Lebensdaten
1849 – 1914
Geburtsort
Birnbaum/Warthe (Mie˛dzychód, Provinz Posen)
Sterbeort
Köln
Beruf/Funktion
Unternehmer ; Kaufmann ; Warenhausbetreiber
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 120882604 | OGND | VIAF: 74694884
Namensvarianten
  • Tietz, Leonhard

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Zitierweise

Tietz, Leonhard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd120882604.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Evtl. aus im 12. Jh. aus Südfrankr. ins Rheinland u. in d. Niederl. ausgewanderter jüd. Fam.; David ben Zwi erhielt 1773 in d. Gegend v. Tütz (ehem. Polen) e. Gut; dessen S Jacob Isaac ( 1798); dessen S David, Isaak, Salomon, verloren d. Gut, als Posen infolge d. Napoleon. Kriege d. Ghzgt. Warschau zugeteilt wurde, David u. Isaak schworen n. 1815 d. preuß. Kg. d. Untertanenrespekt u. erhielten e. Handelsprivileg; deren Nachfahren waren Bes. d. Engrosgeschäfts „Gebr. Tietz“ in Birnbaum;
    V Jakob (1828–87), Fuhruntern., Gemischtwarenhändler in Birnbaum, übernahm d. väterl. Fuhrgeschäft, S d. Salomon Hirsch (1796–1832, 2] Esther Beer), Fuhrmann in Birnbaum, u. d. Keile Joske (* 1795);
    M Johanna Kwieletzka (Quielecki) (1824–1901), aus jüd. Gutsbes.fam.;
    Ov Hermann (1837–1907), Kaufm., Mitgründer d. Garn-, Knopf-, Posamentieru. Wollwaren-Geschäfts in Stralsund;
    2 B u. a. Oscar (s. 2), 2 Schw;
    1879 Flora Baumann (1855–1943), emigrierte 1933 über Amsterdam n. Jerusalem;
    2 S Alfred Leonhard (1883–1941), 1910 Vorstand d. Leonhard Tietz AG, 1919 Gen.dir., Dr. h. c. (Köln 1930), emigrierte 1934 in d. Niederl. u. 1940 n. Jerusalem (s. Rhdb.; BHdE I), Gerhard (1894–1978), 1925 Vorstand d. Leonhard Tietz AG, emigrierte n. London, 2 T Luise, Annie; Schwager Max Baumann (* 1860), Kaufm. in K., rumän. Gen.konsul (s. Wenzel), Sally Baumann ( 1918), beide Mitgll. d. AR d. Leonhard Tietz AG;
    Vt Louis Schloß, Dir. (s. Wenzel), Willy Pintus ( 1920), beide Mitgll. d. Vorstands d. Leonhard Tietz AG in K.

  • Biographie

    T. besuchte die Schule in seinem Heimatort, absolvierte eine Lehre in einem Gemischtwarenladen in Prenzlau und begann seine Laufbahn als Kommis, später Handlungsreisender, eines Engrosgeschäfts von Verwandten, „Gebr. Tietz“, in Birnbaum. 1876 übernahm er mit einem Freund das bereits existierende Kurz-, Weiß- und Wollwarengeschäft „B. Winkelmann“ in Frankfurt/Oder. Nach der Trennung der Teilhaber von „Winkelmann Nachfolger“ gründete T. 1879 in Stralsund unter seinem Namen ein „Garn-, Knopf-, Posamentier- und Woll-Waren-Geschäft“, das er auch als Großhandel führte. Von Beginn an setzte T. auf Festpreise und Barzahlung. Aufgrund günstiger Einkäufe in großen Mengen konnte er Waren zu niedrigen Preise anbieten. 1885 errichtete er eine eigene Posamentenfabrik. Gleichzeitig nahm er Bekleidung in sein Sortiment auf. 1884 hatte er in Schweinfurt ein weiteres Geschäft erworben. Hier wie in allen anderen Niederlassungen wurden Familienmitglieder mit der Leitung betraut. Mehrere Familienmitglieder waren bereits in Süddeutschland aktiv und T. bildete mit seinen Verwandten eine Einkaufsgemeinschaft. Mit seinem Bruder Oscar traf er eine Gebietsabsprache: Dieser blieb im Süden geschäftlich tätig, während sich T. dem Westen zuwandte. 1889 gründete er eine Filiale in Elberfeld, die im nächsten Jahr Hauptniederlassung wurde; er verlegte auch seinen Wohnort nach Elberfeld.

    Bei Expansionen achtete T. stets auf Risikominimierung. An neuen Standorten nahm er zuerst in einem kleinen Ladengeschäft mit wenigen Mitarbeitern den Betrieb auf, um sich dann stetig zu vergrößern, was meist bereits nach wenigen Monaten geschah. Zudem betrieb er eine stetige Werbung in den örtlichen Zeitungen. In Köln eröffnete er 1891 ein Geschäft, innerhalb der nächsten beiden Jahre zwei weitere Filialen. 1893 wurde das Unternehmen in die „Leonhard Tietz KG“ mit Sitz in Köln umgewandelt. Neben T. wurden Max und Sally Baumann, Brüder seiner Ehefrau, Kommanditisten. 1895 nahm T. an der Hohe Straße in Köln in einem neu errichteten Geschäftsbau mit vier Etagen auf eigenem Grundstück den Geschäftsbetrieb seines ersten Warenhauses auf, das neben dem Ursprungssortiment u. a. Porzellan, Küchenartikel, Pelzwaren, Parfüms und Spielwaren umfaßte. T. bot z. B. vollständige Einrichtungen für Küchen, die aus mehreren Hundert Einzelteilen bestanden, zu einem Festpreis an. Eine eigene Versandabteilung lieferte die Waren zum Kunden. Zudem fungierte das Warenhaus als Großhandelsunternehmen, das Hotels und Gaststätten sowie Lebensmittelgeschäfte belieferte.

    In den Folgejahren baute T. sein Filialnetz weiter aus. Das Kölner Haupthaus wurde durch T.s geschickte Grunderwerbspolitik stetig erweitert und 1902 durch einen großen Neubau mit einer überdachten Passage nach dem Vorbild der Mailänder Galleria ersetzt. 1905 überführte T. das Unternehmen in die „Leonhard Tietz AG“, Köln, die erste dt. Warenhaus-Aktiengesellschaft, bei der er, seine beiden Schwäger und zwei Cousins, die Filialen leiteten, Aktionäre wurden. Das Gründungskapital betrug zehn Mio. Mark, T. übernahm 60 %. 1909 erfolgte die Börsennotierung als erste dt. Warenhausaktie. Zu der 1899 eingerichteten Betriebskrankenkasse kam 1906 ein Unterstützungsfonds für „Notleidende“ und 1911 ein Erholungsheim für die weiblichen Angestellten in der Eifel. Neue Warenhäuser wurden 1909 in Düsseldorf, 1910 in Brüssel und Chemnitz, 1912 in Elberfeld eröffnet. Das Kölner Haus wurde 1912–14 von dem Architekten Wilhelm Kreis (1873–1955) neu erbaut. T. initiierte vor der Eröffnung professionelle Werbeaktionen. Mitte 1914 besaß er 18 Geschäfte in Deutschland und sechs in Belgien mit 40 000 qm Verkaufsfläche und 5500 Mitarbeitern. In Bitburg (Eifel) hatte er 1912 eine eigene Strumpffabrik gegründet. In Berlin und Chemnitz unterhielt T. eigene Einkaufshäuser, um von der dortigen Textilindustrie direkt deren Produkte zu erwerben.

    T. besaß eine Kunstsammlung mit Werken u. a. von Vincent van Gogh und Paul Cézanne. Er war mit Schenkungen, Leihgaben und Spenden für Museumsankäufe mäzenatisch tätig, ebenso stiftete er für jüd. Sozialeinrichtungen und war Vorstandsmitglied der Kölner Synagogengemeinde.

    T.s Söhne setzten den Expansionskurs nach dem 1. Weltkrieg fort, u. a. 1925 mit der Gründung der „Ehape-Einheitspreis-Handelsgesellschaft“ (später „Kaufhalle“). T.s Sohn Alfred wurde im April 1933 zum Ausscheiden aus der Unternehmensführung gezwungen, er und seine Partner mußten ihre Unternehmensanteile unter Wert an dt. Großbanken verkaufen, das Unternehmen wurde in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umbenannt. Die Eigentümerfamilie T. mußte in die Niederlande emigrieren. 1951 einigte sich das Unternehmen mit den Nachfahren der Familie T. über eine Entschädigungszahlung als Ersatz für die frühere Aktienbeteiligung.

    Das Unternehmen entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland u. a. durch Übernahmen (z. B. 1994 Horten AG) oder Beteiligungen (z. B. 1988 Media-Markt) zur „Kaufhof Holding AG“, die 1996 mit der „Metro Cash & Carry International GmbH“ zur „Metro AG“ fusionierte und seit 2008 als „Galeria Kaufhof GmbH“ firmiert.

  • Auszeichnungen

    A preuß. Roter Adlerorden IV. Kl. (1912).

  • Literatur

    L M. Schwann, L. T., Ein Wort über ihn u. sein persönl. Wesen, 1914;
    50 J. Leonhard T., 1929;
    F. Blumrath, in: Rhein.-Westfäl. Wirtsch.biogrr. VII, 1960, S. 48–66 (L, P);
    P. Fuchs, 100 J. Kaufhof Köln, 1991;
    N. Busch-Petersen, L. T. (1849–1914), Fuhrmannssohn u. Warenhauskönig (…), 2014 (L, P); Kölner Personenlex.

  • Porträts

    P Öl/Lwd. v. M. Liebermann, 1911 (New York, Leo Baeck Inst.); Bronzeplakette v. R. Pestemer, 1964 (Köln, Eingangsbereich d. Kaufhof-Zentralverw.).

  • Autor/in

    Ulrich S. Soénius
  • Zitierweise

    Soénius, Ulrich S., "Tietz, Leonhard" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 272-274 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd120882604.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA