Wilsing, Johannes

Lebensdaten
1856 – 1943
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Potsdam
Beruf/Funktion
Astrophysiker ; Astronom
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117396478 | OGND | VIAF: 77092411
Namensvarianten

  • Wilsing, Johannes Moritz Daniel
  • Wilsing, Johannes
  • Wilsing, Johannes Moritz Daniel
  • Wilsing, Johann

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Zitierweise

Wilsing, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117396478.html [25.12.2025].

CC0

  • Wilsing, Johannes Moritz Daniel

    | Astrophysiker, * 8.9.1856 Berlin, † 23.12.1943 Potsdam, Potsdam. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Daniel Friedrich Eduard (1809–1893), aus Hörde b. Dortmund, Kirchenkomp. (s. Riemann; MGG; Biogrr. Dortmunder), S d. N. N., ref. Prediger in Hörde;
    M Clara (1827–1906), aus P., T d. Moses Gustav Adolph Moritz Hitzig (1786–1840), u. d. Julie Gardemin (1786–1861).

  • Biographie

    Nach dem Besuch einer Privatschule und des Wilhelms- und Friedrich Wilhelms Gymnasiums in Berlin studierte W. 1876/77 an der Univ. Göttingen, seit 1877 an der Univ. Berlin, wo er 1880 mit einer Arbeit „Über den Einfluss von Luftdruck und Wärme auf die Pendelbewegung“ zum Dr. phil. promoviert wurde. Anschließend arbeitete er bis zu seinem Ruhestand 1921 am Kgl. Astrophysikalischen Observatorium Potsdam, zunächst als Assistent unter Hermann Carl Vogel (1841–1907), seit 1901 als Hauptobservator.

    Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Sonnenflecken lehnte W. die damals vertretene Vorstellung des Zusammenhangs der Periodizität von Sonnenflecken mit den Planetenbewegungen ab und suchte stattdessen eine Erklärung in den physikalischen Bewegungsabläufen innerhalb einer Gaskugel. Eine weitere bedeutende Arbeit W.s war die Bestimmung der effektiven Temperaturen von 109 helleren Sternen sowie kolorimetrische Messungen zu Farben, Helligkeit und Durchmesser der Sterne. Seine daraus resultierende Aufstellung der absoluten Temperaturskala der Fixsterne von 1905 bildete eine wichtige Grundlage für die astrophysikalische Forschung.

    Die Zusammenarbeit und persönliche Freundschaft mit dem Astrophysiker Julius Scheiner (1858–1913) in Potsdam seit 1887 hatte großen Einfluß auf W.s Schaffen, überschattete aber auch die Rezeption seiner wissenschaftlichen Leistungen. 1896 versuchten Scheiner und er vergeblich, eine vermutete Radiostrahlung der Sonne nachzuweisen. Diese Untersuchung und die daraus folgenden Veröffentlichungen gelten heute als Geburtsstunde der Radioastronomie, nur wenige Jahre nach der erstmaligen Erzeugung und Messung elektromagnetischer Wellen durch Heinrich Hertz (1857–1894). Die unnötig restriktive Auslegung der Eingangsapertur durch W. und Scheiner ist aus heutiger Sicht der Grund für das Mißlingen der Messung. Kritisch für den weiteren Verlauf der radioastronomischen Forschung war das unzutreffende Fazit Scheiners und W.s, der Nachweis sei wegen der Undurchlässigkeit der Atmosphäre für Radiowellen nicht gelungen. Diese Auffassung fand schnell weite Verbreitung und ist wohl mit ursächlich dafür, daß ein Nachweis der solaren Radiostrahlung erst 1943 gelang. Gleichzeitig trug sie vermutlich zur schnelleren Entwicklung des Kurzwellenfunks bei, da diese auf einer tatsächlich bestehenden Opazität der Ionosphäre für kurze Wellenlängen fundiert.

    Mit Scheiner war W. für Bau und Aufstellung des 1899 errichteten astronomischen Prestigeprojekts von Ks. Wilhelm II., dem „Großen Refraktor“ am Observatorium in Potsdam, verantwortlich, dem bis heute viertgrößten Refraktor. Nachdem dieser wegen Fertigungsfehlern optisch weit hinter den Erwartungen zurückblieb, kam es zu anhaltenden Auseinandersetzungen mit Vogel, was dazu führte, daß W. und Scheiner nicht mehr mit Führungsaufgaben betraut wurden.

    W.s Arbeiten zeichnen sich durch gleichzeitige Beherrschung neuer experimenteller und mathematisch-physikalischer Techniken aus.

    Dabei fanden neue spektroskopische, bolometrische und photographische Methoden Anwendung. W. war damit neben Scheiner, Vogel und Johann Karl Friedrich Zöllner (1834–1882) ein Pionier der astrophysikalischen Forschung im dt. Sprachraum.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Leopoldina (1919), d. Royal Astronomical Soc. London u. d. Astronomical Soc. of the Pacific;
    Krater „Wilsing“ auf d. Mondrückseite (1970) u. 9 zugeordnete Satellitenkrater (2006).

  • Werke

    Weitere W Über d. Rotationsgesetz d. Sonne u. d. Periodicität d. Sonnenflecken, in: Astronom. Nachrr. 127, 1891, S. 233–55;
    Ber. über Versuche z. Nachweis e. elektrodynam. Sonnenstrahlung, ebd. 142, 1896, S. 17–22 (mit J. Scheiner);
    Temperaturbestimmung v. 109 helleren Sternen aus spektralphotometr. Beobachtungen, ebd. 183, 1909, S. 97–108 (mit dems.);
    On the Law of the Sun’s Rotation, in: Astrophysical Journ. 3, 1896, S. 247–51;
    On the Effect of Pressure Upon the Wavelength of the Lines of the Hydrogen Spectrum, ebd. 10, 1899, S. 269–71;
    Über e. Versuch, e. electrodynam. Sonnenstrahlung nachzuweisen, u. über d. Änderung d. Übergangswiderstandes b. Berührung zweier Lei|ter durch electr. Bestrahlung, in: Ann. d. Physik 295, 1896, S. 782–92 (mit J. Scheiner);
    Royal Soc. (Hg.), Cat. of Scientific Papers, Bd. 19, 1925, S. 644 f.

  • Literatur

    L W. v. Bezold, in: Das Weltall 35, 1936, H. 10/11, S. 157;
    E. B. Frost, Julius Scheiner, in: Astrophysical Journ. 41, 1915, S. 1–7;
    W. T. Sullivan, Classics in Radio Astronomy, 1982;
    W. J. Altenhoff, Fundamentals of Radio Astronomy, in: G. D. Roth (Hg.), Compendium of Practical Astronomy, 1994, S. 381–412;
    Pogg. IV–VII a;
    Complete DSB.

  • Porträts

    |Photogrr. (Archiv d. Leopoldina);
    Photogr., Abb. in: Porträtgallerie d. astronom. Ges., 1904, S. 64.

  • Autor/in

    Michael P. Seiler
  • Zitierweise

    Seiler, Michael P., "Wilsing, Johannes Moritz Daniel" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 210-211 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117396478.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA