Lebensdaten
1855 – 1921
Geburtsort
Rekum bei Bremen
Sterbeort
Jena
Beruf/Funktion
Pädagoge
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118624199 | OGND | VIAF: 10638925
Namensvarianten
  • Trüper, Johannes
  • Trüper, Johann
  • Trüper, Johannes
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Zitierweise

Trüper, Johann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118624199.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann (1811–79), Schiffszimmermann in R.;
    M Anna Chantelau (1817–68); 5 Geschw;
    Bonn 1896 Elisabeth Melaleuka Dörr (1867–1956), aus Velbert (s. L);
    6 K alle in soz.päd. Berufen tätig u. a. S Hellmut (1898–1973), 1944–55 päd. Leiter d. Sophienhöhe, 1956–66 Leiter d. Stiftung Landerziehungsheim Neubeuern am Inn b. Rosenheim, Friedmar (1901–98), wirtschaftl. Leiter d. Sophienhöhe, T Änne (1896–1981, Franz Löffler, 1895–1956, Heilpäd., Anthroposoph), gründete 1924 mit ihrem Mann d. Heil- u. Erziehungsinst. f. seelenpflege-bedürftige Kinder auf d. Lauenstein b. Jena u. legte damit wesentl. Grundlagen f. e. anthroposoph. orientierte Heilpäd.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Volksschule in Rekum und einer höheren einklassigen Privatschule in Neurönnebeck trat T. 1872 in das Lehrerseminar in Stade ein und wurde 1877 in den brem. Schuldienst übernommen. T. betrieb autodidaktische Studien, die ihn über das „Ev. Schulblatt“ zu dessen Herausgeber, dem Herbartianer Friedrich Wilhelm Dörpfeld (1824–93), und zur intensiven Auseinandersetzung mit der Pädagogik Johann Friedrich Herbarts führten. 1887 nahm T. ein Studium der Pädagogik, Philosophie, Naturwissenschaften, Psychiatrie, Volkswirtschaft und Physiologie in Jena auf, wo er Mitglied des Übungsseminars des Pädagogen Wilhelm Rein (1847–1929) wurde. Darüber hinaus besuchte er Vorlesungen von Otto Binswanger, Rudolf Eucken und Ernst Haeckel. Nach einem Studienaufenthalt in Berlin ging T. 1890 zurück nach Jena und begann, sich der Heilerziehung zu widmen. Noch im selben Jahr eröffnete er mit zunächst wenigen Zöglingen eine Anstalt für schwererziehbare Kinder, zwei Jahre später ein Heilerziehungsheim: Bis zum 1. Weltkrieg baute T. die auf eine sozial privilegierte Schicht zugeschnittene „Sophienhöhe“ zu einer der modernsten, weltweit beachteten heilpädagogischen Einrichtungen aus. Zu seinen Lebzeiten fanden hier zeitweilig bis zu 100 Kinder Aufnahme, betreut von einer etwa 50köpfigen Belegschaft. Seit 1877 fungierte T. als Schriftführer der ständigen Konferenz Bremer Landschullehrer. 1896 gründete er als erstes heilpädagogisches Diskussionsforum die Zeitschrift „Die Kinderfehler“ (seit 1900 Zs. f. Kinderforsch.), 1898 den „Allgemeinen dt. Verein für Kinderforschung“. Zudem war T. 1899 Initiator (seither Vors.) des Vereins für Kinderforschung sowie 1906 des Berliner Kongresses für Kinderforschung und Jugendfürsorge. 1919 gründete er den Thüringer Privatschulverband und den Reichsverband dt. Privatschulen.

    T.s heilpädagogische Heimarbeit knüpfte an ein herbartianisches Unterrichtsmodell vom erziehenden Unterricht an, das sich an Reins Reformschule orientierte. Auf dem Experimentalcharakter der dortigen Unterrichtspraxis basierend, entwickelte er einen Heilerziehungsplan, in dem der Bildungsgedanke einen zentralen Stellenwert erhielt. Dieser Ansatz hob sich von gängigen Modellen der Fürsorge ab. Zugleich grenzte sich T. von Einrichtungen unter medizinischer Leitung ab, in denen ein klar formuliertes Bildungsanliegen noch keinen Eingang in die medizinischtherapeutischen Ansätze gefunden hatte. Insofern eröffnete T. nicht nur aus heil- und reformpädagogischer Perspektive neue therapeutische Aussichten für die Psychologie/Psychiatrie, sondern machte zugleich eine bis dahin unberücksichtigte Klientel – die „erziehungsschwierigen Kinder“ – zum Gegenstand der (Heil-)Pädagogik.

    T. galt um die Jahrhundertwende neben dem Anstaltspsychiater Julius Ludwig August Koch (1841–1908) als einer der prominentesten Vertreter der Kinderforschung und Psychopathielehre (der sog. psychopathischen Minderwertigkeiten), deren Ansätze aber allmählich abgedrängt wurden von neueren Deutungsmustern, wie etwa der Psychoanalyse. Er publizierte zahlreiche heil- und sozialpädagogische Monographien und Beiträge, von denen die nach dem 1. Weltkrieg erschienenen eine ausgeprägte rechtskonservative Haltung erkennen lassen.

    Nach T.s Tod wurde das von ihm gegründete Erziehungsheim seinem Wunsch entsprechend bis zur Volljährigkeit der Söhne von einem Kuratorium verwaltet, dem seine Frau vorstand. Nach wirtschaftlichen Krisenjahren erlebte es seit 1924 unter dem Pädagogen Otto Haase (1893–1961) einen Aufschwung. 1929 übernahm T.s Sohn Friedmar die wirtschaftliche Leitung. Nach dem Weggang Haases 1930 oblag die pädagogische Leitung bis|zum Einstieg von T.s Sohn Hellmut 1931 Hanns Eyferth (1901–89). Hellmut und Friedmar flüchteten 1956 in die Bundesrepublik, nachdem im Jahr zuvor Schule und Internat verstaatlicht worden waren. Aufgrund gravierender konzeptioneller und baulicher Mängel einschließlich eines Brandes 1965, bei dem sieben Schüler den Tod fanden, wurde die Einrichtung 1966 geschlossen und anderen Nutzungszwecken (u. a. Lehrlingswohnheim) zugeführt. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Heimareal eine Wohnanlage.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. im Bremer Lehrerver. u. d. Ver. f. wiss. Päd. (seit 1890);
    – Sonderpädagog. Förderzentrum „J. T.“, Chemnitz;
    J.-T.-Str., Bremen-Rekum.

  • Werke

    W Die Schule u. d. socialen Fragen unserer Zeit, 3 Hh., 1890;
    Die Fam.rechte an d. öff. Erziehung, Ein Wort z. Verständigung im schulpolit. Kampfe, 1892;
    Zur Frage d. Erziehung unserer sittl. gefährdeten Jugend, Anmm. z. Entwurf e. Gesetzes über d. Zwangserziehung Minderjähriger, 1900;
    Friedrich Wilhelm Dörpfelds sociale Erziehung in Theorie u. Praxis, 1901;
    Psychopath. Minderwertigkeiten im Kindesalter, Ein Mahnwort f. Eltern, Lehrer u. Erzieher, 1893;
    Zur Frage d. eth. Hygiene, unter bes. Berücksichtigung d. Internate, 1904;
    Zur Wertschätzung d. Päd. in d. Wiss. wie im Leben, 1907; Das Erziehungsheim u. Jugendsanatorium Sophienhöhe b. Jena, 1898, 1907, 1909, 1910, 1911, 1912 (Anstaltsprospekte, teils in erw. Aufl. ersch.); Zeitfragen, 1911; Die privaten Erziehungs- u. Bildungsanstalten in ihrer ideellen u. wirtschaftl. Bedeutung f. unser dt. Volk, 1919; Zur Schulgesetzfrage in Thüringen, 1920; – Nachlaß: Heilpädagog. Archiv Berlin am Inst. f. Rehabilitationswiss., HU.

  • Literatur

    L Elisabeth Trüper, J. T. meinem geliebten Manne, d. Vater meiner sechs Kinder, 1920;
    Irmela u. Hellmut Trüper, Ursprünge d. Heilpäd. in Dtld., J. T., Leben u. Werk, 1978;
    M. Berger, J. T., e. Wegbereiter d. modernen Erlebnispäd.?, 1998;
    Chr. Bettermann u. A. Schotte, Heraus aus d. Schulstuben, 2002;
    H. H. Richter, J. T. u. seine Sophienhöhe in Jena, 2003;
    A. Schotte, Heilpäd. als Sozialpäd., J. T. u. d. Sophienhöhe b. Jena, 2010;
    H. Maier (Hg.), Who is who d. soz. Arb., 1998;
    M. Buchka (Hg.), Lb. bed. Heilpädagoginnen u. Heilpädagogen d. 20. Jh., 2000 (P);
    J. Lokers u. H. Schlichting (Hg.), Ll. zw. Elbe u. Weser 2, 2010 (P);
    Thüringer Erzieher; Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L)

  • Autor/in

    Alexandra Schotte
  • Zitierweise

    Schotte, Alexandra, "Trüper, Johann" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 468-469 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118624199.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA