften. Während dieser Zeit konstruierte er einen Seismographen und entwickelte Vorschläge zur Verbesserung des Cloisonné-Verfahrens in der Keramik, zu Glasurfarben u. a. m. Im Mai 1881 wurde W. als Lehrer für technologische Chemie an die neue Ksl. Univ. Tokio berufen. Im Okt. 1884 übernahm er zudem die Leitung der Abteilung für Keramik und Glasstechnik an der Kunst- und Gewerbeschule Tokio (Tōkyō Shokkō Gakkō), aus der 1881 das Tōkyō Institute of Technology (Tōkyō Kōgyō Daigaku) hervorging. In diesen Jahren entwickelte er eine Reihe von Verbesserungen in der Lasur- und Brenntechnik. Seit 1885 war er überdies für die Analytische Abteilung (Bunseki-ka) des neuen Ministeriums für Landwirtschaft und Handel (Nōshōmushō) tätig.

    Anfang 1890 inspizierte er eine Reihe von Zentren der japan. Keramikproduktion im Lande. Durch rheumatische Beschwerden gesundheitlich schwer angeschlagen, erhielt er im Sommer einen einjährigen Urlaub zur Erholung in Deutschland, doch seine Hoffnung auf Besserung erfüllten sich nicht. Anfang 1892 kehrte er nach Tokio zurück, wo er Ende des Jahres starb. Neben zahlreichen beruflichen Verpflichtungen machte sich W. um den Aufbau der 1873 von dt. Kaufleuten, Gelehrten und Diplomaten in Tokio gegründeten Dt. Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG) verdient, zunächst als stellvertretender Vorsitzender (1876–83), dann als erster Vorsitzender (1883–86). Seine Publikationen bezeugen weitgespannte Interessen.

    W.s Bedeutung beim Transfer europ. Fachwissens nach Japan ist unvergessen. Er unterrichtete in den Jahren des rasanten Umbruchs vom feudalen Agrarstaat zur modernen Industrienation an einer ganzen Reihe von Institutionen, die bald geschlossen, mit anderen vereinigt bzw. in eine andere Form überführt wurden. Sein Rat und seine Aktivitäten spielten hierbei oft eine wichtige Rolle. Infolge des häufigen Wechsels seiner Beschäftigungsverhältnisse floß W.s Expertise weiträumig in die Grundlagen der modernen japan. Erziehungs- und Forschungseinrichtungen für Gewerbe und Technik ein.

  • Auszeichnungen

    |Denkmal, 1924 (Kyōto, Okazaki-Park);
    Denkmal, 1929 (Tokyo Inst. of Technology);
    G. W.-Preis d. Dt. Wiss.- u. Innovationshauses Tokyo f. herausragende Leistungen in d. anwendungsorientierten Forsch. (seit 2008).

  • Werke

    |Ueber d. Pothenot’sche Problem, 1852 (Diss.);
    Geschichtliches ueber Maass- u. Gewichtssysteme in China u. Japan, in: Mitth. d. Dt. Ges. f. Natur- u. Völkerkde. Ostasiens 2, 1876–80, H. 12, S. 35–42;
    Bemm. über d. Theorie d. chin. Musik u. ihren Zusammenhang mit d. Philos., ebd., S. 42–61;
    Über Erdbebenmesser u. Vorschläge zu e. neuen Instrumente dieser Art, ebd., H. 15, S. 216–23;
    Aus d. Tagebuche Hendrik Heuskens, ebd. 3, 1880–84, H. 29, S. 372–90;
    Japan. Humor, 1901 (mit C. Netto), Nachdr. 2010.

  • Literatur

    |Mitth. d. Dt. Ges. f. Natur- u. Völkerkde. Ostasiens 6, 1893–97, H. 57, S. 357–64;
    H. Ueda, Waguneruden (Biogr. W.s), 1925;
    O. Umeda (Hg.), Waguneru sensei tsuikai-shū (Erinnerungen an d. verehrten Lehrer W.), 1938.

  • Porträts

    |Plakette am Denkmal, 1924 (Kyōto, Okazaki-Park, s. A).

  • Autor/in

    Wolfgang Michel
  • Zitierweise

    Michel, Wolfgang, "Wagener, Gottfried" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 190-191 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138105.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA