Lebensdaten
1885 – 1972
Geburtsort
Kempten (Allgäu)
Sterbeort
Borgholzhausen bei Bielefeld (Nordrhein-Westfalen)
Beruf/Funktion
Ministerialbeamter ; oberschlesischer Politiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 119392682 | OGND | VIAF: 59893225
Namensvarianten
  • Ulitz, Otto

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Zitierweise

Ulitz, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119392682.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Otto, aus Breslau, Färber, dann Berufssoldat, zuletzt Hauptfeldwebel in d. bayer. Armee, 1888 Bürodiätar d. preuß. Eisenbahnen in Breslau, 1895 Eisenbahnsekr. d. Eisenbahndirektion in Kattowitz, zuletzt Rechnungsrat;
    M Genoveva Leute, aus b. Ravensburg (Oberschwaben) ansässiger Bauern- u.|Müllerfam.;
    3 B Wilhelm (* 1883), Georg (* 1885), Arnold (1888–1971), 1930–33 Studienrat in Breslau, Dichter (s. L);
    1911 Johanna Czech ( n. 1949), aus Kattowitz;
    2 S Joachim (* 1913, im 2. Weltkrieg, Assessor, Reserveoffz., Otto (* 1917, im 2. Weltkrieg), Reserveoffz., 1 T Eva Konrad (* 1921).

  • Biographie

    U. absolvierte die Oberrealschule in Kattowitz und begann 1902 eine Ausbildung im dortigen kommunalen Verwaltungsdienst. Er leistete den Wehrdienst 1904/05 in Posen ab und trat anschließend in die Kattowitzer kommunale Polizei ein (1909 Kommissar, 1912 Leiter d. Kattowitzer Polizeiinspektion). Nach Teilnahme am 1. Weltkrieg (zuletzt Oberlt.) wurde U. Anfang 1919 Leiter der Polizeiexekutive im Polizeipräsidium von Kattowitz. 1920 schied U. unter Wahrung des Rechts auf Rückkehr aus dem preuß. Staatsdienst aus, um für die linksliberale DDP hauptamtliches Mitglied im internationalen Plebiszitkommissariat für Oberschlesien zu werden. Nach der Abtretung Ostoberschlesiens an Polen blieb U. in seiner Heimat und wurde 1922 geschäftsführender Vorsitzender, 1938 Präsident des „Dt. Volksbundes für Polnisch-Schlesien“ (DVB). 1922–35 war er für die liberalkonservative Dt. Partei Abgeordneter im (ober-)schles. Sejm. In diesen Funktionen war U. einer der profiliertesten Repräsentanten der dt. Minderheit in Polen, deren Interessen er auch vor dem Völkerbund vertrat. Seine Arbeit wurde von den Regierungen der Weimarer Republik und des Freistaats Preußen gefördert. Faktisch wurde er weiter wie ein Beamter behandelt und verdeckt aus Mitteln der vom Reich dotierten „Dt. Stiftung“ finanziert. In Polen wurde er dagegen wiederholt juristisch verfolgt. Die im Kern (minderheiten)politisch motivierten Prozesse verfolgten offensichtlich das Ziel, ihn einzuschüchtern, verschafften U., der eine friedliche Revision der Versailler Grenzen bejahte, aber einen Märtyrernimbus.

    Seit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 wurde U. zunehmend von den Subventionen und damit auch von Weisungen des NS-Regimes abhängig. Er paßte sich in den Jahren bis 1939, die gekennzeichnet waren von der weiteren Erosion des Minderheitenschutzsystems einerseits und einer scheinbaren Entspannung im dt.-poln. Verhältnis andererseits, immer mehr an das NS-System an, auch unter dem Druck des rechten Flügels des DVB. Am 18. 10. 1939 wurde ihm das „Goldene Ehrenzeichen der NSDAP“ verliehen. Die auch im Zusammenhang mit dieser Verleihung 1962 von der DDR erhobenen Vorwürfe, U. sei im Aug. 1939 an den Vorbereitungen für den fingierten Anschlag auf den Sender Gleiwitz beteiligt gewesen, treffen wahrscheinlich nicht zu.

    Nach der Besetzung Polens und der Rückgliederung Ostoberschlesiens an Deutschland wurde U. erneut preuß. Beamter und stieg als Leiter der Schulabteilung in Oberschlesien bis zum Ministerialrat auf. 1941 wurde er Mitglied der NSDAP. Obwohl wahrscheinlich nicht persönlich beteiligt an Verbrechen 1939–45, stellte U. sich aber dem NS-Regime aktiv und in hochrangiger Position zur Verfügung und war somit mitverantwortlich für die Umsetzung der polenfeindlich und rassistisch motivierten NS-Bildungspolitik in Oberschlesien.

    Nach Evakuierung und Flucht aus Oberschlesien im Jan. 1945 fand U. im Sept. 1945 Aufnahme in Thüringen, im Juni 1946 siedelte er nach Bayern über. Bei dem Versuch, seine Ehefrau nachzuholen, wurde er im Sept. 1946 vom NKWD verhaftet und vier Jahre in Naumburg, Schönberg und Buchenwald interniert. 1950 wurde er an die DDR-Justiz überstellt und im selben Jahr im Zuge der „Waldheimer Prozesse“ als NS-Kriegsverbrecher zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. 1952 begnadigt, durfte U. in die Bundesrepublik ausreisen. Er lebte anschließend in Borgholzhausen und fand schnell Anschluß an die Landsmannschaft der Oberschlesier (LdO), deren Sprecher er 1953–69 war. Seit 1958 war er außerdem Präsidiumsmitglied des Bundes der Vertriebenen (BdV) und seit 1970 Mitglied des Rats der LdO. 1960 unterlag er Hans Krüger in einer Kampfabstimmung um die BdV-Präsidentschaft. Heimatpolitisch vertrat U. – zeittypisch – eine zwar grundsätzlich versöhnungsbereite, aber auf friedliche Revision der Oder-Neiße-Linie abzielende Politik. Er gehörte nach 1945 keiner Partei mehr an, galt aber als CDU-nah, rechtskonservativ und dt.national. Die 1956 geplante Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes an U. scheiterte an Protesten wegen seiner NS-Vergangenheit, auch aus Vertriebenenkreisen. Anders als viele Altersgenossen ging U. einer Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen in seiner Heimat nicht aus dem Weg, er benannte diese offen in seinem 1957 erstmals erschienenen Oberschlesien-Buch, allerdings – wohl auch mit Blick auf seine persönliche Rolle – mit einer deutlich exkulpierenden bzw. apologetischen Tendenz.

  • Auszeichnungen

    A Dr. iur. h. c. (Breslau 1932).

  • Werke

    W Die Instanzen f. d. Minderheitenschutz in Oberschlesien, in: Nation u. Staat 1, 1927/28, S. 109–|13;
    Aus d. Gesch. Oberschlesiens, 1957, ²1962, 3. stark erw. Aufl. 1971 u. d. T.: Oberschlesien, Aus seiner Gesch.;
    Oberschlesiens dunkle Zeit, in: H. Hupka (Hg.), Meine schles. J., 1964, S. 23–38.

  • Quellen

    Qu BA Berlin u. Koblenz; Pol. Archiv d. AA; Archiv d. BStU; Landesarchiv NRW.

  • Literatur

    L Arnold Ulitz, Zwei Heimatstädte, in: H. Hupka (Hg.), Leben in Schlesien, 1962, S. 43–55;
    N. Podewin (Hg.), Braunbuch, Kriegs- u. Naziverbrecher in d. Bundesrep. u. Berlin (West), Nachdr. d. Ausg. Ost-Berlin ³1968, 2002;
    G. Webersinn, O. U., Ein Leben f. Oberschlesien, 1974 (P);
    M. O. Balling, Von Reval bis Bukarest, Statist.-Biogr. Hdb. d. Parl. d. dt. Minderheiten in Ostmittel- u. Südosteuropa 1919–1945, Bd. II, 1991, S. 764;
    R. Blanke, Orphans of Versailles, The Germans in Western Poland 1918–1939, 1993;
    M. Stickler, „Ostdt. heißt Gesamtdt.“, Organisation, Selbstverständnis u. heimatpol. Zielsetzungen d. dt. Vertriebenenverbände 1949–1972, 2004 (Qu);
    M. Kittel, Vertreibung d. Vertriebenen?, Der hist. dt. Osten in d. Erinnerungskultur d. Bundesrep. (1961–1982), 2007;
    I. Eser, „Volk, Staat, Gott!“, Die dt. Minderheit in Polen u. ihr Schulwesen 1918–1939, 2010;
    M. Schwartz, Funktionäre mit Vergangenheit, Das Gründungspräsidium d. Bundesverbandes d. Vertriebenen u. d. „Dritte Reich“, 2013 (Qu, P);
    zu Arnold: R. Rduch, Unbehaustheit u. Heimat, Das lit. Werk v. A. U., 2009;
    P. Raabe, Autoren u. Bücher d. lit. Expressionismus, ²1992;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy; Munzinger.

  • Porträts

    P Photogrr., U. im Kreise v. Volksdt., d. 1939 v. Adolf Hitler in Berlin ausgezeichnet wurden (Narodowe Archiwum Cyfrowe/Nat. digitales Archiv, Sign. 2–5721)

  • Autor/in

    Matthias Stickler
  • Zitierweise

    Stickler, Matthias, "Ulitz, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 563-565 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119392682.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA