Winder, Ludwig
- Lebensdaten
- 1889 – 1946
- Geburtsort
- Schaffa (Šafov, Mähren)
- Sterbeort
- Baldock (Hertfordshire, England)
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller ; Journalist ; Literaturkritiker ; Dramatiker ; Lyriker
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 118633643 | OGND | VIAF: 71407051
- Namensvarianten
-
- Winder, Ludwig
- List, G. A.
- b7
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Winder, Ludwig (journalistisches Kürzel liber w., Pseudonym Benjamin, Herbert Moldau, G. A. List)
| Schriftsteller, Journalist, Kritiker, * 7.2.1889 Schaffa (Šafov, Mähren), † 16.6.1946 Baldock (Hertfordshire, England), ⚰ vermutlichLondon. (jüdisch)
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Genealogie
V →Max(imilian) (1855–1920, ⚭ 1] Bertha Ehrenfest, aus Brünn), Kantor, Lehrer an d. jüd. Volksschule in Holleschau (Holešov, Mähren), S d. →Wolf(gang) († um 1893), Lehrer f. jüd. Rel. in Kolín (Böhmen);
M Fanny Löw, aus Náchod (Böhmen), Kindererzieherin;
2 Halb-B Otto, Viktor (1883–1942, KZ Auschwitz);
– ⚭ 1915 →Hedwig (1891–1987), aus Teplitz (Böhmen), T d. Heinrich Grab (1857–1917), aus Teplitz, u. d. Františka (Fanni) Fleischner (Fleischnerova) (1864–1942, Vernichtungslager Treblinka);
2 T →Marianne (1918–2001), wiss. Bibliothekarin, Med.hist. in London, →Eva (1920–1945, KZ Bergen-Belsen, ⚭ N. N. Cohn). -
Biographie
W. wuchs seit 1895 im mähr. Holleschau auf, wo er die dt.sprachige jüd. Volksschule besuchte, an der sein →Vater unterrichtete; später ging er wohl auf eine tschech. Realschule im nahen Prerau. 1907 schloß er seine Ausbildung an der dt. Handelsakademie in Olmütz ab und wurde Lokalreporter der linksliberalen Tageszeitung „Die Zeit“ in Wien. 1909 wechselte er in die Feuilletonredaktion des liberalen schles. „Bielitz-Bialarer Anzeigers“, bevor er 1911/12 in Böhmen für die dt.liberalen Tageszeitungen „Teplitzer Zeitung“ und „Pilsner Tagblatt“ tätig wurde. Nach zwei Jahren, in denen er u. a. in Wien Privatsekretär eines Grafen v. Königsegg war, wurde er 1914 Feuilletonredakteur der bedeutenden nationalliberalen Prager „Deutschen Zeitung Bohemia“, für die er bis zu ihrer Einstellung 1938 etwa 3000 Artikel, v. a. Theater- und Literaturkritiken, verfaßte.
Nach 1933 unterstützte W. dt. Emigranten (u. a. →Albert Ehrenstein, →Stefan Heym, →Thomas Mann, →Joseph Roth), indem er sie für die „Bohemia“ schreiben ließ und ihre in Deutschland verbotenen Bücher besprach. Drei Monate nach der dt. Besetzung Prags flüchtete er im Sommer 1939 illegal über Polen und Skandinavien nach England. Dort war er 1941–45 ständiger Mitarbeiter von „Die Zeitung“, einem dt.sprachigen Wochenblatt der brit. Regierung, und schrieb für die „Einheit“, eine in London herausgegebene Emigrantenzeitschrift „sudetendeutscher Antifaschisten“.
W. lebte zunächst in einem Flüchtlingsheim in Reigate (Surrey) und seit 1941 in Baldock (Gfsch. Hertfordshire), wo er 1946 vor der geplanten Rückkehr nach Prag verstarb.
W.s Vater, der Gedichte und Theaterstücke auf Tschechisch schrieb, förderte die literarischen Neigungen seines Sohns. Bereits als Schüler veröffentlichte W. „Gedichte“ (1906, recte 1905), die er zuvor →Richard Dehmel (1863–1920) vorgelegt hatte, mit dem er seit 1905 korrespondierte. Erste Erfolge als Romanautor erlangte er mit „Die rasende Rotationsmaschine“ (1+21917, russ. 1926) und den stilistisch und motivisch noch spätexpressionistischen Romanen „Kasai“ (1-31920) und „Die jüdische Orgel“ (1922, Nachdr. 1983, 1999), die das Aufbegehren gegen die Vaterwelt mit Zivilisationskritik und der Frage nach der jüd. Identität verbinden.
Unter seinen seit Mitte der 1920er Jahre verstärkt gesellschaftspolitischen Romanen findet „Der Thronfolger, Ein Franz-Ferdinand-Roman“ (1938, recte 1937, 1984, ²1989, mit e. Nachwort v. U. Weinzierl, 2014, tschech. 1938, 1979, ²1996, poln. 1990, 2015) bis heute besondere Beachtung; er wird in seiner Bedeutung mit →Joseph Roths (1894–1939) „Radetzkymarsch“ (1932) verglichen. In diesem historischen und zugleich psychologischen Familienroman um den 1914 ermordeten Ehzg. →Franz-Ferdinand von Österreich-Este entsteht „mit einer an Flaubert erinnernden Strenge“ noch einmal „das Bild des alten Österreichs“ (H. Nürnberger). Der Roman wur|de auf der Grundlage des „Traditionsschutzgesetzes“ (Bundesgesetz z. Schutze d. Ansehens Österr., 5.6.1935) in Österreich umgehend verboten. In zwei im engl. Exil geschriebenen Romanen wandte sich W. wieder der Gegenwart zu: „Die Pflicht“ (1943/44, Abdruck in: Die Zeitung, Ps. Herbert Moldau, 2 Ausgg., 1949, mit e. Nachwort hg. v. Ch. Haacker, 2003, engl. u. d. T. One Man‘s Answer, Ps. G. A. List, 1944, tschech. 2007, span. 2014) handelt vom tschech. Widerstand gegen die dt. Okkupation seit 1939; „Die Novemberwolke“ (1940–42 entstanden, mit e. Nachwort hg. v. D. Sudhoff, 1996, ²2011) schildert Emigrantenschicksale im 1940/41 bombardierten London. W. zählte von →Kafkas Tod bis 1938 mit →Felix Weltsch, →Oskar Baum und →Max Brod zum engeren „Prager Kreis“, einer locker zusammenhängenden Gruppe dt.sprachiger Prager Schriftsteller.
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Auszeichnungen
|Staatspreis d. Tschechoslowak. Rep. f. dt.sprachige Lit. (1934).
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Werke
Weitere W Das Tal der Tänze, 1910, recte 1909;
Mittag, 1910;
Doktor Guillotin, 1924, russ. 1926 (UA Karlsruhe, 1924);
Hugo, 1924, Hugo, Tragödie e. Knaben u. andere Erzz., Mit e. Nachwort hg. v. D. Sudhoff, 1995, ²2012;
Die nachgeholten Freuden, 1927, Nachdr. 1987, russ. 1928;
Die Reitpeitsche, 1929;
Dr. Muff, 1931, Nachdr. 1990, tschech. 1935 (als Romanbeil. d. soz.demokrat. Tagesztg. „Pravo lidu“);
Steffi oder Fam. Dörre überwindet d. Krise, 1935, tschech. 1935, slowen. 1937;
Der Kammerdiener, 1943–45 (Unvollst. Abdr. in: Die Ztg.), Mit e. Nachwort v. J. Serke, 1988;
Aus d. Nachlaß, hg. v. D. Sudhoff, in: Mnemosyne 17, 1994, S. 2–33;
Gesch. meines Vaters, hg. v. D. Sudhoff, 2000, ²2011;
– Bibliogr.: P.-Ch. Steinfeld (Hg.), L. W. (1889–1946) u. d. Prager dt. Lit., Erste vollst. Bibliogr. z. Werk L. W., 2009;
K. Krolop, 2015 (s. L) (W-Verz. u. Bibliogr. bis 1965);
–Teilnachlaß: DLA Marbach. -
Literatur
|M. Brod, Der Prager Kreis, 1966, Nachdr. 2016, passim, v. a. S. 215–19;
K. Krolop, L. W., Sein Leben u. sein erzähler. Frühwerk, Ein Btr. z. Gesch. d. Prager dt. Lit., Diss. Halle/Saale 1967, 2015 (W, L);
M. Pazi, 5 Autoren d. Prager Kreises, 1978, S. 256–98;
dies., Ein Versuch jüd. dt.-tschech. Symbiose, L. W., in: H. Zeman (Hg.), Die österr. Lit., Eine Dok. ihrer literarhist. Entwicklung [ … ], 1989, S. 595–615;
J. Serke, Böhm. Dörfer, 1987, S. 142–61;
K.-M. Gauß, Grauenhaft ist dieser Segen, dieser Fluch, L. W., in: ders., Die Vernichtung Mitteleuropas, 1991, S. 53–66;
J. v. Sternburg, Gottes böse Träume, Die Romane L. W.s, 1994 (W, L);
C. Spirek, Von Habsburg bis Heydrich, Die mitteleurop. Krise im Spätu. Exilwerk L. W.s, 2005;
A. Gassmann, Lieber Vater, lieber Gott?, Der Vater-Sohn-Konflikt b. d. Autoren d. engeren Prager Kreises, 2002 (W, L);
C. Puech, L’oxymore, Figure du déchirement, „L’orgue juif“ de L. W., in: F. Knopper (Hg.), Le déchirement, 2006, S. 191–211;
J. Thunecke, Das fehlende Kap., Anmm. z. vollst. Fassung v. L. W.s Roman „Die Pflicht“, in: Exil 26, 2006, S. 50–66;
J. Broukalová, L. W. als Dichter d. menschl. Seele u. d. Wirklichkeit, Ein Btr. z. Betrachtung d. Romans „Der Thronfolger, Ein Franz Ferdinand Roman“ im Kontext d. erzähler. Werks seines Vf., Diss. Prag 2008;
J. Mühlberger, Gesch. d. dt. Lit. in Böhmen 1900 bis 1939, 1981, S. 302–11;
P. Becher, L. W. als Kulturredakteur d. „Bohemia“ 1914–18, in: S. Höhne u. a. (Hg.), Max Brod (1884–1968), Die Erfindung d. Prager Kreises, 2016, S. 303–15;
ders. u. a. (Hg.), Hdb. d. dt. Lit. Prags u. d. Böhm. Länder, 2017, passim;
Enc. Jud. 1971;
Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
Killy;
KLL;
Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
BHdE II;
Metzler Lex. dt.-jüd. Lit.;
ÖBL. -
Porträts
|Photogr., um 1920 (Tschech. Nat.archiv).
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Autor/in
Thomas Diecks -
Zitierweise
Diecks, Thomas, "Winder, Ludwig (journalistisches Kürzel liber w., Pseudonym Benjamin, Herbert Moldau, G. A. List)" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 230-231 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118633643.html#ndbcontent