Lebensdaten
1661 – 1708
Geburtsort
Rothenthurm (Kanton Schwyz)
Sterbeort
Schwyz
Beruf/Funktion
Landvogt ; Schwyzer Oppositonsführer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 1024550753 | OGND | VIAF: 256052070
Namensvarianten
  • Stadler, Joseph Anton
  • Stadler, Josef Anton

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Zitierweise

Stadler, Joseph Anton, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1024550753.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus vermögender Fam. in R.;
    V Matthias (um 1615–89), Ratsherr in Sch., Lt., erwarb um 1670 d. gr. Taverne in R., wodurch d. Fam. in Schulden geriet;
    M Eva Bellmond ( 1690), aus Schwyzer Fam.;
    2 B Martin Emmanuel, Hptm., Chrysostomos (Taufname Franz Karl) (1665–1721, Benediktiner-Konventuale in Einsiedeln, beide unterstützten d. Schwyzer Oppositionsbewegung, 3 Schw u. a. Dorothea (⚭ Joseph Betschart), N. N. ( Rudolph Keller, Hptm. in Bütschwil, e. Anführer d. „Harten“ in Toggenburg, d. seit 1700 gegen d. Fürstabt v. St. Gallen rebelierten;
    1) 1686 Marianna Elisabetha Egger, aus St. Gallen, 2) 1706 Marianna Schuoler, aus R.;
    8 K (5 früh †) u. a. S Franz Viktor (1690–1769), T Anna Magdalena, Maria Rosa.

  • Biographie

    Der begabte S. besuchte 1678–82 als Novize die Klosterschule St. Gallen und trat dann in fürstäbtl. Dienste ein. Als Lehensvogt wurde er 1688 in einen Skandal verwickelt, indem er seinem Bruder bei der Entführung einer wohlhabenden Frau half. S. wurde entlassen und hatte eine hohe Buße zu entrichten. Dies mag seinen Haß auf die Fürstabtei St. Gallen begründet haben. Seiner politischen Karriere tat der Vorfall keinen Abbruch: 1689 wurde S. in den Rat in Schwyz und 1694 zum Landvogt über Uznach gewählt. Dabei tat er sich in der Hexenverfolgung hervor. Nach dem Tod des Vaters übernahm S. dessen Taverne in Rothenthurm.

    Als 1699 die benachbarten, mehrheitlich reformierten Toggenburger erneut gegen den Fürstabt von St. Gallen rebellierten, indem sie Frondienste verweigerten und das „Mannschaftsrecht“ für sich beanspruchten, stellte sich S. als Katholik auf die Seite der Toggenburger und avancierte zu deren Fürsprecher. Die Schwyzer Oligarchen, die auf Seiten des Fürstabts standen, hielten eine Geheimkonferenz ab und fälschten einen Beschluß im Ratsprotokoll. In einem spektakulären Akt deckte S. dies auf und sorgte für eine strenge Bestrafung der Fälscher. S. initiierte antioligarchische Reformen, so die 25 „Landespunkte“ (1702), die u. a. der Geschlechterherrschaft vorbeugten und durch eine bescheidene Besoldung für Beamte das elitäre Prinzip der „Abkömmlichkeit“ unterliefen. S. und seine Partei beriefen zahlreiche „außerordentliche Landsgemeinden“ ein und regierten mit Volksentscheiden. S. selbst wurde 1704 auf die lukrative Rheintaler Landvogteistelle berufen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht herrschte in Schwyz eine demokratische Aufbruchsstimmung.

    Im Toggenburg jedoch konfessionalisierte sich die Rebellion und zerfiel in „harte“ Rebellen und „linde“, vorwiegend kath. loyale Untertanen des Fürstabts. Die Schwyzer Oligarchen, unterstützt von den Kapuzinern und Teilen der Geistlichkeit, nützten den Umschwung und diffamierten S. sowie seine Anhänger als Protestanten. Als S. illegale Holzverkäufe tätigte, um Schulden zu tilgen, wurde er verhaftet, verhört, gefoltert und nach kurzem Gerichtsverfahren hingerichtet, als seine Anhänger Anstalten machten, ihn zu befreien. Mit seinem gewaltsamen Tod wurde S. zum Märtyrer seiner demokratischen Bewegung, sein Grab zog bis mindestens 1750 Pilger an.

    Die Forschung interpretierte die schweizer. Landsgemeindekonflikte lange Zeit als Ressourcenkämpfe rivalisierender Klientelverbände. Erst in jüngster Zeit bewertet man die vormodernen Auseinandersetzungen für prinzipiell motivierte Konflikte zwischen Oligarchie und popularer Opposition. S. und der „Stadlerhandel“ standen dabei am Beginn einer Reihe von Landsgemeindekonflikten. Bemerkenswert ist nicht nur die demokratische Programmatik, wie sie sich in den 25 „Landespunkten“ äußerten. S.s Bruder Pater Chrysostomos verfaßte zudem einen Traktat, der die Souveränität der Landsgemeinde theoretisch legitimierte. S. setzte sich mit Leib und Leben für eine „Verlandsgemeindung“ des Toggenburgs ein. Mit seinen Anhängern erreichte er eine Begrenzung der Oligarchisierung von Schwyz, eine Errungenschaft, welche die Landsgemeinde auch für die direktdemokratischen Bewegungen des 19. Jh. attraktiv machen sollte.

  • Werke

    (zugeschrieben) Copia der Land-Rechts-Brieffen, So beyde Hochlöbliche Orth Schweitz und Glarus Mit und von wegen der Graffschafft Toggenburg haben, Sambt etwas Zusatzes nach jetziger dero Beschaffenheit (o. O.) 1703.

  • Quellen

    StA Schwyz, Personalakte Stadler, Akten 1, Theke 447, 1–4 (Stadlerhandel, Prozeßakten 1708 ff.).

  • Literatur

    J. B. Ulrich, Leben u. Hinrichtung d. J. A. S., in: Schweizer. Erzähler, 1855/56;
    A. Rey, J. A. S. u. seine demokrat. Bewegung in Schwyz, Vortrag gehalten an d. Verslg. d. Hist. Ges. Arth-Goldau am 5. Juni 1955, 1955;
    K. Michel, Spuren e. vorrev. popularen Opposition in Schwyz, Unters. v. fünf Landsgde.unruhen zw. 1550 u. 1720 als Ausdrucksform d. Widerstandes gegen d. „Herren“ im Ancien Régime, Lizentiatsarbeit Univ. Fribourg 1999 (unveröff.);
    F. Brändle, Demokratie u. Charisma, Fünf Landsgde.konflikte im 18. Jh., 2005;
    ders., Der demokrat. Bodin, J. A. S., Wirt, Demokrat, Hexenjäger, in: Schweizer. Zs. f. Gesch. 58, 2008, S. 127–46;
    ders., „Es seye ja grad gleich, die Toggenburger singen die psalmen oder sye bettens, sye bettens oder sye blärents“, Macht, Konfessionalismus, Opposition u. Toleranz in Schwyz 1650 bis 1712, in Schweizer. Zs. f. Rel.- u. KGesch. 104, 2010, 307–34;
    HLS.

  • Autor/in

    Fabian Brändle
  • Zitierweise

    Brändle, Fabian, "Stadler, Joseph Anton" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 9-10 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1024550753.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA