Lebensdaten
1861 – 1944
Geburtsort
Hohenems (Vorarlberg)
Sterbeort
Territet (Montreux, Kanton Waad)
Beruf/Funktion
Physiologe ; Endokrinologe
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 117657662 | OGND | VIAF: 47545373
Namensvarianten
  • Steinach, Eugen
  • Steinach, E.
  • Steinach, Eugen, Hormonforscher

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Zitierweise

Steinach, Eugen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117657662.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Simon (1834–1904), Dr. med., studierte 1853–60 Med. in Wien, übernahm 1860 d. väterl. Praxis in H., seit 1893 wieder in Wien, Physiol., Mitgl. d. Vorarlberger Ärztever., d. Vorarlberger Landesschulrats u. d. Wiener Ges. d. Ärzte, Vorstandsmitgl. d. Ver. d. Vfg.freunde, 1869 Bgm. in H., S d. Wilhelm (1796–1867), Dr. med., 1832 Arzt d. isr. Gde. in H. (beide s. L), u. d. Therese Levi (1810–55;
    M Flora, T d. Josef Rosenthal (1805–62, Fabr., Mitinh. d. Spinnerei Gebrüder Rosenthal, Gde.rat, stiftete e. Legat z. Gründung d. isr. Armenhauses in H., u. d. Clara Löwenberg;
    Ur-Gvv Simon Wulf (Wolf) Ullmann (seit 1813 S.) (1797–1829), wanderte aus Pfersee b. Augsburg n. H. ein;
    Gr-Ov Martin (1797–1865), stiftete e. Legat z. Gründung d. isr. Armenhauses in H.;
    Gr-Om Philipp Rosenthal (1801–59, Kaufm., Mitinh. d. Spinnerei Gebrüder Rosenthal, Bgm. in H. (s. L); B Josef (* n. 1861), Dir. d. Spinnerei Gebrüder Rosenthal in Rankweil;
    – ⚭ Antonie Thumim (Freitod); kinderlos.

  • Biographie

    S. studierte Medizin in Genf, Wien und Innsbruck, wo er 1886 promoviert wurde und anschließend für drei Jahre als Assistent am physiologischen Institut tätig war. 1889 wurde S. erster Assistent des angesehenen Physiologen Ewald Hering (1834–1918) an der Dt. Univ. in Prag, habilitierte sich dort ein Jahr später, und arbeitete weitere fünf Jahre als Privatdozent für Physiologie. In Prag forschte S. unter Herings Einfluß zur vergleichenden Physiologie der Iris. 1894 publizierte er erste Arbeiten zur vergleichenden Physiologie der Geschlechtsorgane bei Fröschen, Säugetieren und kastrierten Ratten. 1895 zum ao. Professor für Physiologie ernannt, eröffnete S. 1902 an der Dt. Univ. in Prag das erste Laboratorium für allgemeine und vergleichende Physiologie im dt.sprachigen Raum. In dieser Zeit entstanden v. a. Arbeiten zur Sinnesphysiologie. 1907 o. Professor geworden, ging S. 1912 nach Wien|und leitete bis zu seiner Emeritierung 1932 die tierphysiologische Abteilung der „Biologischen Versuchsanstalt“ der Akademie der Wissenschaften.

    Seit 1910 publizierte S. zur innersekretorischen Funktion der Keimdrüsen und deren Einfluß auf Geschlechtstrieb und -charakteristika. Sein Forschungsziel war es, tierexperimentell die hormonale Bedingung der Geschlechtsausbildung zu beweisen und zu belegen, daß sog. Zwischenzellen, die er auf den Namen „Pubertätsdrüse“ taufte, für die Sexualhormonproduktion zuständig seien. 1912 entwickelte er die Theorie, daß die Entwicklung der Geschlechtsreife durch die Zwischenzellen bzw. die Pubertätsdrüse bedingt sei. S. postulierte aufgrund seiner Experimente eine hormonelle Spezifität der Geschlechter, die es erlaube, durch Keimdrüsenverpflanzungen Geschlechtsumwandlungen herbeizuführen. S.s daraufhin an Nagetieren durchgeführte Geschlechtsumwandlungsexperimente waren von großem Einfluß auf die Hormonforschung der 1920er Jahre. Sie erlaubten die Annahme der Existenz sexueller Zwischenstufen und rechtfertigten die operative Behandlung homosexueller Männer durch Kastration und nachfolgende Einpflanzung als heterosexuell bezeichneter Hoden, die S. 1916 in Kooperation mit dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868–1935) durch den Urologen Robert Lichtenstern durchführen ließ. Zwar hatten sich die wenigen Operierten aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation freiwillig gemeldet, die Folgen der Eingriffe waren jedoch desaströs. Nachdem diese Menschenversuche zunächst von Fachwelt und Öffentlichkeit einhellig begrüßt worden waren, wurden sie Mitte der 1920er Jahre nicht ethisch, wohl aber medizinisch desavouiert und beendet. 1920 erregte S. s Veröffentlichung „Verjüngung durch experimentelle Neubelebung der alternden Pubertätsdrüse“ (in: Archiv f. d. Entwicklungsmechanik d. Organismen 46, 1920, S. 557–610) weltweites Aufsehen. S. behauptete, daß die Pubertätsdrüse durch die Implantation von Keimdrüsen, die Unterbindung der Samenstränge oder eine Röntgenbehandlung gestärkt werde und einen Verjüngungseffekt des gesamten Körpers bewirke. Während diese Verjüngungsoperationen als „Steinach-Rummel“ stets höchst umstritten waren und die grandiosen Erwartungen nicht erfüllen konnten, setzte sich die Zwischenzellentheorie bis Ende der 1920er Jahre durch. S. arbeitete seit 1923 für die Schering AG an der Isolierung der Sexualhormone. Seit dem Herbst 1933 kooperierte er mit Schweizer Forschern bei Experimenten zur hormonellen Sterilitätsbehandlung von Nutztieren. Im März 1938 konnte S. aus der Schweiz nicht mehr nach Österreich zurückkehren und blieb im Exil.

  • Auszeichnungen

    A Dr. phil. h. c. (Innsbruck 1886).

  • Werke

    Unterss. z. vgl. Physiol. d. Iris, in: Pflügers Archiv 47, 1890, S. 289–340;
    Willkürl. Umwandlung v. Säugetiermännchen in Tiere mit ausgeprägt weibl. Geschlechtscharakteren u. weibl. Psyche, ebd. 144, 1912, S. 71–108;
    Sex and Life, 40 Years of Biological and Medical Experiments, 1940.

  • Literatur

    H. Benjamin, E. S., A Life of Research, in: Scientific Monthly 61, 1945, S. 427–42;
    C. Sengoopta, Glandular Politics, Experimental Biology, Clinical Medicine, and Homosexual Emancipation in Finde-Siècle Central Europe, in: Isis 89, 1998, S. 445–73;
    H. Stoff, Ewige Jugend, Konzepte d. Verjüngung v. späten 19. Jh. bis ins Dritte Reich, 2004;
    Jb. d. Wiener Ges., 1929;
    Wi. 1935;
    Fischer;
    Enc. Jud. 1971;
    Bibliographia Judaica;
    BHdE II;
    Lex. Naturwiss.;
    ÖBL;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    zu Simon:
    A. Tänzer, Die Gesch. d. Juden in Hohenems, 1971, Nachdr. 1982, bes. S. 350–54;
    BJ IX, Tl.;
    Bibliogr. Judaica;
    ÖBL;
    zu Wilhelm:
    Tänzer, Gesch. (s. o.), bes. S. 335–39;
    ÖBL;
    zu Philipp Rosenthal:
    Tänzer, Gesch. (s. o.), bes. S. 343.

  • Autor/in

    Heiko Stoff
  • Zitierweise

    Stoff, Heiko, "Steinach, Eugen" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 158-159 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117657662.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA