Lebensdaten
1920 – 2000
Geburtsort
Tyssa (Tisá, Böhmen)
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Photograph
Konfession
-
Normdaten
GND: 11920813X | OGND | VIAF: 120782623
Namensvarianten
  • Lautenbacher, Walter
  • Lautenbacher, Walter E.
  • Lautenbacher, Walter Ernst
  • mehr

Quellen(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Lautenbacher, Walter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11920813X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst (* 1893), kaufm. Angest., S d. Franz Wenzel, Häusler, Fabrikarb. in T., u. d. Marie Schade, Häuslers-T;
    M Anna (* 1893), T d. Franz Ritschel, Schlosser in T., u. d. Antonia Hiebsch, Häuslers-T oder T d. Anton Ritschel, Fuhrmann in T., u. d. Anna Rehn, Bauers-T in Schönwald b. Aussig;
    Ur-Gvv Wenzel, Fabrikarb. in T.;
    N. N.;
    kinderlos.

  • Biographie

    W. besuchte nach Volks- (1927–32) und Bürgerschule (1932–38) die Handelsakademie in Bodenbach/ Elbe, wo er 1941 die Matura ablegte. Anschließend zum Kriegsdienst eingezogen, kam er 1945 kurzzeitig in amerik. Gefangenschaft, wurde ausgesiedelt und danach als Neulehrer an der Grundschule Possendorf (Kr. Dippoliswalde) tätig. 1946 trat W. in die SPD (Ost) und die SED ein und begann das Studium der Geschichte und Germanistik an der Päd. Fakultät, danach zusätzlich der Klass. Philologie an der Phil. Fakultät der Univ. Leipzig. Seine Lehrer waren neben dem Germanisten Theodor Frings (1886–1968), dem klassischen Philologen Wilhelm Schubart (1873–1960) u. a. später auch der Historiker Walter Markov (1909–93), v. a. aber der Mediävist Heinrich Sproemberg (1889–1966), der 1950 den Lehrstuhl für Mittlere Geschichte am Historischen Institut übernommen hatte. Als Assistent Sproembergs und Inhaber einer apl. Aspirantur legte W. 1952 seine Dissertation über „Die gesellschaftlichen Grundlagen der Klosterreform im 11. Jahrhundert“ (gedr. 1953) vor, in der er sich ausdrücklich zur marxistischen Theorie des historischen Materialismus bekannte.

    1956 habilitierte er sich mit einer ähnlich ausgerichteten Arbeit über die „Armen Christi“ (Pauperes Christi, Studien zu sozial-religiösen Bewegungen im Zeitalter des Reformpapsttums).

    Mit diesen beiden Arbeiten verschaffte sich W. trotz mancher Einwendungen im Detail einen festen Platz in der wissenschaftlichen Diskussion; von Sproemberg gefördert, konnte er mit diesem an Historikertreffen im In- und Ausland teilnehmen. Noch 1956 erhielt W. in Leipzig eine Dozentur für Allgemeine Geschichte des Mittelalters und zum Sept. 1957 eine Professur mit Lehrauftrag. 1956–62 Mitglied der SED-Univ.-Parteileitung, führte er nach der III. Hochschulkonferenz der SED 1958 Verhandlungen über das Ausscheiden Sproembergs (Didczuneit). 1959 erhielt W. eine Professur mit vollem Lehrauftrag, 1961 wurde er o. Professor (em. 1986). 1960–64 fungierte er als Prorektor für den wissenschaftlichen Nachwuchs und 1967–69 als Rektor. 1967–75 war er Mitglied der SED-Kreisleitung an der Univ. Leipzig.

    Trotz starker Beanspruchung durch seine Ämter konnte W. in dieser Zeit seine Forschungen zur Häresiegeschichte zusammen mit bulgar. und tschech. Fachkollegen auf das dualistische Gedankengebäude im byzantin. Osten ausweiten und dabei Bogumilen und Adamiten mit westlichen Waldensern in Beziehung setzen. Gleichzeitig schaltete er sich mit Aufsätzen zur Zelotenbewegung in Thessalonike und zum Ciompi-Aufstand in Florenz erfolgreich in die Debatte über die mittelalterliche Häresieentwicklung ein. 1966 legte er nach vorbereitenden Studien mit „Die Geburt einer Großmacht, Die Osmanen (1300–1481)“ eine umfassende marxistische Darstellung zur Geschichte der Türkei vor: vom seldschukischen Erbe bis zur militanten Herrschaft Mehmed II. (4. überarb. u. erw. Aufl. 1985, türk. 1995).

    Vor allem mit dem Feudalismusbegriff arbeitend, stand W. der Mentalitätsgeschichte lange sehr reserviert gegenüber, da er in deren Begrifflichkeiten eine Gefahr für die marxistische Klassenauffassung sah. Erst spät erkannte er den Wert entsprechender Untersuchungen für die Erfassung komplexer gesellschaftlicher Verhältnisse. Von seinem Positionswechsel zeugt die zusammen mit Sabine Tanz verfaßte Monographie über „Spätmittelalterliche Laienmentalitäten im Spiegel von Visionen, Offenbarungen und Prophezeiungen“ (1993).

    Schon seit Mitte der 1960er Jahre hatte W. sich auch mit Jan Hus beschäftigt. Nach einer grundlegenden Studie über dessen Kirchenbegriff 1967 erschien 1991 eine eingehende Biographie über den Prager Magister; hierin vertrat W. die These, daß Hus als erster den offenen Bruch mit der Papstkirche vollzog und so den entscheidenden Schritt zu den Reformationen des frühneuzeitlichen Europa tat.

    W., der in seinen letzten Arbeiten auch (selbst-)kritisch über die „staatlich verordnete Verbindung von Politik und Wissenschaft“ reflektierte, gilt als Begründer der marxistischen Mediävistik in der DDR. Er publizierte in zahlreichen osteurop., aber auch in westdt., ital. und franz. Fachzeitschriften und nahm zwischen 1960 und 1980 regelmäßig an internationalen Historikerkongressen teil. Von dem 1971 in Bukarest tagenden 14. Kongreß für byzantin. Studien wurde er mit einem Rapport général beauftragt. Zum Kreis seiner Mitarbeiter und Schüler gehörten der Mediävist Martin Erbstößer (1929–2011), mehrfach Koautor W.s, die Mediävistin und Afrikanistin Theodora Büttner (* 1930), der Byzantinist und Mediävist Klaus-Peter Matschke (* 1938), der Mediävist und Orientalist Gerhard Hoffmann (* 1941) sowie die Mediävistin Sabine Tanz (* 1957).

  • Auszeichnungen

    |o. Mitgl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. zu Leipzig (1971);
    korr. Mitgl. d. Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin bzw. d. Ak. d. Wiss. d. DDR zu Berlin (1971–92);
    Verdienstmedaille d. DDR (1965);
    Nat.preis III. Kl. (1966);
    VVO in Bronze (1975) u. Gold;
    Verdienter Hochschullehrer (1980);
    Dr. phil. h. c. (Leipzig 1985);
    Choix des Annales (1987, mit M. Erbstößer);
    František-Palacký-Medaille (1991).

  • Werke

    Weitere W u. a. Circumcellionen u. Adamiten, Zwei Formen ma. Häresie, 1959 (mit Th. Büttner);
    Adamit. Praktiken im spätma. Bulgarien, in: Byzantoslavica 20, 1959, S. 20–27;
    Volkstüml. Häretiker oder soz.-pol. Reformer? Probleme d. revolutionären Volksbewegung in Thessalonike 1342–1349, in: Wiss. Zs. d. Karl-Marx-Univ. Leipzig 1, 1958 / 59, S. 45–83, russ. in: Vizantiisky vremennik 17, 1960, S. 155–202;
    Probleme städt. Volksbewegungen im 14. Jh., dargest. am Bsp. d. Ciompi-Erhebung in Florenz, in: Städt. Volksbewegungen im 14. Jh., 1960, S. 11–55;
    Die Bogomilen in Bulgarien, in: Studi medievali 3, 1962, S. 249–78;
    Ideolog. Aspekte d. dt.- österr. Waldensertums im 14. Jh., ebd. 4, 1963, S. 213–37, russ. in: Srednie weka 25, 1964, S. 113–27;
    Bemm. zu e. neuen marxist. Darst. d. Gesch. d. Türkei im Za. d. Feudalismus, in: ZfG 11, 1963, S. 1516–25;
    Der Kirchenbegriff b. Jan Hus, Jakoubek v. Mies, Jan Želivský u. d. linken Taboriten, 1967;
    Spätbogomil.-adamit. Spekulationen u. Praktiken in rel.hist. Sicht, in: Byzantine Studies 1, 1974, S. 40–53;
    Pietro Damiani ed il movimento popolare del suo tempo, in: Studi Gregoriani 10, 1975, S. 289–316;
    Häresie u. Ges. im 11. Jh., SB Sächs. Ak. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 117, H. 5, 1975;
    Stadtluft macht frei, Frühscholastik u. bürgerl. Emanzipation in d. ersten Hälfte d. 12. Jh., ebd. 118, H. 5, 1976;
    Stadt u. Geistesleben im HochMA, 11. bis 13. Jh., 1980;
    Ketzer u. Heilige, Das rel. Leben im HochMA, 1986 (mit M. Erbstößer), u. d. T. Kleriker, Mönche, Ketzer, ²1992;
    Uni-Neubau mußte nicht „automatisch“ Ende f. Paulinerkirche sein, Erinnerungen e. Betroffenen an e. Akt d. Kulturbarbarei, in: Univ.ztg. Nr. 37, 1990 [unpaginiert], erneut in: MA-forsch. in Leipzig (s. L), S. 209–12;
    Jan Hus, Welt u. Umwelt e. Prager Frühreformators, 1991 (hierzu Rez. v. F. Seibt, in: Bohemia 35, 1994, S. 503 ff.);
    Qu Univ.archiv Leipzig.

  • Literatur

    |Häresie u. Ges. im MA, d. Wirken E. W.s gewidmet, 1987;
    E. W. 70 J., in: ZfG 38, 1990, S. 1024;
    Nachrufe: K.-P. Matschke, in: Jb. d. Sächs. Ak. d. Wiss. zu Leipzig, 1993–1994, S. 411–18 (P);
    S. Tanz, E. W. z. Gedenken, in: ZfG 41, 1993, S. 820 f.;
    – Mentalität u. Ges. im MA, Gedenkschr. f. E. W., hg. v. S. Tanz, 1993;
    V. Didczuneit, Gesch.wiss. in Leipzig, Heinrich Sproemberg, 1994 (P);
    K. H. Jarausch u. M. Middell (Hg.), Nach dem Erdbeben, (Re-)Konstruktion ostdt. Gesch. u. Gesch.wiss., 1994;
    M. Borgolte, MAforsch. nach d. Wende 1989, 1995;
    M. Middell, C. Schubert u. P. Stekeler-Weithofer, Erinnerungsort Leipziger Univ.kirche, Eine Debatte, 2003;
    P. Moraw, Die dt.sprach. Mediävistik im 20. Jh., 2005;
    K.-P. Matschke u. S. Tanz (Hg.), MAforsch. in Leipzig, Der Mediävist E. W. (1920–1993) u. sein Platz in d. internat. Gesch.wiss., 2009;
    Wer war wer DDR;
    Biogr. Hdb. SBZ/ DDR;
    Professorenkat. Univ. Leipzig.

  • Autor/in

    Klaus-Peter Matschke
  • Zitierweise

    , "Lautenbacher, Walter" in: Neue Deutsche Biographie (), S. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11920813X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA