Lebensdaten
1917 – 2003
Geburtsort
Pierrevillers (Lothringen)
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Journalist ; Photograph ; Dokumentarfilmer
Konfession
-
Normdaten
GND: 119073706 | OGND | VIAF: 293253949
Namensvarianten
  • Troeller, Charles
  • Troeller, Gordian
  • Troeller, Charles

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Zitierweise

Troeller, Gordian, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119073706.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Paul, aus Luxemburg, Buchhalter;
    M Katharina N. N. ( n. 1949);
    1) Marseille 1940 ⚮ Ruth Kahn (* 1918), 2) Hamburg 1987 Ingrid (* 1940), Dr. phil., Germanistin, Soziol., Gymn.lehrerin in H., T d. Helmut Becker-Ross (1915–40) u. d. Erika Böhl (1916–2003); 1948–74 Marie-Claude Deffarge (1924–84), Journ., Dokumentarfilmerin (s. W, L); 2 S, 1 T aus 1).

  • Biographie

    T. besuchte Schulen in Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Vor dem Abschluß einer kaufmännischen Lehre verließ er 1937 Luxemburg, um am Span. Bürgerkrieg teilzunehmen. Zum Einsatz gegen die Putschisten kam er nicht; über Frankreich gelang ihm die Rückkehr nach Luxemburg. 1940 floh er vor der Besetzung des Großherzogtums durch dt. Truppen mit einer dt. Jüdin durch Frankreich, heiratete sie in Marseille, zog weiter durch Spanien und gelangte nach Lissabon, wo er bis 1945 blieb. Nach dem Krieg reiste T. als freier Journalist für verschiedene Zeitungen und hielt sich wieder in Spanien auf. Von dort in die Niederlande ausgewiesen, lernte er in Amsterdam 1948 die franz. Photographin, Journalistin und Dokumentarfilmerin Marie-Claude Deffarge kennen, mit der er fortan gemeinsam reiste und arbeitete, v. a. im Iran und im Nahen Osten.

    Nach mehrmonatiger Tätigkeit als freier Mitarbeiter bei der in München erscheinenden „Revue“ wechselte T. 1960 nach Hamburg zum „Stern“. Für dieses Magazin bereiste er in den folgenden elf Jahren zusammen mit Deffarge neben Europa v. a. Amerika, Afrika und Asien. Daraus entstanden etwa 80 Bildreportagen, die die erschreckenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse der jeweiligen Länder kritisch dokumentierten. Aus dem gesammelten Material entstanden häufig mehrere Berichte, z. B. über Spanien unter Franco, die Mafia in Sizilien, den Schah und Iran, die Kämpfe der Landarbeiter in Brasilien, den Umsturz im Jemen; in seinen Berichten über die Kolonial-Kriege in Algerien und Vietnam übte T. scharfe Kritik an Frankreich und den USA. Zur umfangreichsten Serie entwickelten sich seit 1964 die Text- und Fotoreportagen über die „Frauen dieser Welt“, mit denen die in allen Kulturkreisen vorherrschende „patriarchalische Ordnung“ angeprangert wurde – für den „Stern“ zu Beginn der „sexuellen Revolution“ ein großer Verkaufserfolg; ausgeblendet blieb der sowjet. Machtbereich.

    Parallel zu diesen Reportagen begann T. bereits seit 1963 auch mit Filmaufnahmen, die im dt. und franz. Fernsehen gezeigt wurden. Im Mittelpunkt standen Aufstände und Freiheitsbewegungen in der arab. Welt, im Jemen, Irak, Sudan und Oman (Die Revolte der Sklaven, 1969). 1974 wechselte er auf Initiative Gert v. Paczenskys (1925–2014), zu dieser Zeit Chefredakteur von Radio Bremen, endgültig zum Fernsehen über; beide Journalisten verband das Interesse am Schicksal ehemaliger Kolonien, die inzwischen unabhängig geworden waren und nun Entwicklungsländer oder „Dritte Welt“ genannt wurden. In der 25jährigen Zusammenarbeit entstanden drei Serien mit insgesamt 70 Fernsehdokumentationen, darunter die Reihe „Im Namen des Fortschritts“ (1974–84), die den „Weltbürgerkrieg“ der reichen Industrienationen gegen wirtschaftlich schwächere Länder aufdecken sollte (Verarmungshilfe, Gabun 1975; Bitterer Zucker, Brasilien, 1983). Die Aufnahmen entstanden mit einer leichten Handkamera, ohne Stativ und Licht, sowie einer kleinen Tonausrüstung, die Beobachtungen dicht an den Menschen ermöglichten.

    Mit der Serie „Frauen der Welt“ (1979–83) wurde die „größte und unfreieste Kolonie“ ins Bild gerückt, die Frauen: In Togo etwa ging es um den „Nutzen der Vielehe“ (1979), im Iran um die „Freiheit unter dem Schleier“ (1980); zu den Berichten aus den westlichen Ländern gehörte u. a. „Aufstand der Hexen“ (1982) über die Frauenbewegung in Deutschland, die um die Verwirklichung der gesetzlich verbürgten Gleichstellung kämpfte.

    Die dritte Reihe mit dem Titel „Kinder der Welt“ (1984–1999) befaßte sich mit den prekären Lebensverhältnissen von Kindern v. a. der Dritten Welt; nach dem Tod von Deffarge 1984 entstanden diese Sendungen meist in Zusammenarbeit mit der Pädagogin Ingrid Becker-Ross.

    T., einer der bedeutendsten Dokumentarfilmer der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren, wurde mehrfach ausgezeichnet. Viele Titel aus seinem Gesamtwerk wurden über Bildstellen und Filmdienste für die nichtgewerbliche Bildungsarbeit als Kontrapunkte zur üblichen Berichterstattung über die Entwicklungsländer bereitgestellt.

  • Auszeichnungen

    A Adolf-Grimme-Preis (1984, 1985, bes. Ehrung f. sein Lebenswerk 1992);
    Preis d. Europarats (1985);
    Kritikerpreis f. d. Reihe „Kinder der Welt“ (1987);
    Lëtzebuerger Filmpräis „Prix d’honneur“ (postum 2003).

  • Werke

    W Retrospektiven als Werkschauen: im Rahmen d. Leipziger Dokumentarfilmfestivals, 1992, u. in Hamburg, 1993;
    Schrr.: Persien ohne Maske, 1958 (mit Marie-Claude Deffarge);
    Antifaschist, Anarchist, Journalist, G. T. berichtet, Eine Autobiogr., mit e. Nachw. v. G. v. Paczensky, hg. v. Ingrid Becker-Ross-Troeller, 2009 (P, Listen d. „Stern“-Reportagen u. d. Filme);
    W-Verz. v. Ingrid Becker-Ross (im Internet).

  • Literatur

    L G. T. u. Marie Claude Deffarge im Gespräch, hg. v. CON-Film, 1988;
    P. Heller (Hg.), Die Entwickler, Der Blick d. Medien auf d. Dritte Welt, 1990;
    J. Paschen (Hg.), Kein Respekt vor hl. Kühen, G. T. u. seine Filme, 1992;
    Ch. Adick u. F. R. Stuke (Hg.), Ferne Länder – fremde Sitten, Analysen z. Filmwerk v. G. T., mit e. Geleitw. v. G. T., 1996;
    Ch. Adick, Fernsehfilme als interkulturelle Bildungsmedien, Öff. Wirkungen u. didakt. Einsatzmöglichkeiten d. Filmwerks v. G. T., in: Tertium Comparationis, Journ. f. Internat. Bildungsforsch. 6, Nr. 1, 2000, S. 6–25;
    R. Garcia, Abrechnung mit den Mächtigen, Der Filmemacher G. T., in: Lëtzebuerger Alm. ’89, 1988, S. 44–57;
    U. Spies, in: FAZ v. 4. 4. 2003;
    Munzinger;
    CineGraph; – L-Verz. v. Ingrid Becker-Ross (im Internet)

  • Autor/in

    Joachim Paschen
  • Zitierweise

    Paschen, Joachim, "Troeller, Gordian" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 431-432 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119073706.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA