Dates of Life
1865 – 1943
Place of birth
Wien
Place of death
Ghetto Theresienstadt
Occupation
Romanistin
Religious Denomination
lutherisch
Authority Data
GND: 118600389 | OGND | VIAF: 19723742
Alternate Names
  • Richter, Elise
  • Richther, Elise

Relations

Outbound Links from this Person

Genealogical Section (NDB)

The links to other persons were taken from the printed Index of NDB and ADB and additionally extracted by computational analysis and identification. The articles are linked in full-text version where possible. Otherwise the digital image is linked instead.

Places

Map Icons
Marker Geburtsort Place of birth
Marker Wirkungsort Place of activity
Marker Sterbeort Place of death
Marker Begräbnisort Place of interment

Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.

Citation

Richter, Elise, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600389.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Maximilian ( 1890), Dr. med., Chef d. Sanitätsdienstes d. k. k. privilegierten Südbahn;
    M Emilie|(Emmy) Lackenbacher ( 1889);
    Schw Helene (1861–1942 Theresienstadt, luth.), Schriftst., Anglistin, Shakespeare-Forscherin, Übers. engl. Lit., Dr. phil. h. c. (Heidelberg, Erlangen 1931) (s. Lex. d. Frau; Hall-Renner; ÖBL; G. Haenicke, Th. Finkenstaedt, Anglistenlex. 1825-1990, 1992; Wissenschafterinnen in u. aus Österr., hg. v. I. Korotin, 2002); – ledig.

  • Biographical Presentation

    Nach Privatunterricht legte R. 1897 als Externe die Maturitätsprüfung ab und immatrikulierte sich an der Univ. Wien. Neben Indogermanistik und Germanistik studierte sie v. a. Romanistik bei Adolf Mussafia (1835–1905). Zu ihrem eigentlichem Lehrer wurde Wilhelm Meyer-Lübke (1861–1936), ein exponierter Vertreter des sprachwissenschaftlichen Positivismus. Bei ihm wurde sie – als dritte Frau in Wien – 1901 promoviert. Ihre Dissertation „Zur Entwicklung der roman. Wortstellung aus der lat.“ (1903) wurde so positiv besprochen, daß R. 1904 unter Vorlage der Arbeit „Ab im Romanischen“, die durch spätlat. und roman. Belege das Weiterleben der lat. Präposition in den roman. Sprache untersucht, um die Venia legendi für Roman. Philologie mit bes. Berücksichtigung der Sprachpsychologie nachsuchte, die ihr schließlich 1907 erteilt wurde. Damit war R. die erste Privatdozentin in Österreich. 1921 wurde sie zur ao. Professorin ernannt, doch erst 1927 bezog sie Gehalt aufgrund eines Lehrauftrags für Sprachwissenschaft und Phonetik. 1922 gründete R. den Verband der Akademikerinnen Österreichs, dem sie bis 1930 angehörte.

    Im Zentrum ihrer umfangreichen wiss. Arbeit stand die experimentelle Phonetik sowie die Perseveranz, also unterbewußte Vorgänge im Sprachleben. R., die regen Austausch mit dem seit 1922 in Wien lehrenden Slawisten und Begründer der Phonologie Nikolai S. Trubetzkoy (1890–1938) pflegte, konzentrierte sich auf die Chronologie der Romanismen, d. h. derjenigen sprachlichen Erscheinungen, die von der Urzeit her nicht zur klass. Schriftsprache, sondern zu den roman. Volkssprachen führten, vernachlässigte aber auch semantische Aspekte nicht. Im Gegensatz zu damals verbreiteten Lehrmeinungen stellte sie für die historische Grammatik fest, daß diese zu mehr als Dreiviertel von der Semantik beherrscht wird. Das Projekt einer umfassenden roman. Sprachgeschichte „in fortlaufender, innerlich zusammenhängender Schilderung des Wirkens aller Faktoren“ blieb unvollendet, doch ein erster Teil „Chronologische Phonetik des Französischen bis zum Ende des 8. Jh.“ (1934) bildet R.s Opus magnum. Als Sprachwissenschaftlerin war R. origineller und moderner als Meyer-Lübke und die meisten Kollegen ihrer Zeit. Zu ihren Schülern zählen Ernst Gamillscheg, Leo Spitzer, Christine v. Rohr, Helene Adolf und Christl Schütz.

    Am 10.3.1938 beendete R. ihre Lehrtätigkeit; nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Dt. Reich verlor sie aufgrund der NS-Rassengesetze ihren Lehrauftrag. 1940 beendete sie ihre thematisch geordnete Autobiographie „Summe des Lebens“, einen durch Nüchternheit wie analytische Schärfe bestechenden Lebensbericht. Ein Angebot, nach Großbritannien zu emigrieren, lehnten R. und ihre Schwester ab. Am 10.10.1942 wurden beide nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Abstand eines halben Jahres starben.

  • Works

    Weitere W Lautbildungskunde, Einf. in d. Phonetik, 1922;
    Die Entwicklung d. neuesten Französisch, 1933;
    Kleinere Schrr. z. allg. u. roman. Sprachwiss., hg. v. W. Meid, 1977. – Summe d. Lebens, hg. v. Verband d. Akademikerinnen Österr.s, 1997 (P).|

  • Archival Ressources

    Nachlaß: Wiener Stadt- u. Landesbibl.

  • Literature

    G. Mecenseffy, Ev. Lehrer an d. Univ. Wien, 1967, S. 198 f.;
    B. Woodbridge, in: Romance Philology 26, 1972, S. 342-60 (W);
    H. H. Christmann, Frau u. „Jüdin“ an d. Univ., Die Romanistin E. R. (Wien 1865 – Theresienstadt 1943), Abhh. d. Mainzer Ak. d. Wiss., 1980 (P);
    Dt. u. österr. Romanisten als Verfolgte d. NS, hg. v. dems. u. F.-R. Hausmann, 1989;
    F.-R. Hausmann, Dt. Romanistik im „Dritten Reich“, 2000, S. 286-95;
    Desiderate d. österr. Frauenbiografieforsch., hg. v. E. Lebensaft, 2001, bes. S. 45;
    Lex. d. Frau (P);
    ÖBL;
    Hist. Lex. Wien;
    J. Dick, M. Sassenberg (Hg.), Jüd. Frauen im 19. u. 20. Jh., 1993;
    E. Pulgram, in: Lex. Grammaticorum, hg. v. H. Stammerjohann, 1996 (W);
    Wissenschafterinnen in u. aus Österr., hg. v. I. Korotin, 2002.

  • Author

    Frank-Rutger Hausmann
  • Citation

    Hausmann, Frank-Rutger, "Richter, Elise" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 525-526 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600389.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA