Lebensdaten
1897 – 1963
Geburtsort
München
Sterbeort
Köln
Beruf/Funktion
Dermatologe
Konfession
keine Angabe
Namensvarianten
  • Vonkennel, Christoph Josef
  • Vonkennel, Josef
  • Vonkennel, Christoph Josef
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Zitierweise

Vonkennel, Josef, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137641.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gottfried, Expedient, S d. Martin (von Kennel) (erw. 1869, ev.), Bez.feldwebel in Roding (Oberpfalz);
    M Anna N. N.

  • Biographie

    V. besuchte – unterbrochen durch den 1. Weltkrieg, an dem er seit 1914 als Freiwilliger teilnahm und in dem er 1916 an der Westfront bei einem Stoßtruppunternehmen als Feldwebel sein rechtes Bein verlor – das Theresien-Gymnasium in München. Nach dem Abitur 1918 und Aktivitäten im Freikorps Bund Oberland studierte er in München bis 1924 Medizin (Approbation), war aktiv im „Verein Deutscher Studenten“, leitete für einige Semester die Münchener Medizinerschaft und wurde 1928 mit „Experimentellen und histochemischen Untersuchungen zur Wismut-Therapie“ (in: Archiv f. Dermatol. 163, 1931, H. 2, S. 379–92) zum Dr. med. promoviert (Staatsexamen 1928). Nach der Medizinalassistentenzeit im Krankenhaus München-Schwabing und Anstellungen an der Münchner Universitätshautklinik habilitierte sich V. als Nichtmitglied der Fakultät im Dez. 1934 mit einer Studie über „Die experimentellen Grundlagen und die therapeutischen Ergebnisse der Goldtherapie der Syphilis“ für Haut- und Geschlechtskrankheiten. 1937 übernahm er eine Lehrstuhlvertretung für Dermatologie an der Univ. Kiel, 1938–43 die o. Professur für das Fach. Rufe nach Würzburg, Graz, Innsbruck und Straßburg lehnte er ab. Mit der politisch protegierten Berufung auf den Lehrstuhl für Dermatologie an die Univ. Leipzig 1943 stand er dem als „Deutsche Heilmittel GmbH“ getarnten SS-Forschungsunternehmen vor (Dir. d. Univ.hautklinik). Mit Josef Kimmig (1909–76), der V. von Kiel nach Leipzig gefolgt war, arbeitete er hier an der Chemotherapie der Syphilis und Gonorrhoe.

    V.s Mitgliedschaft im Bund Oberland und in anderen radikalen völkischen Gruppierungen während des Studiums, wie dem Verein Deutscher Studenten, eröffnete ihm vielfältige persönliche Kontakte zur frühen NS-Bewegung (Mitgl. d. NSDAP seit 1933 u. d. SS, Angehöriger d. Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS). In den Stab des Reichsführers SS wurde er 1944 als Beratender Dermatologe berufen. Bereits vor Antritt seiner Leipziger Professur war V. im Jan. 1943 eine vertragliche Verbindung mit dem Reichsarzt SS Ernst-Robert Grawitz (1899–1945) eingegangen, die von Heinrich Himmler (1900–45) persönlich angebahnt worden war. Himmler, dem Nachrichten über die alliierten Penizillinforschungen zugegangen waren, hatte erhebliches Interesse an dt. Forschungen zu diesem vielversprechenden Antibiotikum bzw. zu Alternativpräparaten. Kimmig, ebenfalls Parteigenosse und Mitglied der SA, entwickelte in Leipzig – auch in Humanversuchen – das|Sulfonamidpräparat DDS, ein Diaminodiphenylsulfon. Wegen unbefriedigender Ergebnisse wurden Versuche an Häftlingen des KZ Buchenwald unternommen, wie dies von Himmler und Grawitz im Vorfeld des Vertragsabschlusses mit V. ausdrücklich in Erwägung gezogen wurde. Bei diesen verbrecherischen Studien, die auf die Chemotherapie der Tuberkulose gerichtet waren und Todesopfer forderten, ging es wohl auch um industrielle Konkurrenz zur Wirksamkeit von bestimmten Sulfonamiden zwischen „I.G.-Farbenindustrie AG“ und „Schering AG“. Die Entwicklung eines „deutschen Penizillins“ aus der Gruppe der Mycoine, die in einer Publikation 1944 angedeutet und nach dem Krieg nicht mehr erwähnt wurde, bleibt dubios; vermutlich war angesichts der Kriegslage an eine sinnvolle Fortführung der Penizillinforschung nicht mehr zu denken. Gleichzeitig wurden der SS-Führung Scheinerfolge präsentiert, die in der Kriegssituation nicht zu überprüfen waren.

    Im April 1945 von der US-Armee in Leipzig interniert und 1948 im Spruchkammerverfahren als „entlastet“ eingestuft, war V. als Facharzt bei den „Chemischen Werken“ in Moers angestellt. 1950 wurde er gegen den Widerstand der Dermatologen Alfred Marchionini (1899–1965), Otto Grütz (1886– 1963) und Alfred Stühmer (1885–1957), die wie andere Fachvertreter um die NS-Belastung und die Indienstnahme V.s durch die SS wußten, auf den Kölner Lehrstuhl für Dermatologie und damit zum Direktor der Universitätshautklinik berufen. Hier setzte er sich besonders für den Aufbau der operativen Dermatologie ein. Seine Forschungsschwerpunkte waren Kosmetik und Hautveränderungen. Als Experte gehörte V. dem Ärztlichen Sachverständigenbeirat des Bundesarbeitsministeriums für Fragen der Kriegsopferversorgung seit 1952 an. Die Staatsanwaltschaft Köln leitete 1960 aufgrund von Vorwürfen von Doris Maase (1911–79), Ärztin, Widerstandskämpferin und Überlebende des KZ Ravensbrück, sowie sich daraus entwickelnden Spekulationen und Nachforschungen ein Ermittlungsverfahren gegen V. ein, das nach seinem Tod eingestellt wurde.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Leopoldina (1944).

  • Werke

    |Die Mycoine, e. „neue Gruppe“ therapeut. wirksamer Substanzen aus Pilzen, in: Klin. Wschr. 22, 1943, S. 321 (mit J. Kimmig u. A. Lembke);
    Versuche u. Unterss. mit neuen Sulfonamiden, ebd. 20, 1941, S. 2–8 (mit J. Kimmig);
    Die experimentellen Grundlagen u. d. therapeut. Ergebnisse d. Goldtherapie d. Syphilis, in: Archiv f. Dermatol. u. Syphilis 172, 1935, S. 80–86;
    Zur Prüfung silikonhaltiger Hautschutzsalben, 1958 (mit G. Froitzheim).

  • Literatur

    |E. Klee, Auschwitz, d. NS-Med. u. ihre Opfer, ²1997;
    B. Leube, Leben u. Werk d. Dermatol. J. V. (1897–1963) unter bes. Berücksichtigung seiner Wirkungszeit in Leipzig, 1998;
    A. Scholz, Gesch. d. Dermatol. in Dtld., 1999;
    C. Schreiber, Elite im Verborgenen, Ideol. u. regionale Herrschaftspraxis d. Sicherheitsdienstes d. SS u. seines Netzwerkes am Bsp. Sachsens, 2008, S. 263–65;
    H. W. Kreysel, Joseph Kimmig z. 100. Geb.tag, in: Hautarzt 61, 2010, S. 148–50;
    Ch. Andree, Die Univ.-Hautklinik d. Christian-Albrechts-Univ. z. Kiel 1902–2010, 2011;
    K.-W. Ratschko, Ärzte in d. NS-Zeit, Unmenschl. Tests durch Kieler Ärzte, d. Verstrickung d. Physiol. Ernst Holzlöhner u. anderer Kieler Univ.ärzte in NS-Med.verbrechen, in: Schleswig-Holstein. Ärztebl. 6, 2015, S.18–22;
    Personenlex. Drittes Reich;
    Pogg. VII a;
    Professorenkat. Univ. Leipzig;

  • Quellen

    Qu Archiv d. Leopoldina.

  • Autor/in

    Wolfgang U. Eckart
  • Zitierweise

    Eckart, Wolfgang U., "Vonkennel, Josef" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 106-107 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137641.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA