Lebensdaten
1861 – 1937
Geburtsort
Maierhof Spörnig bei Niemes (Mimoň) (Böhmen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Ärztin ; Frauenrechtlerin
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 127374167 | OGND | VIAF: 279467422
Namensvarianten
  • Stelzner, Helenefriederike
  • Stelzner, Helene-Friderike
  • Westmann, Helenefriderike (geborene)
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Zitierweise

Stelzner, Helenefriderike (verheiratete), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd127374167.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N. Westmann, Rittergutsbes. auf Köckritz b. Chemnitz;
    M N. N.;
    vor 1897 Julius A. Stelzner (um 1855–97, aus Chemnitz, Exporteur v. Baumwollsaatölprodukten in Galveston (Texas).

  • Biographie

    Mit 16 Jahren beendete S. 1877 die Höhere Töchterschule in Chemnitz und legte, nachdem sie geheiratet hatte und Witwe geworden war, im Alter von 36 Jahren in der Schweiz die Reifeprüfung ab. Im Herbst 1897 begann sie, da dt. Universitäten zu dieser Zeit noch keine Frauen zuließen, das Medizinstudium in Zürich. Als Ende 1899 weibliche Personen zumindest die vorgeschriebenen ärztlichen Prüfungen in Deutschland absolvieren konnten, gehörte S. zu den ersten Frauen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch|machten. Seit 1900 setzte sie ihr Studium als Gasthörerin in Berlin und Halle fort, wo sie im Juli 1902 das Staatsexamen ablegte und als eine der zehn ersten dt. Medizinerinnen promoviert wurde. 1903–05 arbeitete S. als Volontärärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Berlin, wo sie sich als erste Ärztin an der Charité erfolgreich durchsetzte und zugleich erkannte, daß Anstalten und Kliniken für Frauen ihrer Generation keine Entwicklungs- und Aufstiegschancen vorsahen. 1904 wurde sie zur Schulärztin für die Höheren Mädchenschulen in Charlottenburg bestellt, wo sie außerdem 1905–33 eine Praxis für „Nervenkrankheiten und Elektrotherapie“ bzw. seit 1927 für Innere Medizin betrieb. Seit 1907 hatte sie zudem die ärztliche Betreuung der weiblichen Fürsorgezöglinge im Magdalenenstift der Diakonissenanstalt Teltow übernommen. Als bald nach Beginn des 1. Weltkriegs die dt. Heeresleitung den Einsatz von Ärztinnen im Kriegsdienst untersagte, bewarb sich S. bei der österr. Armee und arbeitete dort bis 1918 in Reserve- und Seuchenlazaretten.

    S. veröffentlichte mehrere Monographien, die von der Fachwelt als originelle und überzeugend fundierte Beiträge zur Sozialpsychiatrie gewürdigt wurden, sowie zahlreiche, teilweise sehr umfangreiche Artikel in Fachzeitschriften. Dabei rekurrierte S. nicht nur auf ihre solide psychiatrische Ausbildung, sondern ebenso auf ihre „natürliche Fähigkeit“, als Frau mit weiblichen Kranken, Kindern und Jugendlichen zu kommunizieren. Die breite Basis ihrer wissenschaftlichen Studien bildeten die Patientinnen der Universitätsnervenklinik, zu deren Leiter Theodor Ziehen (1862–1950) sie offenbar auch nach ihrem Ausscheiden aus der Klinik gute Kontakte unterhielt, sowie die Schülerinnen der von ihr betreuten Institutionen, für die sie einen der weiblichen Sozialisation adäquaten Intelligenztest entwickelte. Thematisch ging es um den weiblichen Suizid, um die Differentialdiagnose von Intelligenz-, Charakter- und Entwicklungsdefiziten bzw. psychischen Erkrankungen bei Mädchen und weiblichen Jugendlichen sowie um die Ursachen und die Prognose von jugendlicher Kriminalität und Prostitution. Obwohl S. auch Verwahrlosung und Inzest als Ursachen jugendlicher Devianz thematisierte, ging sie in vielen Fällen von einer familiären Disposition zur Asozialität aus. In den Debatten der 1920er Jahre trat sie für die Straffreiheit des ärztlichen Schwangerschaftsabbruchs ein, wobei sie aus psychiatrischer Sicht v. a. die eugenische Indikation und die Sterilisation von Geisteskranken und Asozialen befürwortete. Ein weiteres durchgängiges Thema ihres wissenschaftlichen und publizistischen Werks war die Kritik der gesellschaftlichen Beschränkungen und der in der Medizin tradierten Vorurteile, mit denen Frauen zu kämpfen hatten (vgl. v. a. Gefährdete Jahre, 1931).

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Berliner Med. Ges. (1903), d. Ver. d. Schulärzte Dtlds. (1909), d. Dt. Ver. f. Schulgesundheitspflege (1909), d. Ges. f. soz. Med., Hygiene u. Medizinalstatistik (1913) u. d. Ver. Krankenhaus weibl. Ärzte (1914);
    Delegierte d. Berliner Ärztekammer (1927).

  • Werke

    u. a. Monogrr.: Analyse v. 200 Selbstmordfällen nebst Btr. z. Prognostik d. mit Selbstmordgedanken verknüpften Psychosen, 1906;
    Die psychopath. Constitutionen u. ihre sociol. Bedeutung, 1911;
    Weibl. Fürsorgezöglinge, Ihre psychol. u. psychopathol. Wertung, 1929;
    Gefährdete Jahre im Geschlechtsleben d. Weibes, Beobachtungen u. Ratschläge e. Ärztin f. d. Wechseljahre, 1931;
    Aufss.:
    Die psychiatr. Tätigkeit d. Schularztes an höheren Schulen mit bes. Berücksichtigung d. daselbst beobachteten Schwachsinnsformen, in: Zs. f. d. Erforsch. u. Behandlung d. jugendl. Schwachsinns auf wiss. Grundlage 5, 1912, S. 457–93;
    Fürsorge u. Zwangserziehung, in: Hdwb. d. soz. Hygiene, hg. v. A. Grotjahn u. J. Kaup, 1912, Bd. 1, S. 365–76;
    Die Frühsymptome d. Schizophrenie in ihren Beziehungen z. Kriminalität u. z. Prostitution der Jugendlichen, in: Allg. Zs. f. Psychiatrie 71, 1914, S. 60–130;
    Der Inzest, Mit kasuist. Beobachtungen an Berliner weibl. Fürsorgezöglingen, in: Zs. f. d. gesamte Neurol. u. Psychiatrie 93, 1924, S. 647–719;
    Qu
    Inst. f. Gesch. d. Med., Berlin, Dok. Ärztinnen im Ks.reich.

  • Literatur

    B. Ziegeler, Weibl. Ärzte u. Krankenkassen, Anfänge ärztl. Berufstätigkeit v. Frauen in Berlin 1893–1935, 1993;
    W. Mohme, Der Eintritt v. Frauen in d. Arztberuf im Spiegel d. Zs.Med. Reform“ 1893–1918, Diss. FU Berlin 1996;
    A. Burchard, Blaustrumpf – Modestudentin – Anarchistin, Dt. u. russ. Med.studentinnen in Berlin 1896–1918, 1997;
    S. Schleiermacher, Gesundheitsfürsorge u. Gesundheitswiss., Der Aufbau weibl. Kompetenz außerhalb d. traditionellen scientific community, in: Der Eintritt d. Frauen in d. Gelehrtenrep., hg. v. J. Bleker, 1998, S. 101–15;
    P. Reinicke, in: Who is who d. Sozialen Arbeit, 1998;
    J. Bleker u. S. Schleiermacher, Ärztinnen aus d. Kaiserreich, Ll. e. Generation, 2000.

  • Autor/in

    Johanna Bleker
  • Zitierweise

    Bleker, Johanna, "Stelzner, Helenefriderike" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 239-240 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd127374167.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA