Lebensdaten
erwähnt 19./20. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Unternehmer
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 1143711653 | OGND | VIAF: 43151049891733410857
Namensvarianten
  • Thiel

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Zitierweise

Thiel, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1143711653.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    1862 gründeten die Brüder Christian Emilius (1832–79) und Johann Georg Christian (1827–81) im thür. Ruhla eine metallverarbeitende Fabrik. Ihre Mutter Christiane Wilhelmine geb. Herr (1806–71) stammte aus einer Ruhlaer Handwerkerfamilie. Der im schles. Beuthen/Oder geborene Vater Johann Friedrich Siegmund (1800–66) war der Sohn eines preuß. Soldaten und einer Ruhlaer Tagelöhnertochter. Seit dem 18. Jh. hatte sich in Ruhla das Tabakpfeifengewerbe als wichtigster Gewerbezweig etabliert, in dem auch Johann Friedrich Siegmund als Mitinhaber einer kleinen Fabrik für Pfeifenbeschläge tätig war. In der neuen Firma seiner beiden Söhne wurden zunächst ebenfalls Pfeifenbeschläge hergestellt, dann auch andere kleinere Metallwaren. Georg schied 1867 aus dem Unternehmen aus, um eine eigene Fabrik zu gründen. Sein jüngerer Bruder Christian, der sich 1870 auch an dem bis dahin größten Ruhlaer Metallbetrieb, der Fabrik von Christian Bardenheuer, beteiligte, holte seine jüngeren Brüder Christian Reinhold (1848–1906) und Ernst Eduard (1852–1902) in das Unternehmen, das in den 1870er Jahren einen kräftigen Aufschwung nahm. 1873 erwarb die Firma ein großes Gelände am späteren Ruhlaer Bahnhof, setzte nun mit Wasserkraft betriebene Maschinen zur Produktion ein und errichtete ein Messingwalzwerk, das auch andere regionale Betriebe mit Messingblechen und -draht belieferte. Als Christian 1879 starb, beschäftigte die Fabrik etwa 200 Arbeiter, im folgenden Jahrzehnt wuchs die Zahl der Beschäftigten auf über 600. Dieser Ausbau des Betriebs war v. a. auf die Uhrenproduktion, u. a. einer Kinderspieluhr (seit 1874), zurückzuführen. 1891 konstruierte der Mechaniker Emil Dürer eine einfache und preiswerte Taschenuhr mit eingebautem Figurenautomat, der den legendären „furchtlosen Schmied von Ruhla“ zeigte. Unter dem Namen „Fearless“ wurde diese in Serienproduktion gefertigte Uhr zu einem großen internationalen Verkaufserfolg. 1901 übernahm die zweite Generation in der Unternehmensleitung Verantwortung, zuerst mit Justus Heinrich (1867–1932), Sohn von Christian, 1901–32 Geschäftsführer. 1901 wurde die bisherige „Gebr. Thiel OHG“ umgewandelt in die „Gebr. Thiel GmbH“. 1912–20 waren auch Ernst Rudolf (1874–1920), Sohn von Reinhold, und seit 1913 zusätzlich Heinrich Reinhold Bruno Richard (1882–1979), Sohn von Ernst, Geschäftsführer. Die Uhrenproduktion blieb für die weitere Entwicklung des Unternehmens ein wichtiger Faktor. Die „Gebrüder Thiel GmbH Ruhla“ gehörte zu den Pionierunternehmen der Armbanduhrproduktion und brachte durch eine rationelle Fertigung von hohen Stückzahlen preiswerte Qualitätsuhren auf den internationalen Markt. 1911 wurde eine Zweigniederlassung in London gegründet. Ein weiteres Geschäftsfeld eröffnete sich, als das Unternehmen die für die Uhrenproduktion notwendigen Spezialmaschinen in einer eigenen Zentralwerkstatt zu fertigen begann. Seit 1905 entwickelte die „Fried. Krupp AG“ zusammen mit den Thiel-Werken einen Zeitzünder für militärische Zwecke, mit deren Bau das Unternehmen während des 1. Weltkriegs ganz im Dienst der Kriegswirtschaft stand. In den 1920er Jahren rückte die Uhren- und Werkzeugmaschinenproduktion wieder ins Zentrum. Neue Produkte wie modische Armbanduhren für Frauen ermöglichten einen weiteren, v. a. vom Export getragenen Ausbau des Werks. 1922 wurde die Tochtergesellschaft „Gebrüder Thiel Seebach GmbH“ gegründet. Als die Firma Thiel 1937 ihr 75jähriges Jubiläum feierte, präsentierte der Betriebsleiter Reinhold, seit 1934 NSDAP-Mitglied, das Werk als NS-Musterbetrieb. Als Präsident der IHK Weimar trat Reinhold 1935 an die Spitze der Wirtschaftskammer Mitteldeutschland und fungierte bis 1945 in mehreren Institutionen als Schlüsselfigur in der mitteldt. Rüstungswirtschaft und einflußreiches Bindeglied zwischen der gewerblichen Wirtschaft und der NS-Herrschaft im Gau Thüringen. Nach über zweijähriger Internierung wurde Reinhold 1949 von einem Essener Entnazifizierungsausschuß als Mitläufer eingestuft. Das Familienunternehmen wurde bis zum Verkauf an die „MAHO Werkzeugmaschinenbau Babel & Co KG“ 1972 hauptsächlich in Sand bei Kassel weitergeführt.

    Während des 2. Weltkriegs arbeiteten über 10 000 Menschen, darunter mehrere 100 Zwangsarbeiter, in den ganz auf Rüstungsproduktion ausgerichteten Werken des Thiel-Konzerns. Nach dem Krieg kamen die nun in der SBZ liegenden, nach den Demontagen|verbliebenen Betriebsteile 1946 zunächst in den Besitz einer sowjet. Aktiengesellschaft, ehe sie 1952 von der Regierung der UdSSR in das „Volkseigentum“ der DDR übergeben wurden. Seit 1953 wurde das Unternehmen als „VEB ‚Klement Gottwald‘ Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla“ geführt, seit 1967, nach dem Zusammenschluß der Uhrenwerke von Glashütte, Ruhla und Weimar als „VEB Uhrenkombinat Ruhla“. 1978 wurde das „VEB Uhren- und Maschinenkombinat Ruhla“ dem „Kombinat Mikroelektronik Erfurt“ zugeordnet und fungierte als Leitbetrieb für den Bereich Zeitmeßgeräte. Bis zum Ende der DDR wurden in Ruhla zahlreiche neue Uhrenprodukte entwickelt und produziert, dennoch war der Betrieb international nicht konkurrenzfähig. Nach dem Ende der DDR wurde der VEB aufgelöst, an seine Stelle traten mehrere private, hochspezialisierte Klein- und Mittelbetriebe wie „Gardé Uhren“ und „Feinmechanik Ruhla GmbH“. Nachfahren der Familie T. wurden in Ruhla nach 1990 nicht mehr unternehmerisch tätig.

  • Literatur

    L P. G. Ehrhardt, 75 J. Gebr. T. GmbH, Ruhla in Thür., 1862–1937, 1937 (P);
    F. Bauer, Taschen- u. Armbanduhren-Erzeugung u. Sondermaschinen f. d. Werkzeugbau d. Gebr. T. G.M.B.H., Ruhla, Thür., 1938;
    W. Huschke, Forsch. über d. Herkunft d. Thür. Untern.schaft d. 19. Jh., 1962;
    G. Krug, Gesch. d. Ruhlaer Uhr, 1–3, in: Thüringer Allgemeine v. 26. 11. 1996, 30. 11. 1996 u. 9. 1. 1997;
    J. John, Der NS-Gau Thür. 1933 bis 1945, in: ders. u. J. H. Ulbricht (Hg.), Klassikerstadt u. NS, Kultur u. Pol. in Weimar 1933 bis 1945, 2002, S. 45 f.;
    W. Schilling, Hitlers Trutzgau, Thür. im Dritten Reich, Bd. 2, 2008, S. 194;
    M. Fleischhauer, Der NS-Gau Thür. 1939–1945, 2010;
    A. Kamp u. a., Die Gesch. d. Technik d. Ruhlaer Uhren u. Maschinen, 2012;
    J. Schreiber, Gebrüder T., Fam. & Unternehmen, Unternehmensbiogr., Diss. Jena 2015 – Mitt. d. Uhrenmus. Ruhla (P); – Qu Thür. HStA Weimar, Bestand „Gebr. Thiel GmbH Ruhla“, 1862–1945.

  • Autor/in

    Hans-Werner Hahn
  • Zitierweise

    Hahn, Hans-Werner, "Thiel" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 109-110 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1143711653.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA